Der Datenkapitalismus braucht dringend ein passendes Kartellrecht, fordert brand eins Technologiekorrespondent Thomas Ramge. Im Buch „Das Digital: Das neue Kapital – Markt, Wertschöpfung und Gerechtigkeit im Datenkapitalismus“, das er in Zusammenarbeit mit dem Österreicher Prof. Viktor Mayer-Schönberger verfasst hat, fordert er, dass die Datenmonoplisten die Nutzung der Daten mit jenen teilen, denen sie eigentlich gehören – uns!
Auf den Confare Konferenzen 2018 können Sie Thomas Ramge persönlich erleben. Vorab haben wir ihn im Blog gefragt, ob die Digitalisierung sich auf die österreichische Nationalratswahl ausgewirkt hat, und welche Perspektive es für Demokratie im Zeitalter von Google, Facebook und Co gibt.
Viele Menschen haben Angst vor dem Digitalen Wandel – sie fürchten um ihre Jobs und das uns die bezahlte Arbeit ausgeht – Ist diese Angst berechtigt?
Angst ist nie ein guter Ratgeber, um mit Veränderung umzugehen. Aber natürlich ist die Sorge berechtigt, dass die Automatisierung von Wissensarbeit durch Künstliche Intelligenz in den kommenden Jahren sehr viele Arbeitsplätze kosten wird, besonders bei Banken, Versicherungen und Finanzdienstleistern. Bisher haben alle großen, technologie-getriebenen Veränderungen des Arbeitsmarktes in zweiter Welle mehr neue Arbeit geschaffen, als in erster Welle vernichtet. Es ist die Aufgabe unserer Generation mit Kreativität, Bildung und Menschlichkeit dafür zu sorgen, dass es diesmal genauso kommt.
Ist in dem Zusammenhang ein Grundeinkommen eine Lösung?
Es kann zumindest Teil der Lösung sein. In “Das Digital” plädieren Viktor Mayer-Schönberger und ich für ein partielles Grundeinkommen von sagen wir 400 oder 500 Euro. Das wäre finanzierbar und könnte vielen Menschen den Schritt erleichtern, in eine Arbeit zu wechseln, die besser zu ihnen passt, die ihnen unter Umständen deutlich mehr Spaß macht, aber etwas schlechter bezahlt ist. Wir glauben allerdings nicht, wie viele im Silicon Valley, dass das BGE eine silver bullet ist, die alle Probleme löst, die digitale Automatisierung schafft.
Welche Bereiche der Gesellschaft sind Ihrer Ansicht nach am meisten von der Digitalen Transformation betroffen?
Es wäre wohl einfacher die Bereiche aufzuzählen, die nicht stark betroffen sind. Einen sehr großen Veränderungsbedarf gibt es in der öffentlichen Verwaltung. Und das wird in vielen Ländern der Sektor sein, der sich am stärksten und oft erfolgreich gegen Digitale Veränderung wehren wird.
Die Nationalratswahlen in Österreich scheinen einen Rechtsruck in der Gesellschaft zu zeigen – gibt es einen Zusammenhang zur Digitalisierung?
Das glaube ich eher nicht. Auch wenn rechte Wähler in Deutschland, Frankreich oder Österreich grundsätzlich ihren Blick in die Vergangenheit richten und eher veränderungsavers sind, spielt Digitalisierung in Programmen und Debatten von Rechtspopulisten kaum eine Rolle. Zum Teil nutzen sie im Übrigen ja die Werkzeuge der Digitalisierung recht geschickt für ihre Zwecke.
Wie sind die Perspektiven für die Demokratie in Zeiten von Big Data, Smartphones und der Herrschaft von Amazon, Google & Co?
Das liegt an uns. Digitale Technologie kann Teilhabe und Demokratie fördern und Bürger ermächtigen. Umgekehrt gilt: Totalitäre Regime haben heute jene technischen Mittel zur Hand, um Bürger in einem Ausmaß zu überwachen und zu manipulieren, wie es sich die Autoren von dystopischen Romanen kaum schlimmer ausdenken könnten. Meine Grundhaltung auch hier aber ist: Die Welt wird besser, nicht schlechter. Auf allzu kulturpessimistische Einwürfe bei Veranstaltungen stelle ich gerne die Gegenfrage: Hat uns das Internet mehr Wissen, mehr Ausdrucks- und Beteiligungsmöglichkeiten und bessere Entscheidungsgrundlagen gebracht? Oder weniger?
Die Digitalisierung scheint eine Monopolisierung in bestimmten Bereichen mit sich zu bringen – wie wird die Gesellschaft mit diesen Machtzentren umgehen?
Die Oligopolstrukturen der digitalen Wirtschaft sind ein riesiges Problem. Es scheint fast so, als behalte Marx am Ende doch recht, und der Kapitalismus schafft sich selbst ab, weil Datenmonopole den Wettbewerb aushebeln. Der Datenkapitalismus braucht dringend neue, kartellrechtliche Werkzeuge. Ein Kartellrecht 4.0, um es im Politikerjargon zu sagen. Im Zentrum einer neuen Regulierung der Datenkraken muss eine progressive Daten-Sharing Pflicht stehen. Die Kernidee ist: Wenn ein datenreiches Unternehmen wie Google einen bestimmten Marktanteil überschreitet, muss es einen ansteigenden Teil seiner Daten mit Wettbewerbern teilen – bei personenbezogenen Daten natürlich anonymisiert. Etwas Vergleichbares gibt es übrigens schon in der deutschen Versicherungswirtschaft. Dort müssen die großen Versicherer den kleinen Hinweise geben, wie sie ihre Versicherungstarife sinnvoll schneiden können. Die kleinen Versicherungen haben schlicht nicht ausreichend Daten, um dies schlüssig zu tun. Nur durch Umverteilung von Daten sichern wir im Datenkapitalismus fairen Wettbewerb. Die aktuelle Regulierung beweist seit zehn Jahren, dass sie das nicht hinbekommt. Wir brauchen also auch endlich Innovation im Wettbewerbsrecht.
Google, Apple, Facebook, Amazon und Co. werden sich mit aller Lobbymacht gegen diese staatliche Umverteilung von Daten wehren, oder nicht?
Klar. Sie werden argumentieren, dass ihnen auf unfaire Weise ihre hart erarbeite Analytik-Kompetenz untergraben werden soll. Das ist Unsinn. Ihre analytischen Methoden und Algorithmen sollen sie weiter durch Patente oder Geheimhaltung schützen dürfen. Doch der Datenschatz gehört nicht ihnen. Er gehört uns, den Nutzern. In einer digitalen sozialen Marktwirtschaft müssen alle von diesem Datenschatz profitieren. Die Superstarfirmen haben in den letzten zwanzig Jahren asymmetrisch profitiert. Sie sind Treiber des digitalen Fortschritts und das sollen sie auch weiter bleibend dürfen. Aber wir müssen uns davor schützen, dass sie mit ihrer Datenmacht den Wettbewerb systematischen untergraben können.