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Der Fachkräftemangel ist hausgemacht: In der Kultur & Organisation werden Wünsche und Anforderungen von Frauen oft ignoriert

by Yara El-Sabagh

#Confare #Blog – Der Fachkräftemangel ist hausgemacht: Frauen und IT-Recruiting

CreACTe ist das Motto der Confare #CIOSUMMITs 2023 – es ist Zeit den Stand der Transformation nicht mehr an Visionen und Zielen zu messen, sondern an Maßnahmen und Erfolgen. Das gilt bei der Digitalisierung genauso, wie beim Status von Frauen in IT-Abteilungen.

Katharina Zach ist Teamleiterin Serviceportfolio- & Qualitätsmanagement im ÖBB-Business Competence Center GmbH und aktives Mitglieder Confare Female IT-Leadership Community. Im Confare Blog Interview spricht sie über Kulturwandel, Chancen für Frauen in der IT und das nötige Umdenken im IT-Recruiting.

Im Jahr 2021 feierten wir die Premiere des Confare Female IT-Mentorings im Rahmen des Confare #CIOSUMMIT Wien. Ziel war und ist den Erfahrungsaustausch zwischen erfolgreichen CIOs und Frauen, die Karriereziele in der Unternehmens-IT anstreben, zu fördern. Der Erfolg hat uns Recht gegeben. 

Mentorinnen und Mentees können sich jetzt anmelden.

Warum ist es eine gute Idee, als Frau eine Karriere in der IT anzustreben?

Gegenfrage: Warum war es eine gute Idee, Frauen wählen oder arbeiten zu lassen? Die Welt wäre heute eine reine Männerwelt – von Männern & für Männer.

Zum Glück gab es großartige Frauen, die dafür gekämpft haben, eine bessere Zukunft für heute zu erschaffen. Frauen leisten hervorragende Arbeit und müssen sichtbarer werden! Wir müssen diesen Weg unbedingt fortführen und eine Vorbildfunktion insbesondere in der (noch) männerdominierten IT-Branche einnehmen. Denn nur dann können wir sichtbar werden und die Gesellschaft, Werte und Welt mitgestalten und formen und andere Frauen auf ihrem Berufsweg besser unterstützen. Gerade die IT ist DIE Gegenwarts- und Zukunftsbranche und hat auf alle Lebensbereiche großen Einfluss. Frauen müssen daher zwingend stark eingebunden sein, damit es nicht wieder zu klassischen Entwicklungen kommt, die nur Männer im Blick haben (siehe Medikamente, Sicherheitsgurte im Auto,…).

Was würden Sie Recruitern und HR-Abteilungen empfehlen um Frauen für IT-Berufe besser zu erreichen?

Der aktuelle Bedarf an Mitarbeiter:innen in der IT ist riesig! Frauen haben aber andere Ansprüche und Wünsche. Und genau darauf muss eingegangen werden. Denn bislang wird auf Frauen, die immerhin 50,8% der Bevölkerung in Österreich stellen, nur rudimentär eingegangen. So sind Home Office, flexible Arbeitszeiten und Freiräume für den Job essentiell. Es ist auch durch Studien belegt, dass sich Frauen tendenziell weniger auf einen Job bewerben, bei dem sie nicht 100% aller geforderten Kriterien erfüllen. HR-Abteilungen müssen hier proaktiv Frauen ansprechen, sowohl im Unternehmen, als auch außerhalb.

Frauen bilden immer noch tragende Rollen in der Familie. Teilzeit Führungskräftepositionen, ausreichend Kinderbetreuung und Unterstützung durch die Firma sind hier einige wichtige Eckpfeiler. HR-Abteilungen müssen solche Themen mitgestalten. Frauen gehen auch öfters in Karenz, weil der Mann mehr verdient und die Familie auf dieses Gehalt angewiesen ist. Die Schließung des Gender Pay Gaps würde hier maßgeblich helfen. Dann würde man auch im Umkehrschluss mehr Männern ermöglichen Karenzzeit zu nehmen und Frauen wären so früher und umfangreicher wieder in das Arbeitsleben integriert.

Was sind konkrete Gründe, dass Frauen im Bereich IT-Leadership so unterrepräsentiert sind? Gibt es Hemmnisse, mit denen Sie selbst konfrontiert waren?

Ich war oft mit Vorurteilen und Bias konfrontiert, sowohl von Mitarbeiter:innen als auch Manager:innen (zu jung, zu unerfahren, kann das nicht, zu hübsch, zu blond,…). Das waren tlw. heftige und abschreckende Erlebnisse.

Ich hatte als IT Quereinsteigerin zu Beginn das große Glück eine Führungskraft zu haben, die mich sowohl gefördert als auch gefordert hat. Und in meiner jetzigen Führungskraft habe ich auch jemanden gefunden, der mir selbst die Möglichkeit zur Teamleitung gibt, hinter mir steht, Freiräume schafft und mir viel Vertrauen entgegenbringt. Es braucht einfach auch Förderer und Personen, die an einen glauben und Chancen ermöglichen.

Das Thema Fairness und Kultur sind für mich ebenfalls zwei wesentliche Punkte. Stellt ein Unternehmen einen Mann besser bei gleichzeitiger Diskriminierung der Frau und lässt die Firmenkultur das zu, spricht sich das rasch herum und wirkt wiederum abschreckend für andere Frauen. Das Management steht für mich hier auch in der Pflicht, Inklusivität und Kultur vorzuleben und entsprechend durchzusetzen.

Welche Massnahmen für Geschlechtergerechtigkeit in den Unternehmen haben sich bewährt?

