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Wolfram Schulze (Vetropack) – Die ersten 90 Tage als CIO – Die Bedeutung von Kommunikation, Priorisierung und strukturiertem Vorgehen

Wolfram Schulze – Group IT&OT Director / CIO bei Vetropack – im exklusiven Confare Interview über die ersten 90 Tage als IT-Entscheider – was waren seine Erlebnisse und welche Learnings hat er aus dieser Zeit mitgenommen, die für Sie hilfreich sein können? Dies und mehr in diesem Artikel.
Was sind die größte Herausforderung denen man sich als CIO in den ersten Wochen und Monaten gegenübersieht?
Die größte Herausforderung in den ersten Wochen und Monaten als CIO besteht darin, den Überblick inmitten des Wirbels neuer Verantwortlichkeiten zu behalten. Es ist ganz natürlich, schnell eintauchen zu wollen – sich in die Unternehmenskultur zu vertiefen, die IT-Landschaft zu verstehen und Beziehungen zu neuen Kolleg:innen aufzubauen. Doch hier liegt der Schlüssel: Es geht darum, die Balance zwischen dem Aufnehmen von Informationen und deren sinnvoller Strukturierung zu finden.
In diesen ersten Tagen werden Sie wahrscheinlich Notizbücher mit unzähligen Notizen, Ideen und Beobachtungen füllen. Und obwohl das wichtig ist, entsteht der wahre Wert erst, wenn Sie einen Schritt zurücktreten und diese Erkenntnisse nutzen, um erste Hypothesen zu den aktuellen Herausforderungen des Unternehmens und seinem gewünschten Zukunftsbild zu formulieren. Es geht nicht nur darum, Daten zu sammeln – sondern darum, sie in eine klare Vision zu übersetzen, die mit den mittel- und langfristigen Zielen des Unternehmens übereinstimmt.
Denken Sie daran: Ihre Rolle dreht sich nicht nur um Technologie; sie dreht sich um Menschen, Prozesse und den tieferen Sinn. Gehen Sie sie mit Neugier, Geduld und dem aufrichtigen Wunsch an, zu verstehen. So gewinnen Sie nicht nur Vertrauen, sondern legen auch den Grundstein für eine nachhaltige und bedeutungsvolle Wirkung.
Wie hast du dir in den ersten Wochen einen Überblick über das Unternehmen und seine IT-Landschaft verschafft?
In meinen ersten Wochen habe ich intensiv Gespräche mit verschiedenen Abteilungen und Schlüsselpersonen geführt, um ihre Bedürfnisse, Erwartungen und Herausforderungen wirklich zu verstehen. Es ging mir darum, die unverfälschte, interne „Kundensicht“ einzufangen. Dabei bin ich bewusst mit einer offenen Haltung rangegangen – ich habe aktiv zugehört, ohne direkt in eine defensive oder korrigierende Rolle zu verfallen. Besonders interessiert hat mich die Historie hinter getroffenen und nicht getroffenen Entscheidungen, um ein Gefühl für die Dynamik und die „DNA“ der Organisation zu entwickeln.
Natürlich habe ich auch eng mit dem IT Leadership Team zusammengearbeitet und ihnen intensiv zugehört. Mit wenigen Ausnahmen habe ich alle Standorte des Unternehmens besucht, um die Menschen hinter den Namen kennenzulernen und mir ein Bild von den unterschiedlichen lokalen Gegebenheiten zu machen. Das war mir besonders wichtig, um die Vielfalt und die spezifischen Bedürfnisse der Teams zu verstehen.
Darüber hinaus habe ich mich selbst in die Rolle eines „einfachen Anwenders“ versetzt und bewusst versucht, „by the book“ zu agieren. Das heißt: keine Sonderbehandlungen oder Abkürzungen über den kurzen Dienstweg. Stattdessen habe ich die IT-Services über das ITSM-Portal in Anspruch genommen und im Dokumentationsportal nach Benutzerhandbüchern und Anleitungen für grundlegende Geschäftsprozesse gesucht – sei es Procurement, Invoicing, Budgeting oder Demand Management. Diese Herangehensweise hat mir einen sehr realistischen Eindruck vom Reifegrad unserer IT-Services aus Kundensicht vermittelt. Gleichzeitig hat sie meine Hypothesen bestätigt und verfeinert, was mir half, ein klareres Bild der aktuellen Situation und der notwendigen nächsten Schritte zu zeichnen.
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Welche Prioritäten hast du dir für die Anfangsphase gesetzt und warum?
In der Anfangsphase habe ich meine Prioritäten bewusst so gesetzt, dass sie über die reine Technologie hinausgehen. Stattdessen liegt der Schlüssel zum Erfolg in der klaren Ausrichtung der Organisation, der Stärkung der Zusammenarbeit und der Schaffung einer gemeinsamen Vision.
