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Glass Ceiling und Leaky Pipeline: Lisa Cichocki über wahre Chancengleichheit und die Bedeutung von Frauen-Quoten

by Agnes Hartl

2021 hat es gestartet: Das erste Confare Female IT-Mentoring hat erfolgreiche Frauen in CIO-Position mit weiblichen High Potentials zusammengebracht. Die hohe Resonanz, die diese Initiative in der Branche ausgelöst hat, zeigt: Die IT braucht AUCH Weiblichkeit. 

Weiter geht es mit prominenter Sichtbarkeit und wertvollem Austausch für weibliche IT-Karriere beim Confare #CIOSUMMIT Wien, Österreichs größtem IT-Management-Forum mit mehr als 600 IT-Profis, knapp 100 Vortragenden und mehr als 60 spannenden und innovativen AnbieterInnen aus der IT-Branche.

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Gemeinsam mit einer Runde hochkarätiger Wissenschafterinnen und Forscherinnen hat Dr. Lisa Cichocki 2020 die Initiative STEM-fatale ins Leben gerufen. STEM steht für Science, Technology, Engineering and Mathematics, im deutschsprachigen Raum unter dem Begriff MINT bekannt. In Forschung und Wissenschaft findet man die selbe Situation wie in den Führungsgremien der Wirtschafts-Unternehmen. Obwohl es genug Absolventinnen gibt, verlaufen ihre Karrieren oft weniger steil und weniger weit nach oben als die ihrer männlichen Kollegen, so dass ganz oben in den Hierarchien Frauen immer noch unterrepräsentiert sind. Die Gründe dafür sind mannigfaltig. Im Gespräch mit Confare Gründer Michael Ghezzo anlässlich des Confare Female IT-Mentoring spricht Lisa über den Glass Ceiling Index, die „Leaking Pipeline“ auf dem Weg nach Oben und was sich in Gesellschaft und Unternehmen ändern muss, damit wahre Chancengleichheit herrscht.

Weitere Gelegenheit zum Austausch und Netzwerken für Frauen in der IT gibt es beim Confare Female-IT Brunch – Infos und Anmeldung finden Sie hier.

Was bedeutet die sogenannte gläserne Decke in der Praxis? Welche Erkenntnisse bringt der Glass Ceiling Index dazu?

Lisa Cichocki: Ca. 50% der Weltbevölkerung sind Frauen. Aber in den Führungsebenen – im akademischen wie im unternehmerischen Bereich sehen wir diese Verteilung nicht. Die Gründe dafür sind sehr vielschichtig. Auch wenn sich mittlerweile eine Erhöhung des  Frauenanteils in den Führungsetagen abzeichnet, so passiert dies nur sehr, sehr langsam. Mit dem Glass Ceiling („gläserne Decke“) Index, kann man Chancengleichheit und ihrer Veränderung einen Wert zuordnen. Liegt der Glass Ceiling Index bei 1, haben Männer und Frauen die gleiche Chance auf eine Beförderung. Im Jahr 2016 lag dieser Wert für Professuren aller Universitäten in Österreich bei 0,65 und bei den technischen Universitäten sogar nur bei 0,44. Ein besonderes Augenmerk ist auch auf die sog. Leaky Pipeline zu richten. Dieser Begriff bezeichnet den Umstand, dass entlang der Karrierestufen hinweg der Frauenanteil kontinuierlich sinkt. Rein an der fehlenden Ausbildung kann dies allerdings nicht liegen, da in manchen Fächern bereits mehr Frauen als Männer ein Studium abschließen und dennoch in Führungspositionen in den jeweiligen Gebieten unterrepräsentiert bleiben.

Das Bewusstsein für die Bedeutung von gender diversity in der Führungsebene ist inzwischen breit vorhanden. Warum verändert sich die Lage trotzdem so langsam?

Lisa Cichocki: Ist es wirklich so breit vorhanden? Ist nur das Bewusstsein geschaffen, oder wird tatsächlich auch danach gehandelt? Policies und gesetzliche Rahmenbedingungen sind eine wichtige Grundlage und haben vieles erst möglich gemacht, aber sie setzen sich leider nicht von selbst in die Tat um. Es benötigt weiterhin einen gesellschaftlichen Wandel wie dem Aufbrechen von Stereotypen, dem Schaffen von strukturellen Maßnahmen wie Kinderbetreuung, aber auch Maßnahmen, die Frauen individuell auf ihrem Weg unterstützen wie Mentoring und Coaching zu sehr spezifischen Themen.

Dein Ziel sind „Equal Opportunities – Was verstehst Du darunter? Was muss sich ändern und welchen Beitrag können Quoten wirklich leisten?

Lisa Cichocki: Equal opportunities bedeutet für mich, dass Männer und Frauen unabhängig von Geschlecht und Herkunft ihre Talente entfalten können und ihnen dieselben Karrierewege basierend auf ihren Interessen offen stehen. Das bedeutet auch, dass wir Interessen bei Kindern z.B. im MINT Bereich schon früh  unabhängig von ihrem Geschlecht wecken sollten. Warum sollen sich Mädchen weniger für Mathematik oder andere Wissenschaften interessieren als Buben, außer man sagt ihnen, dass das nichts für sie ist? Es heisst aber nicht, dass alle das selbe machen MÜSSEN. Vorbilder und Lehrkräfte, das familiäre Umfeld haben einen maßgeblichen Einfluss, welche Interessen Kinder verfolgen. Daraus leitet sich später ein Ausbildungs- und Berufswunsch ab. Daher ist es wichtig, Angebote zu schaffen, wie Kinder im familiären Umfeld mit naturwissenschaftlichen Themen in Kontakt kommen und Lehrkräfte dabei zu unterstützen, diese Themen für alle spannend vermitteln zu können.

