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Mutig Angst & Panik in die Schranken weisen

by Fernando Ducoing

Noch vor einem Jahr hat Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer gemeint: „Wir erleben gerade bzgl. der digitalen Transformation den Gruß aus der Küche.“ Jetzt hat uns Corona die Suppe eingebrockt. Viele haben freudig überrascht erkannt, welche Möglichkeiten digitale Tools erschließen. Viele Hemmschwellen wurden nachhaltig überwunden. Gleichzeitig erleben wir, wie Angst und Panik sich rasch verbreiten und ganze Gesellschaften zu lähmen drohen. CIOs & CDOs sind maßgebliche Weichensteller*innen zwischen Innovationsfreude & Veränderungsängsten.

Archaische Prägung

Wenn es seit 100 Jahren Leben auf der Erde gäbe, wären wir Homo Sapiens vor 5 Tagen aufgetreten. Vor 7 Minuten hätte die industrielle Revolution begonnen. Sie können sich vorstellen, wie wenig Zeit unsere archaische, neurobiologische Grundstruktur hatte, sich an unsere gesellschaftlichen Strukturen anzupassen.

Unser Hirn ist optimal für das Überleben in der Steppe ausgerüstet. „Fight or Flight“ ist das Stress-Grundmuster. Ärger macht uns kampfbereit. Angst veranlasst die Flucht. Sollte uns diese nicht möglich sein, bleibt uns noch „Freeze“: gelähmt vor Angst stellen wir uns tot.

In der Corona-Pandemie haben sich diese Grundmuster gezeigt. Die einen sind in blindwütigen Aktionismus verfallen. Ganz im Sinne von Mark Twains Ausspruch: „Als wir das Ziel endgültig aus den Augen verloren hatten, verdoppelten wir unsere Anstrengungen.“ Die anderen haben einen biedermeierlichen Rückzug in die Vertrautheit der eigenen vier Wände vollzogen.  Wieder andere sind in lähmender Resignation & Depression gelandet.

Emotionen beruhen auf Affekten unseres Körpers. Ärger & Angst sind die mächtigsten. Wir können uns unsere Emotionen nicht aussuchen. Sehr wohl können wir sie klug steuern.

Ärger & Angst sind gute Impuls-Geber, um in die Gänge zu kommen. Als Ratgeber sollten wir sie allerdings meiden.

Siehe auch „Wut macht Mut: Ärger als Antrieb nutzen“

Perspektivenwechsel durch Abstand

Monika Herbstrith-Lappe: Mutig Angst & Panik in die Schranken weisenIm militärischen Führungsverfahren hat der Feldherrnhügel einen fixen Platz: um sich den Überblick über die Gefechtslage zu verschaffen – was die Grundlage für strategische Entscheidungen bietet – ziehen sich die Entscheidungsträger auf Erhebungen zurück. Reflexionsfähigkeit zählt zu den zentralen Leadership- & Management-Kompetenzen. Ich empfehle dafür die Ärger-Palme: Bevor Sie andere auf die Palme bringen, ziehen Sie sich auf die Palme zurück. Wenn Sie sich in dieser Weise von den Problemen dissoziieren, erkennen Sie Lösungsmöglichkeiten, die Ihnen verschlossen bleiben, wenn Sie sich ins Problem verbeißen.

Um ein Problem lösen zu können, ist der 1. Schritt, sich vom Problem zu lösen. Um sich von kritischen Situationen zu distanzieren, empfiehlt sich die S.T.O.P-Strategie von Frank Pyko, W. Timothy Gallwey und Roswitha Menke:

  1. STEP BACK: Treten Sie einen Schritt zurück oder zur Seite, um sich vom PROblem so weit zu lösen, um den Tunnelblick zu überwinden und Über- und Weitblick zu ermöglichen. Das gibt Ihnen auch den Raum, um tief durchzuatmen.
  2. THINK: Analysieren Sie, in welcher Situation Sie sich befinden, welche Muster hier ablaufen, entwickeln Sie Thesen, woran es liegen könnte und werden Sie kreativ, welche Lösungen Ihnen in den Sinn kommen
  3. ORGANIZE: Sammeln Sie sich wieder und ordnen Sie Ihre Gedanken. Wägen Sie die Möglichkeiten ab. Setzen Sie Prioritäten, gliedern Sie in Etappen mit Meilensteinen, identifizieren Sie Erfolgsfaktoren und Hürden, die es zu meistern gilt.
  4. PROCEED: Beginnen Sie mit der Umsetzung, wenn Sie sich für einen Weg entschieden haben und legen Sie wieder einen S.T.O.P. ein, wenn es zu holpern beginnt, die Ziele im Nebel verschwinden, der Weg im Sand verläuft, Sie an einer Weggabelung vor Entscheidungen stehen oder wenn Ihnen eine Pause zum Auftanken gut tut.

