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Harald Wild (OVB Vermögensberatung) – Agile is dead – shut up!

Harald Wild - Agile is dead - Shut up

Harald Wild – Vorstand COO/IT, CFO bei OVB Vermögensberatung – im Confare Blog-Interview. Mit uns unterhält sich Harald über die persistierende Frage, ob die Diskussion ob Agile nun tot ist oder nicht in der aktuellen Zeit sinnvoll ist, welche Themen bei der Frage oft übersehen werden und vieles mehr. Hier haben Sie erste Einblicke in die Schwerpunkte, denen er sich bei seiner Keynote am Confare CIOSUMMIT widmen wird.

Dein Vortragstitel ist sehr provokant: „Agile is dead – shut up!“ Warum hast du dich für diese drastische Formulierung entschieden?

Es ist mir wichtig, Aufmerksamkeit für dieses Thema zu erzeugen. Gerade in letzter Zeit häufen sich wieder Artikel und Posts, die die Diskussion anheizen, ob Agil nun tot ist oder vielleicht doch nicht ganz oder untot usw. Darauf folgen dann immer die gleichen Antworten: “Ja, das ist tot, und ich habe schon immer gesagt, dass das nicht erfolgreich wird”, “Nein, das ist nicht tot, ihr versteht es nur nicht”, “Clickbait” usw.

Zugegeben, das geht mir auch auf die Nerven! Denn diese Diskussionen lenken von der wirklich wichtigen Debatte ab, die wir eigentlich führen sollten. Denn ob wir es agil nennen, modern, New Work, normal oder “gab es schon immer” – es geht darum, mit den richtigen Tools und Methoden unsere akuten, sich schnell verändernden Herausforderungen und Probleme zu lösen. Und es gibt mittlerweile einfach viele neuere Methoden als die, die in den 1990ern entstanden, als viele, die heute hohe Führungspositionen innehaben, ihre Grundlagen gelernt und ihre erste berufliche Sozialisierung erfahren haben.

Die Geschwindigkeit der Veränderung nimmt stetig zu. Ein Satz, den man kaum noch hören kann – aber dadurch wird er nicht weniger wahr. KI beschleunigt diese konstante Veränderung noch einmal enorm. Es ist so ähnlich wie mit dem Klimawandel: Seit Jahrzehnten wissen wir, dass er kommt und dass wir daran schuld sind. Doch es hat sehr lange gedauert, bis wir überhaupt begonnen haben, etwas dagegen zu unternehmen – und immer noch tun wir nicht genug.

Genauso verhält es sich mit modernen Methoden der Strukturierung von Arbeit, Zusammenarbeit, Führung, Unternehmensentwicklung, Lernen usw. Eigentlich wissen viele Unternehmen und “Unternehmenslenker”, dass sie mehr tun müssten, um jetzt und zukünftig anpassungsfähig zu sein, schnell und flexibel auf neue Technologien und Marktveränderungen reagieren zu können und letztendlich das eigene Geschäftsmodell aktiv zu gestalten, anstatt gestaltet zu werden.

Wenn es um Technologie und Architektur geht, ist das meistens recht klar: Cloud Native, API First, Zero Trust usw. Leider wissen immer noch zu wenige Unternehmen, mit welchen Methoden man innovative Themen umsetzt und wie man diese Methoden konstant im Unternehmen verankert. Denn sich schnell verändernde Technologien lassen sich am besten mit flexiblen Methoden in Umsetzung, Integration und Wartung beherrschen.

Das ist genau die Diskussion, die wir führen sollten: Welche Methoden lösen unsere konkreten Probleme? Welche Toolbox ist dafür notwendig? Und wie fügen wir die Tools so zusammen, dass daraus etwas Wertvolles und vor allem schnell Wert erzeugendes für das Unternehmen entsteht? Wie das dann heißt, ob es neu ist oder altbekannt, aus Framework X oder Y stammt oder neu erfunden wurde, spielt keine Rolle – solange es effektiv und wertvoll ist.

