Christine Grabmair leitet den Bereich Customer Solutions Digital Technology bei E.ON Digital Technology. Für Energieversorger bietet Digitale Technologie ganz neue Wege zur Zusammenarbeit und zur Kommunikation mit dem Kunden. Im Vorfeld ihrer Keynote beim kommenden Confare #CIOSUMMIT Wien, dem größten und bedeutendsten IT-Management Treffpunkt Österreichs, wollten wir von ihr wissen, was denn eine customer centric IT in der Praxis ausmacht.
Freuen Sie sich auf das kommende Confare Factsheet Customer Centric in der IT: Den Kunden in den Mittelpunkt stellen“, welches Confare in den kommenden Wochen in Zusammenarbeit mit Signavio herausgeben wird. Sie wollen unsere aktuellen Factsheets nicht verpassen? Abonnieren Sie unseren Newsletter oder werden Sie Mitglied der Confare Community auf LinkedIn.
Welche Rolle spielt die IT, wenn es um das Kundenerlebnis geht? Was ist der Impact des CIO wenn es um CX und Customer Excellence geht?
Die IT wird zunehmend zum kritischen Produktionsfaktor in allen Unternehmensbereichen. CX und die Schnittstelle zum Kunden sind häufig digital und werden durch IT erst ermöglicht wie z.B. Self Service Prozesse, der Wechsel des Stromanbieters oder personalisierte Angebote auf E-Commerce Plattformen.
Damit hat der CIO und die IT-Organisation massiven Einfluss auf das Kundenerlebnis und -bindung.
Kunden erwarten Kontinuität und Konsistenz in der Interaktion mit Unternehmen. Das setzt voraus, den einzelnen Kunden mit seinen Wünschen und seiner Kundenhistorie wahrzunehmen.
Die Schlüsselrolle der IT hierbei ist, eine 360 Grad Sicht auf und für den Kunden abzubilden. Diese Kundensicht bildet die Grundlage für intuitive Self-Service Angebote und personalisierte Interaktionen. Die 360 Grad Kundensicht ermöglicht ebenfalls den Ausbau von technologie-getriebenen Kundenerlebnissen mit Hilfe von Artificial Intelligence und Machine Learning in der Spracherkennung, Skill- und Prioritäts-basierendes Omni-Channel Routing und Integration, z.B. zur Reduktion von Antwortzeiten für Kundenanliegen.
Nicht zuletzt hat Corona gezeigt, dass neben der Digitalisierung von Kundenkontakten auch die Organisation von Call Centern dezentraler und virtueller wird. Vor diesem Hintergrund steigt ebenfalls der Bedarf an Informationskonsolidierung für den Service Agenten (Unified Agent Desktop). Der „Universal Agent“ kann themenübergreifend Kundenanliegen bearbeiten und benötigt hierfür eine einheitliche Sicht auf die Kundeninformationen unabhängig von ihrem Speicherort.
Der Agent kann auch die Sicht des Kunden im Customer Self Care Portal einnehmen, um bei Problemen zu unterstützen und Hindernisse in der Nutzung des Service nachzuvollziehen.
Damit ist neben der 360 Grad Sicht auf den Kunden der 360 Grad Universal Desktop für den Agenten ein weiteres Feld für die IT für ein positives, intuitives und kanalübergreifendes Kundenerlebnis.
Das Konzept von „Universal Agents“ verbunden mit Incentives für Kundenzufriedenheit und hoch effizienten und friktionsfreien Prozessen tragen darüber hinaus langfristig zu einer nachhaltigen Mitarbeiterzufriedenheit bei und sind ein strategisches Instrument zur Mitarbeiterbindung.
Was macht einen kundenzentrierten CIO aus?
Neben dem Messen und Ausrichten der Unternehmensstrategie am Net Promotor Score (NPS) für externe Kundenzufriedenheit wird die NPS Messung der Mitarbeiterzufriedenheit und die Ausrichtung der IT an internen Bedürfnissen zu einem zentralen Faktor im Wettbewerb um die besten Mitarbeiter im hart umkämpften Arbeitsmarkt.