„Wie werde ich in einiger Zeit auf die Episode blicken?“ „Wenn das nicht mir, sondern jemand anderem passiert wäre, was würde ich ihm/ihr empfehlen?“ sind andere Gedankengänge zum Dissoziieren.

Evolutionspsychologisch ist es übrigens auch höchst sinnvoll, auf Bäume zu schauen. Je größer die Baumkrone ist, desto beruhigender wirkt der Anblick auf unsere Hirnströme. In der Steppe haben große, ausladende Bäume Schutz und Zuflucht geboten. Und da es sich natürlich noch nicht bis zu unserem Reptilienhirn durchgesprochen hat, dass es jetzt täuschend echt aussehende Fotografien gibt, wirken natürlich auch Fotos von Bäumen entstressend für unser Hirn.

Kritische Situationen entkatastrophisieren

Quelle iSTock

Fotocredit iStock

Im Stress erscheint uns alles viel dramatischer als es ist. Der Grund dafür liegt im sinkenden Serotoninspiegel in unserem Hirn. Weniger „Dämpfungshormon“ Serotonin bedeutet, dass wir alle Emotionen intensiver erleben. Um augenzwinkernd daran zu erinnern, nutze ich gerne dieses Foto (Quelle iStock)

Eine schwedische Weisheit besagt: „Auf das Beste hoffen, auf das Schlimmste gefasst sein und es nehmen, wie es kommt.“

Heiter-souveräne Gelassenheit ist ein Eckpfeiler des Erfolgs-Trios zum Meistern kritischer Situationen. Denn nur wenn es uns gelingt, aus dem Stressmuster im Hirn auszusteigen, können wir kreativ denken. Das brauchen wir, um einen Plan B zu entwickeln, wenn der Plan A nicht geht. Übrigens notfalls geht das Alphabet bis Z.

Die anderen beiden Säulen sind realistische Einschätzung der Situation sowie Zuversicht und Selbstvertrauen. Den Kopf in den Sand zu stecken oder Gefahren zu verharmlosen ist nicht mutig sondern leichtsinnig und verantwortungslos. Dazu François Mitterrand: Mut bedeutet nicht, keine Angst zu haben, sondern diese Angst zu überwinden.“

Da ich viel mit Risikomanager*innen und Security Beauftragten zusammenarbeite, habe ich ein Konzept „Wertschätzend-kritische Zuversicht“ entwickelt.

“Angst vor …” in “Freude auf …” umpolen

Unser Hirn liebt Vertrautes. Da können wir mit dem „Schnellen Denken“ ganz rasch erkennen, was für uns heilsam und was bedrohlich ist. Alarmiert reagieren wir auf kleine Abweichungen von Vertrautem. Schließlich könnte das ein getarnter Skorpion oder eine sich anschleichende Raubkatze sein. Von der Reaktionsschnelligkeit unserer Vorfahren hing deren Überleben in der Steppe ab. In fremdem Terrain fehlt uns diese rasche Orientierung. Wir wissen noch nicht, welche Kräuter nahrhaft und welche giftig sind, welche Geräusche harmlos sind und welche Unheil verkünden.

Evolutionspsycholog*innen gehen davon aus, dass sich unsere Fähigkeit der Freude bewährt hat, weil es uns hilft Veränderungsängste zu überwinden. So habe ich meine Schlangenphobie überwunden, weil ich unbedingt in den artenreichsten Riffen der Welt auf den Philippinen tauchen wollte. Weil meine Vorfreude darauf so groß war, habe ich in Kauf genommen, unter Wasser Meereskobern zu begegnen. Mit den Worten von Rainer Maria Rilke: „Wenn die Sehnsucht größer ist als die Angst, wird Mut geboren.“

Gelingen von Veränderungen

In der systemischen Gestaltung von Veränderungsprozessen hat sich folgende Formel für das Gelingen von Veränderungen herauskristallisiert:

