Die Coronakrise wurde zur Bewährungsprobe für die interne IT. Innerhalb weniger Tage wurden tausende Arbeitsplätze ins Home Office verbannt, Collaboration Software ausgerollt, Cloud-Strategien umgesetzt … Projekte und Digitalisierungsschritte, die man über lange Zeit vor sich hergeschoben hat, wurden in Windeseile umgesetzt und Veränderungen waren möglich, die vorher weder Budget noch Bereitschaft gefunden hätten. Es kam zu einem Digitalisierungsschub.
Der Anfang ist geschafft, doch wie müssen IT-Entscheider nun agieren, damit die Fortschritte der Digitalen Transformation auch nachhaltig sind?
Michael Ghezzo
Confare
Durch den Digitalisierungsschub hat sich viel in der IT getan. Nun sollte man den Schwung nutzen um nachhaltige Unternehmensveränderungen zu erwirken und nicht an der IT zu sparen. Die Zusammenarbeit zwischen IT und Business, die Zusammenarbeit zwischen IT und Fachbereich wird immer poröser, das bringt den Gedanken auf Business und IT in Zukunft nicht mehr getrennt zu betrachten.“
Beim Confare CIO Think Tank Webcast powered by T-Systems mit dem Thema: “Das Digitale Versprechen einlösen” haben Experten zusammen mit Confare Gründer Michael Ghezzo über die nächsten Schritte und neuen Möglichkeiten diskutiert.
Welchen Impact hat der Digitalisierungsschub auf Unternehmen?
Bereits in den letzten Jahren hat sich die Arbeitsweise mehr in Richtung Digitalisierung verändert. Mit Corona ist das nur noch radikaler geworden. Die digitale Kollaboration mit anderen Personen ist intensiver geworden, nicht aber generell. Corona hat also nicht in allen Bereichen zu einem Digitalisierungsschub geführt.
Volker Schmidt
PAX
Der große Impact der Digitalisierung auf Unternehmen hat extrem verändert wie der Kunde bedient wird, aber auch neue Player auf den Markt gebracht. Angefangen von Alligatoren bis zu digitalen Brokern. Die Digitalisierung hat auch zu mehr Transparenz geführt und zu einer radikalen Vereinfachung der Produkte, alles musste über die digitalen Kanäle verkaufbar sein.“
Welche Herausforderung bringt diese Entwicklung mit sich?
Business Empowerment/ Technology Enablement ist für alle herausfordernd, besonders aber für die Führungskräfte. In den Teams braucht es mehr Selbstorganisation, da kann es auch zu Schwierigkeiten kommen weil auch prioritätsorientiert gearbeitet werden muss. Die Mitarbeiter schätzen aber auch diese neue Autonomie. Einige Mitarbeiter können mit der Geschwindigkeit auch überfordert sein, es kann also sein, dass die Entwicklung nicht in allen Bereichen gleich schnell verläuft.
Durch den Kulturwandel muss man sich fragen, welche Methoden soll man unterstützen? Dafür muss man sich auch klar sein welche Werte das Unternehmen vertritt. Es braucht Werte hinter die die Mitarbeiter stehen können. Das Unternehmen muss die Kultur reflektieren, entscheiden welchen Weg sie bestreiten wollen.“
Volker Schmidt
PAX
Was auch bei dieser Transformation sehr wichtig ist, ist die Cloud. Die größte Veränderung, die damit einhergeht ist die Erfahrungslosigkeit, z.B. muss man Zeiten in der Cloud reservieren, also wann gearbeitet wird, was ist dann aber mit Überstunden? Oder wenn einem Arbeitnehmer außerhalb der Arbeitszeiten eine gute Idee kommt, muss ich dann längere Zeiten reservieren? ect.
Muss man alte Legacy Systeme abbauen?
Legacy ist heute vermehrt in der Cloud, nicht mehr so viel in der IT. Business Legacy geht immer vor IT Legacy. Zuerst muss man sich fachlich überlegen wie man sie bereinigt, dann auch technisch.
Wie weit lässt sich das Thema Cybersecurity in den Fachbereich delegieren?
Beobachtet man die Sensibilität der Mitarbeiter, dann lässt sich sagen, dass die Awareness zugenommen hat. Die aktive Rückmeldung ist erheblich gestiegen, auch weil die Thematisierung in der Presse zugenommen hat.