Erstens habe ich mich darauf konzentriert, ein klares Leitbild zu entwickeln – inklusive Vision, Mission und Strategie – sowie eine passende Organisationsstruktur zu schaffen, in der jeder Mitarbeitende seinen eigenen Wertbeitrag zu den Zielen der Organisation erkennen und nachvollziehen kann. Es ist mir wichtig, dass sich alle mit einem gemeinsamen Ziel identifizieren und verstehen, wie ihre Arbeit dazu beiträgt.
Zweitens stand die Transformation der IT-Organisation hin zum neuen IT&OT-Operating-Model im Fokus. Hierbei lag der Schwerpunkt auf der Schärfung, Automatisierung und Dokumentation der Kernprozesse. Nur durch klare, effiziente und transparente Prozesse können wir langfristig agil und zuverlässig agieren – und gleichzeitig die Grundlage für Innovation schaffen.
Drittens habe ich die Definition eines Zusammenarbeitsmodells mit den Geschäftsbereichen und Landesgesellschaften priorisiert. Dabei soll die IT&OT-Organisation nicht nur als Dienstleister, sondern als proaktiver und gestaltender Business-Partner agieren, der eine zentrale Rolle bei der gemeinsamen Gestaltung der digitalen Transformation einnimmt. Es geht darum, Brücken zu bauen, Vertrauen aufzubauen und gemeinsam Wert zu schaffen.
Welche Rolle spielen die Unternehmensstrategie und Vision bei deinen ersten Entscheidungen als CIO?
Die Unternehmensstrategie und Vision sind für mich als CIO der zentrale Anker, an dem sich alle Aktivitäten und Entscheidungen ausrichten.
Für mich ist es entscheidend, dass die IT-Strategie nicht isoliert betrachtet wird, sondern als integraler Bestandteil der übergeordneten Unternehmensziele. Nur so können wir als IT-Organisation einen direkten Beitrag zum Geschäftserfolg leisten und die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens sichern. Die Ausrichtung an der Unternehmensstrategie ermöglicht es uns, nicht nur technologische Lösungen zu liefern, sondern echten Mehrwert zu schaffen – sei es durch Innovation, Effizienzsteigerung oder die Aus- und Weiterbildung von Kolleginnen und Kollegen anderer Fachbereiche.
Die Verbindung von IT Prioritäten zur Unternehmensstrategie schafft nicht nur Transparenz und Fokus, sondern stärkt auch die Rolle der IT als strategischer Partner für das gesamte Unternehmen.
Welche Tools oder Methoden haben dir geholfen, dich schnell in deine neue Position einzuarbeiten?
Bevor ich diese Frage beantworte, möchte ich kurz klarstellen, dass ich absolut kein Freund von Dogmatismus und strikter Framework-Treue bin. Aus meiner Erfahrung ist jede Methodik oder Tool-Unterstützung nicht mehr als ein Werkzeugkasten, aus dem ich mich – mal mehr und mal weniger kreativ – bediene. Dabei nutze ich meist nur Teilaspekte, die mir bei der Strukturierung helfen oder eine Inspiration zur möglichen Herangehensweise an ein Problem geben.
Konkret habe ich mich in diesem Fall am Gartner IT Target Operating Model Framework orientiert. Die definierten neun Dimensionen waren wunderbar geeignet, um den aktuellen Reifegrad der Organisation in einer kurzen Workshop-Session zu bestimmen, den Zielzustand zu definieren und dann in einer weiteren Workshop-Session mit dem gesamten Leadership-Team die Zwischenschritte zu diesem Zielzustand zu erarbeiten.
Das ist ein Stichwort: Das gemeinsame Erarbeiten der notwendigen Veränderungen ist viel wichtiger als jedes Tool oder jede Methode.
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Wie findest du die richtige Balance zwischen kurzfristigem Erfolg und der Entwicklung einer langfristigen IT-Strategie in den ersten Monaten?
Die richtige Balance zwischen kurzfristigem Erfolg und der Entwicklung einer langfristigen IT-Strategie zu finden, erfordert ein sorgfältiges Abwägen der Prioritäten. Es ist wichtig, kurzfristige Erfolge zu erzielen, um das Vertrauen der Stakeholder zu gewinnen und die Akzeptanz für zukünftige Initiativen zu erhöhen. Gleichzeitig darf die langfristige Ausrichtung nicht vernachlässigt werden, um nachhaltige Verbesserungen und Innovationen zu ermöglichen.
Es gibt hier leider keine „Silver Bullet“, um die Balance perfekt zu treffen. Ich versuche, möglichst nah an allen relevanten Stakeholdern dran zu sein und höre sehr genau zu, um die „low hanging fruits“ des kurzfristigen Erfolgs möglichst schnell zu identifizieren und auf den Weg bringen zu können, bevor ich mich wieder der Entwicklung der langfristigen Strategie zuwende.
Konkret nahm ich eine große Verwirrung bezüglich der M365-Technologie-Strategie wahr, da das IT-Team bisher anscheinend sehr viel hinter den Kulissen daran arbeitete, aber nur wenig darüber bekannt war. Ein klassischer Fall von zu wenig Kundenfokus und fehlendem Change-Management. In meinem Fall ein dankbares Beispiel dafür, dass mit dem richtigen Fokus und klaren Zielen eine anfängliche Verwirrung in Begeisterung umschlagen kann. Denn nach nur sechs Monaten wurde die Technologie dann unternehmensweit ausgerollt, alte Zöpfe (WebEx) abgeschnitten und von einer eng mit dem Communications-Team abgestimmten Kommunikationskampagne begleitet.