Was müssen Unternehmen verändern?

Lisa Cichocki: Viele Unternehmen haben eigene Programme und Netzwerke eingeführt und das ist ein wichtiger erster Schritt. Oft höre ich auch, dass ohnehin nur die Leistung zählt. Aber wer beurteilt die Leistung? Wir alle sind vom sog. Unconscious Bias betroffen – also dem Denken in Stereotypen und automatischen Rollenzuschreibungen, das leider vor allem für Frauen in der Arbeitswelt viele Nachteile mit sich bringt. Auch die Feedback-Kultur ist ein wichtiger Faktor: Es gibt Studien, die besagen, dass Frauen oft sehr unspezifisches Feedback erhalten und sich daher weniger gut weiterentwickeln können, während Männer spezifischeres Feedback erhalten und sie sich so in konkreten Punkten verbessern können. Wie sehen die Rahmenbedingungen zB. Anwesenheitskultur und Kinderbetreuung aus, unter denen die Leistung erbracht werden soll? Wie sind die Stellenausschreibungen formuliert? Studien zeigen, dass Jobausschreibungen mit klar männlich konnotierten Wörtern Frauen unbewusst von Bewerbungen abschrecken. Je weniger Frauen im Bewerberpool, desto geringer die Chance, mehr Frauen einzustellen und desto geringer der Pool für die Führungsetage etc.

Wo ist gesellschaftlicher Handlungsbedarf?

Lisa Cichocki: Gesellschaftlicher Handlungsbedarf besteht darin, klare Rollenzuschreibungen und Stereotype aufzubrechen, was von Männern und Frauen im privaten und beruflichen Umfeld erwartet wird. Dabei geht es nicht darum, dass auf einmal alle einen anderen Weg einschlagen, sondern dass jede und jeder Wahlmöglichkeiten nach den persönlichen Präferenzen erhält. Manche Männer möchten eine größere Rolle in der Kinderbetreuung spielen, manche Frauen möchten Karriere machen oder umgekehrt – sie alle sollten die Möglichkeit dazu haben. Dazu ist es auch nötig, dass weibliche wie männliche Role Models noch sichtbarer werden.

Das wichtige hier ist, dass wir alle dazu beitragen können. Jeder und jede von uns kann eine Rolle spielen. Ich persönlich habe daher z.B. den Verein zur Förderung der Führungskultur in den MINT Fächern gegründet (VFF-MINT.com), der verschiedene Projekte von einem Programm speziell für Wissenschafterinnen bis hin zu Projekten der Wissenschaftskommunikation entwickelt.

Das Ziel ist hier, unsere Gesellschaft in eine Richtung zu entwickeln, von der wir alle profitieren. Es geht nicht darum, jemandem etwas wegzunehmen, sondern eine lebenswertere Gesellschaft für alle zu formen.

Warum ist das Confare Female IT-Mentoring aus Deiner Sicht eine wertvolle Initiative?

Lisa Cichocki: Mentoring und Coaching sind ganz konkrete Maßnahmen, um die eigene  Persönlichkeit und Kompetenz weiter zu entwickeln. Beim Mentoring profitiert man von den persönlichen Einsichten von Personen, die in ihrer Karriere schon vorangekommen sind. Coaching als ein strukturierter Prozess, bei dem man sich unter Anleitung zB. mit den eigenen Zielen auseinandersetzt, kann hier gut ergänzen. Das Confare Female IT-Mentoring bietet den Vorteil, in einem sehr spezifischen Themenfeld Austausch zu ermöglichen. Es ist auch eine perfekte Möglichkeit, um sich ein Netzwerk aufzubauen. Denn am Karriereweg spielen nicht nur die fachliche Qualifikation als unverzichtbare Basis eine Rolle, sondern auch der Austausch mit den eigenen Peers und Personen, die letztendlich auch von potentiellen nächten Karriereschritten wissen und einen vielleicht sogar empfehlen können.

Welche Rolle spielen Male Advocates?

Lisa Cichocki: Male Advocates sind für mich ein unverzichtbarer Teil auf dem Weg in eine Welt mit gleichen Möglichkeiten für alle. Welcher Vater möchte nicht, dass seine Tochter die selben Voraussetzungen und Chancen hat, wie sein Sohn? Welcher Unternehmer oder Chef möchte nicht, dass sein Unternehmen oder seine Abteilung von der Diversität unmittelbar profitiert, wie mehrere Studien bereits zeigen konnten. Auch Männer profitieren von einer geschlechtergerechten und familienfreundlicheren Arbeitswelt. Male Advocates spielen also in allen Bereichen eine Rolle – als Lehrkräfte, Eltern, Mentoren, Sponsoren, die tatsächliche Karrieretüren auch öffnen und sich für Frauen einsetzen. Daher möchte ich mich an dieser Stelle auch ganz besonders bei dir, lieber Michael, bedanken, dass du mit Confare diesem Themen der „gleichen Möglichkeiten für alle“ so große Bedeutung beimisst und noch mehr Aufmerksamkeit dafür schaffst.

Frauen in der IT – Weibliche Top-Entscheider der IT-Branche zu Diversity, Gender und Mentoring

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