NEU im #ConfareBlog
Claudia Pohlink, Deutsche Bahn, Integration statt Kästchendenken – nur so klappt es mit erfolgreichen Daten und KI-Projekten
IT und Digitalisierung tragen maßgeblich dazu bei, die Welt zu verbessern. Innovative Führungskräfte implementieren neue Führungsprinzipien, legen die Grundlage für Nachhaltigkeit und Umweltschutz und bewältigen gesellschaftliche Herausforderungen mithilfe von Digitalisierung und Technologie. Durch ihre Arbeit bewirken sie Veränderungen in Unternehmen und ganzen Branchen, unterstützen Menschen in Notlagen und übernehmen gesellschaftliche Verantwortung.
Der Confare #ImpactAward würdigt diese Leistungen. Die Preisträger werden während des Confare #CIOSUMMITs Frankfurt ausgezeichnet. Möchten Sie persönlich die besten Erfolgsbeispiele erleben? Dann melden Sie sich jetzt an.
Claudia Pohlink ist ein Role Model für viele. Sie ist eine Vordenkerin und erfahrene Top-Managerin, wenn es um das Data Driven Business geht. Sie hat als Leiterin des Data Intelligence Centers (DICe) bei der Deutschen Bahn die Daten- und KI-Strategie des Unternehmens maßgeblich vorangetrieben. Sie etablierte zentrale Themen wie Datenstrategie, Governance, Datenmanagement und einen Datenkatalog, während sie aktuelle Trends wie Data Mesh und daten-zentrierte KI integrierte. Unter ihrer Führung wurde das DICe zu einem zentralen Hub für die Implementierung standardisierter Datenmanagementpraktiken und den innovativen Einsatz von KI. Im Interview anlässlich Ihrer Nominierung zum Confare #ImpactAward erzählt sie über die Auswirkungen des ChatGPT Hypes auf die IT von Unternehmen und was es auf dem Weg zu eine data-zentrierten Unternehmenskultur braucht.
Unterstützen Sie Claudia und weitere hochkarätige IT-Leader mit Ihrer Stimme beim täglichen Online-Voting für den Confare #ImpactAward.
Was macht das Data Intelligence Center?
Die Deutsche Bahn (DB) steht heute vor den Herausforderungen einer zunehmend digitalisierten und vernetzten Welt, in der Datenmanagement von entscheidender Bedeutung ist.
Die steigende Menge an Daten erfordert eine klare Struktur und Kontrolle, um die Qualität, Sicherheit und Effektivität der Unternehmensprozesse sicherzustellen. Eine zentrale Rolle spielt in diesem Kontext eine Governance über Daten, um dem Datenmanagement einen Handlungsrahmen zu geben.
Die Deutsche Bahn hat ihre Data Governance über die zentralen Säulen Datenorganisation, Datenqualität und Datenkompetenz orchestriert. Damit schafft sie die Grundlagen für eine zielgerichtete Nutzung ihrer Datenressourcen. Künstliche Intelligenz (KI) ist für die Deutsche Bahn bereits Realität und entfaltet ihre Auswirkungen in verschiedenen unternehmensweiten Projekten.
Der Einsatz von KI beginnt bei der Beschaffung von Materialien und reicht über die intelligente Steuerung des S-Bahn-Verkehrs bis zur Digitalisierung der Instandhaltung. Ein Beispiel ist die effizientere Disposition des S-Bahn-Verkehrs bei Störungen. Bei den S-Bahnen Stuttgart, Rhein-Main und München unterstützt das Verfahren KI-Dispo bereits im Pilotbetrieb die Leitstellen-Disponent*innen dabei, den Verkehr im Störungsfall möglichst effizient zu steuern. Das vermeidet Wartezeiten und Stau auf stark befahrenen Strecken.
2024 sollen auch die S-Bahnen in Berlin und Hamburg folgen. Daten bilden hierbei das Fundament aller digitalen Vorhaben. Je umfassender relevante Daten für Organisationen verfügbar sind, desto leistungsfähiger können diese agieren. Der Vorstandsbeschluss „Mehrwert aus Daten & KI“ von 2020 setzt dabei klare Schwerpunkte und definiert die notwendigen Maßnahmen: Es wird auf einen grundsätzlich freien Zugang zu Daten innerhalb des Konzerns hingewiesen, wobei Ausnahmen mit einer Begründung einhergehen müssen (Umkehr der Datennutzungsbegründungspflicht).