L * V * KS > BV

Es braucht einen Leidensdruck und ein Problembewusstsein, die Einsicht zur Handlungsnotwendigkeit. Auf dem hohen Ross der Selbstzufriedenheit versanden Vorhaben! Genauso wichtig ist aber auch eine Vision, eine Vorstellung davon, was der verbesserte Zustand bewirkt und ermöglicht. Und schließlich müssen konkrete Schritte vereinbart werden. Nur wenn das Produkt dieser 3 Faktoren größer ist als das Beharrungsvermögen einer Organisation, kann sich etwas verändern! Zu beachten ist, dass die einzelnen Größen durch Multiplikation verbunden sind, das Ergebnis daher 0 ist, wenn nur ein einzelner Faktor auf 0 steht! Zusätzlicher Druck ohne Aussicht auf Erfolg fordert die Leidensfähigkeit, fördert aber nicht die Veränderungsbereitschaft! Beachten Sie Erfolg braucht Entschlossenheit und den Glauben an den Erfolg. Entscheiden Sie sich am besten JETZT und sorgen Sie dafür, dass Sie innerhalb der ersten 72 Stunden mit einer Aktivität starten. Sonst wird es immer schwerer, dass Sie sich aufraffen. Denn KS steht für Konkrete Schritte. Nur wenn das Produkt der 3 Faktoren größer ist als das menschliche & organisatorische Beharrungs-Vermögen, wird sich etwas ändern.

Kein Licht am Ende des Tunnels?

Unser Hirn kann ganz schlecht mit Ungewissheit umgehen. Schließlich beruht die Evolution darauf, sich bestmöglich auf ein sich nur allmählich änderndes Umfeld anzupassen. Für die Überlebensfähigkeit in Extremsituationen hat sich das „Fahren auf Sicht“ bewährt: immer nur das nächste Etappenziel im Auge zu haben. Agiles Vorgehen, bei dem immer ein nächstes funktionsfähiges Element als Ziel & Ansporn des Schaffens im Fokus ist, kommt unserer Neurobiologie daher sehr entgegen.

Siehe auch:

Cut des Alten

Eine Indianerweisheit besagt: „Wirf dein Herz über den Fluss und springe nach“. Wenn man mir heuer Anfang des Jahres gesagt hätte, dass ich mehrtägige Online-Trainings gestalten soll, hätte ich Stein & Bein geschworen, dass das mit meinen Themen nicht möglich ist. Wenige Tage nach dem Lockdown im März wurde ich von den Veranstalterinnen des Club Alpha gefragt, ob ich meinen Vortrag auch Online via Zoom machen kann. Zum Glück ist mir Pippi Langstrumpf eingefallen: „Ich habe das noch nie gemacht, also bin ich sicher, dass ich das schaffe.“ Ich kannte zu diesem Zeitpunkt Zoom noch überhaupt nicht. Wegen Alternativenlosigkeit habe ich zugesagt und die Chance ergriffen. Dabei war meine Haltung „Erfahrene Anfängerin“ erfolgsentscheidend

Als begeisterte Taucherin liebe ich natürlich den finnischen Spruch: „Wer ins kalte Wasser springt, taucht ins Meer der Möglichkeiten“ Das ist die Grundidee von meinem Möglichkeits-Meer: Mehr Möglichkeiten sind mehr Chancen. Ganz im Sinne des Appells von Heinz von Förster: Handle stets so, dass die Anzahl der Wahlmöglichkeiten größer wird.“

Und ich gebe auch Susann Hoffmann Recht: „Der Sprung ins kalte Wasser fühlt sich nicht wärmer an, wenn man später springt.“

Survival of the Fittest gilt mehr denn je: Diejenigen haben die besten Überlebens-Chancen, die sich am schnellsten & effektivsten an geänderte Rahmenbedingungen anpassen.

Kreativität & Innovation durch g’scheites Blödeln

Schon mehrfach durfte ich auf Confare Konferenzen humorvoll die Quellen der Kreativität füllen. Steve Jobs zitierend appelliere ich immer wieder: „Stay foolish“ Denn Humor ist der beste Nährboden für Innovation.

Ganz besonders freut mich, dass meine Botschaft „wir sollten Humor viel ernster nehmen & g’scheit blödeln“ auf dem Speaker Slam 2020 mit dem Medien Award ausgezeichnet wurde. Damit wurde meinem Vortrag höchste Relevanz & Attraktivität für Medien von Print bis Fernsehen bescheinigt. Hier das Video von meiner Performance.

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