Also kein dogmatisches Befolgen von Regeln eines Frameworks, sondern eine angepasste Methodik, die auf breiten Schultern und einer fundierten Wissensbasis im Unternehmen steht und an der möglichst viele mitentwickeln.

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Ursprünglich war Agile ein pragmatischer Ansatz zur Problemlösung. Wann und warum hat sich das in dogmatische Strukturen verwandelt?

Es gab einige Fehlentwicklungen, die eine Umsetzung für Unternehmen erschwert oder sogar unmöglich gemacht haben. In den Anfängen stand bei agilen Ansätzen die Problemlösung im Vordergrund. Es ging vereinfacht gesagt auch darum, bessere Methoden zur Zusammenarbeit, Autonomie und zum Anforderungsmanagement zu etablieren. Das war zunächst kein Ansatz für Business Agility und maximale Skalierung.

Leider wurde dann von agilen Coaches und der agilen Community die “reine Lehre” gepredigt. Etwas übertrieben ausgedrückt, galten alle Unternehmen, die nicht vollständige Agilität, Hierarchielosigkeit und Eigenverantwortung von Teams und Personen anstrebten, als dysfunktional und letztendlich “nicht agil”.

Das hat es Unternehmen erheblich erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht, bei ihren Transformationen erfolgreich zu sein. Denn das ist weder für alle Unternehmen sinnvoll noch erreichbar. Gerade die Skalierung agiler Methoden ist sehr schwierig und aufwändig.

Danach wurde – und ich übertreibe hier bewusst – mit der agilen Industrie reagiert. Es entwickelte sich ein Geschäftsmodell für Frameworks und Methoden. Jeder Beratungsdienstleister hatte plötzlich sein eigenes Framework oder eine Methodik, die vollintegriert alle Probleme lösen sollte.

Das führte dazu, dass die Regeln von Frameworks blind befolgt wurden, ohne zu prüfen, ob sie für das Unternehmen tatsächlich wertvoll sind.

Eine klassische Ausgeburt davon ist aus meiner Sicht SAFe. Allein die Prozess- und Rollenübersicht benötigt ein A0-Poster, um alles noch vernünftig erkennen zu können. Man merkt, ich bin kein Fan von SAFe. Beim Skalieren ist aus meiner Erfahrung Leichtgewichtigkeit von Vorteil.

Das alles ist natürlich verkürzt und etwas übertrieben dargestellt. Natürlich gab und gibt es auch wundervolle Initiativen, die Unternehmen und deren Kultur auf wertvolle Weise weiterentwickelt haben. Doch der Fakt, dass nur wenige agile Transformationen die gesteckten Ziele voll erreichen, hat ebenfalls seine Gründe.

Laut dem State of Agile Report 2022 geben nur 11 % der Unternehmen an, „sehr zufrieden“ mit der Skalierung agiler Methoden zu sein, während 33 % „eher zufrieden“ sind. Dies entspricht einer Gesamtzufriedenheitsquote von 44 %. Eine ältere Studie der GPM/IPMA (2017) zeigt, dass 34 % der agilen Anwender ihr Unternehmen im Vergleich zu Wettbewerbern als „erfolgreicher“ einschätzen, wobei hybride Ansätze (agil und klassisch kombiniert) mit 73 % Ergebnisverbesserungen punkten.

Jeff Sutherland, Mitbegründer von Scrum, beziffert die Scheiterungsrate agiler Transformationen auf 47 %. Der Chaos Report der Standish Group differenziert zwischen Projekten: Während 29 % der Wasserfall-Projekte scheitern, liegt die Quote bei agilen Projekten bei 9 %. Allerdings bezieht sich dies auf Einzelprojekte, nicht auf ganzheitliche Transformationen.

Was auch immer man von diesen Studien im Detail hält, sie zeichnen zumindest ein Bild.