Die Datenstrategie der Deutschen Bahn setzt diese Vorgaben in strategische Eckpfeiler um und bindet damit gleichzeitig auch Ziele der Konzern und Digitalstrategie ein. Darüber hinaus wird durch den DB Data Catalog und ein einheitlich geregeltes Zugangssystem eine konzernweite Verpflichtung zur Datentransparenz eingeführt. Dieses Konzept ist durch eine durchgängige Data Governance mit Funktionen und klaren Verantwortlichkeiten gekennzeichnet – eine essenzielle Voraussetzung, um das Ziel einer umfassenden Datenteilung zu verwirklichen.
All das zu überblicken, zu orchestrieren ist die Aufgabe des Data Intelligence Centers (DICe) in der Konzernleitung, dessen Leiterin ich bin.
Was ist Deine Aufgabe im Unternehmen und was macht Deinen Impact aus?
Als Expertin sowohl im Daten- als auch im KI-Bereich, gelingt es mir beide Themen miteinander zu verknüpfen. Nur die vernünftige Symbiose beider Welten wird Unternehmen in Zukunft korrekt aufstellen. Ich möchte sogar eine dritte Dimension hinzufügen.
Die Klaviatur von Daten und KI ist enorm breit, hier braucht es eine gute Klammer. Diese schafft man am besten, wenn man eine gute Kultur mit Kommunikationsexpertise, Community, Bildung/Kompetenz und Change untermalt. Am Ende des Tages ist KI „nur“ eine weitere neue Technologie und ein Tool ist ein Tool ist ein Tool. (wie z.B. der Datenkatalog). Die Menschen auf dieser Reise mitzunehmen, ist fast die größte Herausforderung dabei.
Das besondere ist hier dabei, dass man eine gute Mischung einer Expertin und gleichzeitig eine gute Führungskraft ist, die dieser Komplexität gerecht wird. Mit dem Data Act und dem AI Act kommen in den kommenden Jahren auch noch Gesetze hinzu, die es zu überblicken gilt und deren Anforderungen mit Augenmaß und Zukunftsblick rechtzeitig umgesetzt werden wollen
ChatGPT hat einen wahren AI Hype losgetreten. Welche Fragen sollte man sich als IT-Entscheider dazu stellen?
Ich begrüße den Hype um ChatGPT, weil KI komplett in allen Etagen von Unternehmen angekommen ist. Eine Art Booster für das Thema generell. Und es ist anfassbar. Jede/r kann es ausprobieren und die Vorteile direkt fühlen und ggf. Berührungsängste abbauen.
Schaut man sich jedoch dieses Bild an:
Dann stellt man fest, dass genAI nur eine Unterkategorie von Deep Learning ist und Deep Learning wiederum eine Teilmenge von Machine Learning. Worauf möchte ich hinaus? Es gibt viele Wege nach Rom und ChatGPT ist nicht die Antwort auf alles. Hier braucht es Expertise, für den richtigen Case die richtige Methode zu wählen.
Und IT-Entscheider müssen dafür sorgen, dass die Expertise im Unternehmen vorhanden ist und permanent ausgebaut wird, damit man die richtigen Methoden kennt und anwendet.
Gibt es neue Anforderungen an Leadership, die durch den Einzug von AI im Unternehmen zu beachten sind?
Auf jeden Fall. Allein das Schaubild oben lässt einen erahnen, dass nicht nur KI exponentiell wächst, sondern auch das Ökosystem drum herum. Damit steigt auch die Komplexität bei Daten, Datenstrukturen, Architekturen, Performance, Datenflüssen, IT-Anwendungen, KI-Software etc.
Das bedeutet, dass ein Leader nicht mehr alles wissen kann oder sollte. Vertrauen in die eigene Mannschaft und deren Expertise muss genauso mitwachsen. Die Menge an Talenten wächst nicht so schnell mit und sind daher rar. Sie kennen ihren Wert und arbeiten nicht automatisch nur durch monetäre Anreize.
Das kulturelle Umfeld, Weiterbildungsmöglichkeiten und der Purpose (von dem alle reden) kommen sehr viel stärker in den Mittelpunkt. Egos haben hier nichts verloren. Ein neuer moderner Leader wird zunehmend „Carer“… Hier haben tatsächlich weibliche Führungskräfte dieses Mal einen Vorteil, denn Care-Arbeit wurde ihnen in die Wiege gelegt bzw. sozialisiert.
Welche Rolle können Data und AI in der modernen IT-Organisation selbst einnehmen?