Vor allem das Umsetzen von Maßnahmen ist ein Punkt, der oft fehlt. Leider wird viel zu oft geredet, aber sehr wenig neben den öffentlich wirksamen PR-Maßnahmen tatsächlich getan. Natürlich sind Initiativen wie ein Töchtertag wertvoll.

Wenn dann aber bspw. eine Frau aufgrund ihrer Schwangerschaft/Rückkehr aus der Karenz offen ausgegrenzt, von Beförderungen/Gehaltserhöhungen ausgeschlossen wird oder sich gar anfeindenden Kommentaren ausgesetzt sieht, gibt es einen Fehler tief in der Kultur. Hier gehören dringend einige Stellhebel gesetzt – von expliziten „Nachschulungen – wie verhalte ich mich gegenüber Kolleginnen“ bis auch hin zu Kündigungen. Solche Dinge dürfen einfach nicht mehr geduldet werden und erfordern sofortiges Handeln mit allen Konsequenzen – besonders seitens des Managements.

Im Recruiting Prozess können verschiedene Maßnahmen gleich zu Beginn gesetzt werden: explizit auch Bewerberinnen zum Vorstellungsgespräch einladen; Stellenausschreibungen so formulieren, dass sich auch Frauen angesprochen fühlen; auf Frauen aktiv zu gehen und auf offene Stellen aufmerksam machen (besonders für Führungspositionen sollte zuerst im eigenen Unternehmen proaktiv gesucht werden) …

Ich finde es besonders verwerflich, wenn das Thema Kultur immer auf die Arbeitnehmer:innen geschoben wird. Denn bekanntlich wirken Führungskräfte und das Management oft wie Vorbilder. Wenn Diskriminierung von oben geduldet wird, wieso sollten sich die Mitarbeiter:innen dann ändern?

Welchen Nutzen bieten Networking und Mentoring konkret?

Ich halte beides für essentiell. Denn beides fördert den gegenseitigen Austausch und bietet Raum zum Wachsen.  Dabei sollten sowohl männliche als auch weibliche Mentor:innen einbezogen werden. Denn so lernen auch Mentor:innen, was Frauen wichtig ist, sie beschäftigt und wie sie arbeiten wollen. Besonders beim Mentoring ist es auch wichtig, die Unterstützung und Vorschläge anzunehmen. Mentoring & Netzwerke bieten die Möglichkeit, offen Fragen zu stellen. Denn in diesem Austausch lernt man und kann auch sensible Themen wie bspw. das Gehalt diskutieren.

Was würden Sie Frauen mit auf den Weg geben, die eine IT-Leadership Karriere vorhaben?

  1. Sagt ja zu Chancen und Möglichkeiten! Denn daraus ergeben sich oft weitere Möglichkeiten in der Zukunft.
  2. Seid selbstbewusst und mutig! Die Zeit von Zierde und Bescheidenheit müssen wir Frauen hinter uns lassen. Denn ihr sendet ein Signal aus: für die vielen anderen Frauen, aber auch gegenüber Euren Peers & Vorgesetzten in der IT Branche.
  3. Lasst Euch nicht unterkriegen! Nicht alles funktioniert beim ersten Anlauf, aber genau dann darf man nicht aufgeben. Vertraut auf Euch und Eure Fähigkeiten.
  4. Geht Eure Karriereplanung strategisch an! Überlegt, wo ihr Euch in den nächsten Jahren seht und wie ihr dorthin gelangt. Bezieht dabei alle Faktoren wie Entwicklungsmöglichkeiten, Kultur und Euer Umfeld mit ein und scheut nicht davor, den Job/das Unternehmen zu wechseln.

Was kann jeder Einzelne beitragen um Vorurteilen und antiquierten Rollenbildern entgegenzuwirken?

Aufzeigen und für seine Rechte einstehen! Eine der wichtigsten Lektionen meines bisherigen Werdegangs. Ich musste bereits so oft für meine Rechte und die Gleichstellung zu meinen männlichen Kollegen einstehen. Oft frage ich mich dann, war es das wert? Und die Antwort ist jedes Mal JA! Denn nur so können wir es für die zukünftigen Generationen an Frauen leichter machen. Wenn ich aufgrund dessen diskriminiert werde, dass ich eine Frau bin, dann stelle ich sicher dass davon die richtigen Stellen hören – und fordere auch entsprechende Entscheidungen und Konsequenzen ein. Das ist oft schwierig und ein steiniger Weg, aber klein beigeben bedeutet nur, dass sich zukünftig nichts verändert.

Besonders im beruflichen Umfeld heisst das auch, Themen direkt ansprechen und sofortiges Feedback geben. Denn vielen Männern fallen bestimmte Dinge nicht auf und sie nehmen diese gar nicht wahr.

Auch im Alltag gibt es genug Gelegenheiten, gegen Vorurteile und antiquierten Rollenbilder vorzugehen – das beginnt bereits im Kleinkindalter, über die Schule bis hin zum Berufsleben. MINT Berufe sind spannend und man kann diese bereits in einem sehr frühen Alter entsprechend fördern. Wir müssen endlich aufhören unseren Kindern einzutrichtern, dass „sei nur was für Jungs oder Mädchen“, „Mädchen seien nicht technisch begabt“, …. Denn da beginnt bereits der Mindset Shift: Jeder von uns muss und kann Veränderung vorantreiben. Wir können nicht immer darauf warten, dass es jemand für uns macht.

Mein Motto lautet daher: Be the change you want to see.

Gender-Hinweis:

Zur besseren Lesbarkeit dieses Blogartikels verwenden wir das generische Maskulinum. Die in diesem Blogartikel verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich – sofern nicht anders kenntlich gemacht – auf alle Geschlechter.

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