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Welche typischen Fehlentwicklungen siehst du in Unternehmen, die „Agilität um der Agilität willen“ eingeführt haben?

Das passiert oft bei sehr unzureichendem Wissen und dazu noch geringer externer Unterstützung, um sich das Label “Agile Transformation” ans Revers heften zu können. Es wird verkannt, was es für ein Unternehmen finanziell und ressourcentechnisch bedeutet, diese Reise zu starten.

Hin und wieder wird das auch von Geschäftsführern und Vorständen gemacht, um sich innovativ zu zeigen, ohne die grundlegenden Prinzipien zu verstehen. Wenn sich dann zu viel verändert, starten oft die klassischen Herausforderungen: Angst vor Kontrollverlust, Schwierigkeiten, Kontrolle in Vertrauen zu verwandeln, die eigene Dominanz zurückzufahren und die eigene Führung weiterzuentwickeln. Systemtheoretische Ansätze zu verstehen und sich als oberste Führungsebene im Unternehmen mit den grundlegenden Prinzipien und Methoden vertraut zu machen und diese im Idealfall selbst zu nutzen.

Solches Vorgehen ist dann tatsächlich weitgehend dysfunktional, wenig transparent und bringt auch wenig Erfolg. Ggf. sogar das Gegenteil, nämlich Frust und Resignation, weil sich wieder nichts im Unternehmen verändert, aber viel versprochen wurde.

Statt kompletter Hierarchielosigkeit plädierst du für einen flexiblen, hybriden Ansatz. Wie sieht die richtige Balance aus?

Nun, Hierarchien geben Unternehmen ja auch Stabilität und, adäquate und moderne Methoden bei Führung und Unternehmensentwicklung vorausgesetzt, auch eine gewisse Sicherheit. Natürlich will man flexible Strukturen schaffen, und Hierarchie ist oft genau das Gegenteil, dennoch lassen sich in den Hierarchien auch gut agile Teams und Methoden integrieren.

Dafür gibt es aber einige Voraussetzungen. Die Grundprinzipien moderner Methodik und Führung sowie deren Bedeutung für den Erfolg von Veränderung müssen verstanden werden. Führungskräfte benötigen idealerweise einen systemischen Blick in das Unternehmen. Jedes Unternehmen mit seinen Gesetzen, Richtlinien, sozialen Normen und den Regeln, die durch Führungskräfte etabliert werden, ist ein komplexes System, das nur mit Methoden gemanagt werden kann, die mit Komplexität umgehen können.

Das ist ein bisschen mit Projekten vergleichbar, die auch sehr häufig komplex sind, in denen klassische lineare Methoden genutzt werden, um sie umzusetzen. Dann wundern sich alle, warum man sich schon wieder in der Change-Request-Hölle wiederfindet, warum nur 40 % des Lastenheftes am Ende umgesetzt wurden und warum das Ergebnis am Ende nicht so wertvoll für den Kunden war.

Transferiert auf das Unternehmen bedeutet das: Man hat etwas prognostiziert, was nicht eingetroffen ist, hat kein ausreichendes Wissen und keine gute Methodik, um das anzupassen, wundert sich aber dann, dass der Wert des Ergebnisses nicht wie erwartet ausgefallen ist.

Letztendlich muss dann oft die Methode oder die Coaches schuld sein, da man sich die eigenen teuren Fehler nur ungern eingesteht.

Welche Rolle spielt KI in der aktuellen Diskussion? Warum ist gerade jetzt eine moderne, flexible Arbeitsweise wichtiger als je zuvor?

Wie oben schon erwähnt, beschleunigt sich der konstante Wandel sowieso immer und hat es auch in den vergangenen 20 Jahren getan. Jedoch gibt es immer wieder Katalysatoren, die zu einer sprunghaften Beschleunigung führten, z. B. die industrielle Revolution, Mobiltelefone, das Internet oder die Verbreitung von Computern und Notebooks. KI wird diese Liste irgendwann anführen.