Das schaffte Vertrauen, dass nicht nur vom Wandel gesprochen wird, sondern dieser auch spürbar wird.
Welche drei Tipps würdest du neuen CIOs für ihre ersten 90 Tage geben?
- Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation: Lernen Sie Stakeholder aus allen Bereichen des Unternehmens kennen, nicht nur im direkten Umkreis Ihrer Funktion. Beschränken Sie sich dabei nicht nur auf Führungsfunktionen, sondern beziehen Sie die gesamte Bandbreite der Hierarchie ein – vom Service Desk Agent bis zum Aufsichtsratsmitglied.
- Offenheit und Reflexion: Hören Sie genau und unvoreingenommen zu. Nutzen Sie die Gespräche, um Ihre Hypothesen zu spiegeln und zu reflektieren.
- Prioritäten und Selbstkontrolle: Konzentrieren Sie sich auf die wichtigsten Themen und Projekte, die einen direkten Einfluss auf den Geschäftserfolg haben. Ignorieren Sie den Drang, in explizite Themen zu tief einzutauchen, auch wenn Sie in diesen Bereichen viel Erfahrung besitzen.
Wie wichtig ist die Kommunikation mit anderen Abteilungen in der Anfangszeit und wie hast du sie gestaltet?
Die Kommunikation mit anderen Abteilungen ist in der Anfangszeit von entscheidender Bedeutung. Ich halte die Kollegen des Boards in unseren monatlichen Corporate Meetings auf dem Laufenden. Mit vielen meiner Kollegen habe ich regelmäßige Termine organisiert, um den Austausch zu fördern und auf Executive-Level abgestimmt zu sein. Gleichzeitig ermuntere ich meine Teams dazu, proaktiv regelmäßige Posts auf den internen Kommunikationskanälen abzusetzen. Auch ich habe diese Kanäle genutzt, um mich und meine Ideen vorzustellen und die Belegschaft auf die Reise mitzunehmen. Ich glaube fest daran, dass eine offene und transparente Kommunikation hilft, Vertrauen aufzubauen und die Zusammenarbeit zu stärken
Welche Rolle spielen externe Unterstützung oder Mentoring dabei?
Vor ein paar Jahren hätte ich diese Frage eventuell noch anders beantwortet. Meiner Meinung nach ist es von essenzieller Bedeutung, dass der CIO persönlich als Führungsfigur die Transformation in die Hand nimmt und nicht nur beauftragt. Das Feedback, das ich von meinem Führungsteam für die Gestaltung, Durchführung und Dokumentation der Workshops erhalten habe, war durchweg ausgezeichnet. Sie haben von Anfang an gespürt, mit welcher Leidenschaft und persönlichem Einsatz ich hinter der angestrebten Veränderung stehe. Das hatten sie – nach eigenen Aussagen – so in der Vergangenheit noch nicht erlebt. Und das hat mir gerade am Anfang der Transformation geholfen, sie zum Teil der Veränderung zu machen und nicht nur als Beobachter am Rande.
Wie geht man mit Widerständen um, die möglicherweise aus der Organisation kommen?
Auch hier gilt wieder: kommunizieren, kommunizieren, kommunizieren. Gründe, einer Veränderung skeptisch gegenüberzustehen, sind mannigfaltig. Um mit Widerständen umzugehen, ist es wichtig, die Ursachen zu verstehen und offen darüber zu sprechen. Eine transparente Kommunikation und das Einbeziehen der betroffenen Mitarbeiter in den Veränderungsprozess können helfen, Ängste und Bedenken abzubauen. Zudem ist es wichtig, Erfolge zu feiern und die positiven Auswirkungen der Veränderungen sichtbar zu machen. Konkret ist seit meinem Eintritt der Punkt „Status der IT&OT-Transformation“ ein fester Bestandteil auf der Agenda der zweiwöchentlich stattfindenden IT-All-Hands-Meetings.
Was würdest du rückblickend anders machen, wenn du deine ersten 90 Tage noch einmal erleben könntest?
Rückblickend würde ich Mitarbeitenden und Kollegen, die mit wichtigen und herausfordernden Projekten betraut wurden, mehr Aufmerksamkeit schenken. Ich habe die Fähigkeiten einiger Kollegen überschätzt und ihre Beschwerden über Prozesse und Abläufe im Unternehmen erst zu spät als Hilferufe im Kontext ihrer herausfordernden Arbeitsaufträge wahrgenommen. Zudem würde ich die HR-Abteilung wesentlich früher bezüglich der tiefgreifenden organisatorischen Veränderungen einbeziehen, da ich zu Beginn selbstverständlich noch nicht alle Feinheiten operativer HR-Prozesse kannte.