Auf dem Weg in ein dateninspiriertes Unternehmen spielen Daten und KI in der Zukunft eine sehr treibende Rolle. Das kann aber nur funktionieren, wenn eine moderne IT-Organisation nah am Business bzw. sogar integriert denkt. Die Zeiten der Kästchendenke von IT, Marketing, HR, Finance, Produktion ist vorbei. Daten und KI können hier verbindende Elemente werden.
Wobei KI nur eine neue Technologie ist und die Daten das Fundament bilden. Daten sind hier der Enabler. Moderne CIOs haben sich damit längst beschäftigt und befinden sich in einer lang andauernden Transformation, die schmerzhaft sein kann, aber absolut fällig ist. Sonst ist der Ofen aus.
Beschleunigt die KI-Durchdringung von Unternehmen deren Weg ins Data Driven Business?
Eine sehr gute Frage. Eigentlich nur, wenn alle nötigen Voraussetzungen geschaffen wurden. Sonst kämpft man an zu vielen Baustellen und schafft Insellösungen, im schlimmsten Fall schafft man nur mehr Komplexität. Ich wiederhole, Datenmanagement als Fundament (mit Strategie, Governance, Data Literacy, Referenzarchitektur, Durchstichen usw.) ist die Voraussetzung für eine Zukunft mit KI. Ich verweise immer sehr gern auf den von mir hoch geschätzten Andrew Ng mit seinem Ansatz der „datacentric AI“. Data-centric AI Resource Hub (datacentricai.org)
Wie werden sich Aufgaben- und Rollenbilder im Unternehmen verändern?
Ein Trend, der derzeit zu beobachten ist, dass die CIO Rolle mit der CDO Rolle (egal ob Data oder Digital) verschmolzen wird. Das ist insofern auch zu begrüßen, wenn der künftige CIO auch die „D“ Disziplinen beherrscht und verinnerlicht, mindestens 70/30, besser noch 50/50. Schwierig wird es, wenn es 95/5% sind.
Ein weiterer Trend ist, dass neue Rollen entstehen, bspw. neben einem Data Officer nun auch AI Officer. Gerade auch im Zuge der neuen Themen wie Ethik, Data/AI Act, Responsible AI usw. braucht es hier neue Experten. Gleichzeitig darf man nicht in die Falle tappen, dass diese Aufgaben Menschen übernehmen, die bisher auch mit AI zu tun hatten. Das wäre so, als wenn ein Augenarzt zukünftig auch Herzchirurgie mitmachen kann, nur weil beides Ärzte sind.
Auch ML Engineering, MLOps, ML Monitoring, AI Safety ziehen weitere neue Rollen nach sich.
Wieviel gesellschaftliche Verantwortung trägt man als Führungskraft? Was bedeutet das für Dich in der täglichen Praxis?
Irgendwann habe ich gelernt, dass ich zu den „servant leadern“ zähle. Ein Leader, der sich gern in den Dienst seiner Mitarbeitenden stellt. Das ist im Vergleich zu den bisherigen Führungsmethoden ein kompletter Wandel, hier treffen Welten aufeinander. Ich erfreue mich daran, Menschen wachsen zu sehen. Es macht mir nichts aus, wenn sie auch über mich hinauswachsen.
Früher hieß es „Wissen ist Macht“ und das wurde genutzt, um es zu verstecken. Beeindruckt hat mich zuletzt der CEO von Nvidia Jen-Hsun Huang. Er sagt: „Wenn ich etwas zu sagen habe, sollen das alle hören…. Es soll keinen privilegierten Zugang zu Informationen geben…. Information ist Macht, und wenn jeder sie hat, sind wir alle mächtiger.“ Diesen Ansatz unterstreiche ich voll und ganz. Das verträgt sich ggf. nicht mit bisheriger Kultur, bisherigen Werten. Hier gibt es glaube ich noch sehr viel zu tun, auch in der kompletten Gesellschaft. Weniger Egos helfen vor allem in solchen bereichsübergreifenden Disziplinen wie Daten und KI.
Welche Bedeutung hat die Confare #ImpactChallenge für Dich persönlich?
Wertschätzung ist ebenso wichtig wie Sichtbarkeit oder einen Moment der Freude. Hier bin ich selbst noch nicht sehr gut darin, innezuhalten und auch kleine Erfolge zu feiern. Allein schon die Nominierung ist eine ebensolche Wertschätzung. Ich merke, dass ich bereits viel von meiner Tochter lerne. Sie erinnert mich oft daran, was ich/wir alles schon erreicht haben.