Hierzu habe ich vor einigen Jahren mal eine Grafik erstellt, die das Prinzip auf Basis des Wissenszuwachses natürlich nur grob prognostiziert, aber dennoch schön diese exponentielle Entwicklung darstellt. Niemand weiß, was passiert, wenn wir in die Vertikale eintreten.

Agile is dead - Konstanter Wandel der Anforderungen und des Marktes

 

 

Ohne ausreichend gute und bereits vorhandene Methodik, die das Unternehmen beherrscht und in der Lage ist, diese weiterzuentwickeln, wird die Komplexität, die sich aus dieser Geschwindigkeit ergibt, nicht mehr beherrschbar sein.

Andererseits bietet sich gerade KI an, diese in Methoden und Regulatorik zu integrieren. Ganz nach der Devise “Reduce Waste” und dem 10. Prinzip aus dem agilen Manifest “Einfachheit – die Kunst, die Menge nicht getaner Arbeit zu maximieren – ist essenziell”, können so nicht wertschöpfende Tätigkeiten viel schneller abgebaut werden.

Was sind die drei wichtigsten Dinge, die Unternehmen jetzt tun müssen, um Agilität sinnvoll einzusetzen?

1. Transparenz schaffen: Unternehmen sollten Transparenz über die zu erledigende Arbeit, die eigenen Herausforderungen und gemeinsam vereinbarte Regeln der Zusammenarbeit herstellen.

 

2. Führung weiterentwickeln: Es ist essenziell, an der Führung im Unternehmen zu arbeiten und transparent zu erarbeiten, welchen Unterschied Führung machen soll. Führung bedeutet, sich bewusst zu sein, welches System man als Führungskraft geschaffen hat, in dem sich dann alle Personen im Unternehmen bewegen. Erwartungen klar formulieren, ohne aus einer Machtposition heraus anzuordnen. Erkennen, dass Sprache Realität schafft und Zuhören wichtiger ist als der größte Redeanteil. Handeln im Bewusstsein, dass Taten mächtiger sind als Worte und authentisches Verhalten bedeutet, nach dem Gesagten selbst zu handeln. Schlechte oder nicht adäquate Führung tötet agile Methoden.

 

3. Wissen im Unternehmen aufbauen: Viele Unternehmen verfolgen keine konsequenten Weiterbildungsprogramme oder tun dies ohne nachhaltigen Nutzen. Nur wenige haben eine echte Lernkultur etabliert, in der Lernen einen hohen Stellenwert hat. Ein einfacher Test: Fragen Sie Ihre Mitarbeitenden, wie sie sich wohl dabei fühlen würden, während der Arbeitszeit ein arbeitsbezogenes Sachbuch zu lesen, während höhere Hierarchieebenen vorbeilaufen. Der Gesichtsausdruck allein zeigt oft schon die ehrliche Antwort.

Wenn du mit Vorständen sprichst, die Agilität noch immer als Trend oder Hype betrachten – was sagst du ihnen?

Ich erkläre rücksichtsvoll, dass die Antwort auf die schnelle Veränderung flexible Methodik ist, die schnelle Anpassungsfähigkeit ermöglicht – und dass dies in nahezu allen Unternehmensbereichen massive Veränderung bedeutet. So wird das, was als Hype missverstanden wird, zur strategischen Notwendigkeit.

Das bedeutet, dass der Vorstand verstehen muss, dass jeder Einzelne in der Führungsebene die Verantwortung trägt, sich mit modernen Ansätzen der Unternehmensentwicklung, Führung und Lernkultur zu beschäftigen. Denn wie soll man ein Unternehmen visionär und zukunftsorientiert führen, wenn man gegenüber aktuellen Methoden keinen Wissensvorsprung hat und nicht versucht durch neue Erkenntnis die eigenen Wissenslücken, von denen man noch nicht einmal weiß dass man sie hat, zu schließen.

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