Der Bedarf nach Securityprozessen hat sich stark erhöht. Gegenmaßnahmen sind gefragt, die man mittlerweile auch teilweise automatisieren kann. Aber hier gilt: Automatisierung ist nur so gut wie sie designt ist. Man muss Automatisierung also immer neu anpassen, je nachdem wie sich das Umfeld bewegt.
Jürgen Renfer
Kommunale Unfallversicherung Bayern
Die Komplexität in der Infrastruktur steigt, es gibt höhere Anforderungen im Business, das ist eine Herausforderung. Beim Business IT Alignement ist es schwer sich auf Augenhöhe zu begegnen. Das ist aber erforderlich um Themen voranzutreiben. Die Fachabteilungen neigen eher dazu sich nur den fachlichen Anforderungen zu stellen. Das ist zwar gut für das Tagesgeschäft aber es ist auch notwendig sich mit der IT-Seite zu beschäftigen.“
Wie kann die Hyperautomatisierung unterstützen das digitale Versprechen einzulösen?
Experte Marco Bösch von T-Systems hat seine Erkenntnisse mit den Teilnehmern geteilt:
Hyperautomation verbindet viele Technologien. Sie mag am Anfang zwar etwas kompliziert erscheinen, erleichtert auf längere Sicht aber den Arbeitsalltag.
Um Prozesse zu verändern muss man sie zuerst verstehen, dann kann man auch automatisieren. Und ein schlechter Prozess wird weder durch Automatisierung noch durch Digitalisierung ein besserer Prozess.
Um zu verstehen, was Hyperautomation dem Business bringt und was anders ist als bei bisherigen Automatisierungen, hilft ein Blick in die Evolution von Prozess Management und Automatisierung.
Entwicklung
Die Entwicklung der Prozessautomatisierung begann schon in den 80ern. Damals gab es die ersten Managementinformationssysteme. Um 1995 kam im nächsten Schritt Business Process Reengineering dazu und dies war auch die Zeit, in der sich die großen Prozesssysteme wie CRM, ERP, SCM schnell verbreitet haben und so Prozessinnovationen durch IT-Systems unterstützt wurden.
Diese Bewegung entwickelte sich um 2002 herum weiter zum Business Process Management bei dem die kontinuierliche Transformation in den Mittelpunkt rückte. In dieser Zeit wurde die Automatisierungs-Technologie immer mächtiger, aber auch gleichzeitig immer komplexer. Automatisierung bedeutete in dieser Zeit auch bereits, dass ein Task von einer Arbeitsgruppe zur nächsten automatisch geroutet wurde.
Ab 2015 haben intelligente Prozessautomatisierung und seit 2019 auch Hyperautomation einen ganz anderen Anspruch an Automatisierungen. Hier geht es nicht nur darum, einen Prozess digital zu unterstützen, sondern auch Intelligenz basierend auf Daten zu integrieren und die Automatisierung für die Anwender einfach zu gestalten.
Was genau ist Hyperautomation?
Hyperautomation bringt zwei Perspektiven intensiv zusammen:
Die Prozessperspektive und die Datensicht.
Die Prozessperspektive umfasst sowohl die relativ simple Automatisierung von Tasks, als auch intelligente Business Prozess Mgmt Suites, die komplette Abläufe einfach gestalten und auch Intelligenz integrieren können. Dazu kommt ein Digitales Betriebsmodell mit der entsprechenden Automatisierung des Betriebes.
Die Datensicht setzt auf adaptive Architekturen, die z.B. mit IPaaS (Integration Platform as a Service) und API Mgmt optimal unterstützt werden und so die einfache Integration der relevanten Daten und Systeme ermöglichen. Dazu kommen AI-unterstützte Kommunikations-Mittel wie Voice/Chat-Bots und Data Analytics, die wiederum die Basis für hochwertige Automatisierungen schaffen.
Diese beiden Welten zusammenzubringen ist die Hyperautomation.”
Marco Bösch
T-Systems
Hyperautomation benutzt andere, für viele Unternehmen noch fremde, Tools, Machine Learning und KI z.B. Damit lassen sich z.B. Strompreise prognostizieren, anhand vorgegebener mathematischer Modelle, und der Handel aber auch die Absicherung von Preisen optimieren.
Während all diese Elemente die digitalen Technologie-Aspekte von Hyperautomation umfassen, setzt ein erfolgreicher Einsatz im Unternehmen auch eine adäquate Transformation voraus.