Ein tiefgreifendes Kundenverständnis ist die Voraussetzung für kundenzentrierte Prozesse und Services. Dabei bilden die Daten, die Kunden in ihren Interaktionen und durch Rückmeldungen zu Produkt und Servicequalität mit den Unternehmen teilen die Grundlage, neben weiteren Kanälen wie z.B. Social Media.
Neben dem Erkennen der Kundenbedürfnisse aus der wirksamen Analyse verfügbarer Daten richtet der CIO die IT-Organisation darauf aus, diesen kontinuierlichen Wandel zu begleiten, und die Geschwindigkeit und Nachhaltigkeit dessen Umsetzung sicherzustellen.
Die Rolle der IT wandelt sich in der Service-Industrie von einer Unterstützungsfunktion zu einem primären Produktionsfaktor mit signifikantem Einfluss auf die internen Prozessabläufe und Mitarbeiterzufriedenheit.
Damit steigen auch die Anforderungen an Geschwindigkeit und Qualität der Umsetzung innovativer Konzepte für die internen „IT-Kunden“ an flexible und virtuelle Arbeitsplatzgestaltung. Die Unterstützung von Homeoffice und mitarbeiterzentrische Prozessabläufe werden somit zu einem Wettbewerbsfaktor für die Mitarbeiterbindung und das Unternehmenswachstum.
Wie kann der CIO zu einer kundenzentrierten Unternehmenskultur beitragen? Was macht eine solche aus?
Der CIO mit seiner IT-Organisation ist integraler Teil einer digitalisierten Wertschöpfungskette, an der sich die Unternehmensstrategie ausrichtet. Damit prägt der CIO wesentliche Aspekte einer kundenzentrierten Unternehmenskultur nach Außen und innerhalb des Unternehmens.
IT-Fähigkeiten und Technologie-Innovation wie AI, Machine Learning, Big Data, Analytics, Cloud Services sind wesentliche technologische Faktoren für Service- und Produktinnovation. Die Nutzung dieser Technologien stellt per se keinen Wettbewerbsvorteil mehr dar, da der Zugang zu Cloud Plattformen und Services allen Marktteilnehmern gleichermaßen möglich ist.
Ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil besteht in der Fähigkeit eine Geschäftsstrategie zu definieren, der Geschwindigkeit in der Entscheidungsfindung, der Umsetzung und der Flexibilität bei notwendigen Anpassungen. Agile Ansätze für die Umsetzung von Strategien, die ursprünglich ihren Anfang in der IT genommen haben, werden zunehmend zu einem Organisationsmodell für das Gesamtunternehmen.
Dieser Kulturwandel setzt ein Umdenken voraus: die IT ist weit mehr als eine Service Funktion und ein Kostenfaktor, vielmehr sichern strategische Investitionen in die IT den Gesamterfolg des Unternehmens. Damit wird der CIO zum technologischen Innovationstreiber innerhalb der Kerngeschäftsprozesse und zum Change Manager eines agilen, IT zentrischen Umsetzungsprozesses.
In großen Konzernen stellt darüber hinaus die historisch gewachsene Heterogenität der IT- Landschaft eine große Herausforderung dar. Der Betrieb und die Weiterentwicklung binden teilweise erhebliche Ressourcen, die Flexibilität zu Veränderungen ist eingeschränkt. Für eine zukunftsweisende Neuausrichtung der IT ist deshalb eine Rückführung auf Standard-Technologien und Plattformen unerlässlich, um einerseits von Software- und Serviceinnovationen zu profitieren, und andererseits die Möglichkeit zu eröffnen, geschäftsfeldübergreifende, wiederverwendbare Business-Plattformen zu etablieren.
Diese Entwicklung prägt der CIO durch die Definition verbindlicher, unternehmensweiter Standards, die helfen, Vorlaufzeiten für Produkt und Prozessinnovationen reduzieren und durch Skaleneffekte Kosten zu optimieren.