Zu dieser Transformation zählen sowohl Agilität, Biz DevOps als Basis, unterstützt durch die Mehrwerte der SaaS-ifizierung, bis hin zu „eine App für jedes Problem“. Gerade Start-ups oder neue Geschäftsgebiete profitieren stark von diesem Ansatz da sie Unternehmen erlauben, in kürzester Zeit operativ zu sein.
Welche Entwicklungen hat Hyperautomation mit sich gebracht?
Eine Entwicklung, die Hyperautomation mit sich gebracht hat, ist, dass die Business-IT-Zusammenarbeit immer stärker verwischt. Ein Beispiel hierfür ist der Einsatz von Citizen Developern. Das sind Business User, die sich an der Entwicklung des Business beteiligen. Das funktioniert nicht bei allen Entwicklungen wird aber durch die Vereinfachung der Technologie erleichtert.
Das Business profitiert von der schnelleren Innovation und die IT verstärkt damit ihren Digitalen Enabler-Charakter.
Keine Chancen, ohne Risiken – eine solche Business Transformation erfordert auch eine veränderte und klare Governance, ansonsten droht das Chaos von Schatten-IT und IT-Wildwuchs.
Die Citizen Developer-Bewegung kommt von den Erkenntnissen aus dem Innovationsmanagement „frustrierte Nutzer sind die beste Quelle für Innovation, denn sie haben einen intrinsischen Antrieb etwas zu verändern“.
Es gilt „Betroffene zu Beteiligten machen.“
Der Business Impact ist, dass sich das Business vermehrt um Innovation und Weiterentwicklung des Geschäfts kümmern kann und administrative Aufgaben automatisiert werden.
Was gehört zum Masterplan Digitalisierung?
Der Masterplan Digitalisierung ist Programmmanagement, es geht zwar um Steuerung und Kontrolle aber eher darum die Projekte zu einen Austausch zu bringen. Veränderungen müssen nicht punktuell sondern lebendig fortführbar sein. Als Führungskraft muss man eine vertraute Atmosphäre schaffen, in der man auch über Probleme reden kann, wenn der Konzern gut zusammenarbeitet entsteht einfach mehr. Die Kommunikation macht einen Großteil des Jobs aus.
Was hat sich durch den Digitalisierungsschub während Corona verändert?
Manuel Stecher
Verbund AG
Die Corona-Krise hat die Zugänge verändert, das Mindset, man musste digitaler arbeiten. Die Mitarbeiter sehen dadurch, dass Homeoffice auch seine Vorteile hat und haben auch ein Stück weit weniger Angst vor der Digitalisierung. Das ist ein riesen Gewinn, dass dadurch der Fokus auf dieses Thema gelegt wird.“
Was bleibt vom Digitalisierungsschub übrig?
Mitarbeiter arbeiten intensiver zusammen und ziehen öfter Experten hinzu, aufgrund der neuen Möglichkeiten der digitalen Vernetzung. Das führt auch zu Erleichterung auf der Mitarbeiterebene, vieles geht einfacher und schneller. Die Leute sehen auch den Mehrwert der datengetriebenen Prozessanalyse. Wenn sie dieses Erlebnis selbst gemacht haben wird Prozessmanagement nicht mehr als Feind angesehen. Der Business Case hat sich und wird sich dadurch aber nicht verändern.
Wie gelingt der Wandel?
Bei der Digitalen Transformation müssen Unternehmen an der Basis anfangen und praktisch und pragmatisch vorgehen. Für Mitarbeiter ist das oft einfacher als für die Führungskräfte, denn hier ist eine andere Art der Führung gefragt. Technik und Transformation sollten zusammen eingeführt werden und man muss ehrlich alle Vor- und Nachteile neuer Technologien oder Prozesse ermitteln. Durch die Ehrlichkeit kann man das Silodenken auflösen. Man muss zuerst Fakten liefern, dann kann Transformation auch erfolgreich sein.
Das Unternehmen muss sich Gedanken darüber machen wo man datengetrieben innovieren und automatisieren kann und wie man die Mitarbeiter bei dieser Entwicklung unterstützt, damit sie Dinge selber managen können. Neue Technologien müssen gleichzeitig mit Data Governance eingesetzt werden damit die Integration gelingt und trotzdem Flexibilität erhalten bleibt. Das macht es leichter den Transfer zu unterstützen und soll Silobildungen in Zukunft vermeiden.
Hier finden Sie die Aufzeichnung zum Confare Digital CIO ThinkTank
powered by T-Systems
Das Digitale Versprechen einlösen- vom Digitalisierungsschub zur nachhaltigen Veränderung
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