Gibt es culture hacks, die relativ rasch Impact haben?
Die Definition einer klaren Business Strategie für ein Geschäftsfeld mit einem Horizont von zwei bis drei Jahren, die Ableitung einer konkreten, nachhaltigen Umsetzungs-Roadmap und die Etablierung eines Governance-Prozesses zur stringenten Anpassung und Nachverfolgung vom Zielbild und den eingeleiteten Maßnahmen sind der Schlüssel für eine wertgetriebene Unternehmenskultur.
Dieser Kulturwandel setzt das Vorleben und Unterstützung auf Leitungsebene voraus.
Dieser Ansatz steht nicht im Widerspruch zu einer agilen Umsetzungsorganisation, da diese auf operativer Ebene die definierten strategischen Ziele umsetzt und eine Faktenbasis für den Erfolg der Maßnahmen generiert, der für die Nachsteuerung der Strategie benötigt wird. Erfolg stellt sich auch in einem agilen Umfeld nicht über Nacht ein, gibt aber nach jeder Iteration Einsichten zu Verbesserungen.
Große Visionen brauchen zur Umsetzung Zeit, Durchhaltevermögen und ein klares Zielbild: auch bahnbrechende Unternehmungen wie SpaceX benötigten 10 Jahre von der Gründung im Jahr 2002 bis zur Durchführung von Versorgungsflüge zur ISS im Jahre 2012 und mussten auf dieser Reise mit Rückschlägen umgehen (Quelle: Wikipedia).
Welche Anforderungen ergeben sich aus dem Kundenfokus für IT-Strategie und IT-Organisation?
Aufgrund der steigenden Bedeutung der IT als Produktionsfaktor ist der Übergang von Business- zu IT-Strategie fließend, Technologie-Entscheidungen leiten sich direkt aus der Geschäftsstrategie ab und fließen in eine Technologie- und Umsetzungs-Roadmap ein.
Somit muss das Verständnis für Geschäftsmodelle und Kundenbedürfnisse innerhalt der IT-Organisation im gleichen Maße gestärkt werden wie die Technologie Expertise auf der Business Seite. Die Verfügbarkeit von Cloud-Diensten und -Plattformen versetzen Business-Einheiten in die Lage, Projekte zu initiieren, die in der Vergangenheit nur unter Einbeziehung der IT-Organisation möglich waren. Das setzt zum einen weiteres Potential für schnelle Innovation frei, andererseits gilt es den Betrieb und die Sicherheit dieser Lösungen zu gewährleisten. Der CIO wird in diesem Spannungsfeld zum Broker von IT Self-Services, die durch die Business Bereiche konsumiert werden können, jedoch unter einer gesamtheitlichen IT-Governance stehen.
Was bedeutet Customer Excellence in Bezug auf die Unternehmens-Prozesse?
Die Prozesse sind transparent hinsichtlich der Ausgestaltung und Ausführung („ich weiß immer wo ich stehe“), die Prozesse sind intuitiv („ich weiß, was ich tun muss“), die Prozesse sind über Kanäle und Organisationseinheiten hinweg konsistent („egal wo und wie ich in den Prozess einsteige, das Ergebnis ist konsistent“). Die Prozessausgestaltung schließt eine intensive Bedarfsanalyse an die verfügbaren und die benötigten Daten ein, die die Grundlagen für neue Geschäftsmodelle und Produkte bilden.
Was sind die wichtigsten Fragen, die sich der CIO stellen muss, wenn es um Customer Experience geht?
Orientieren: Was ist die Erwartung der externen und internen Kunden?
Beobachten: Werden die Erwartungen erfüllt?
Entscheiden: Wie können die Erwartungen übertroffen werden?
Die Antworten auf diese Fragen führen zur Umsetzung neuer Produkte oder Services in eng getakteten Innovations- und Rollout-Zyklen.