
Nedim Dedić (IT-Executive, Autor und Wissenschaftler) – Eine Führungskraft muss nicht immer alle Antworten haben
Nedim Dedić – IT-Executive, Autor und Wissenschaftler – im exklusiven Confare-Bloginterview über sein kürzlich erschienenes Buch „Leading Digital Technology Transformations“. Im Gespräch spricht der Experte über das richtige Leadership-Mindset, über gemeinsame Muster erfolgreicher Transformationsprojekte und vieles mehr.
Wer sich intensiver mit dem Werk von Nedim Dedić beschäftigen möchte, kann sein Buch HIER kaufen.
Was war der Auslöser dafür, dieses Buch zu schreiben und warum genau jetzt?
Ich habe über viele Jahre hinweg große Technologie-Transformationen begleitet, mit all ihren Höhen und Tiefen. Anfangs wollte ich meine Erfahrungen und Erkenntnisse einfach nur für mich selbst dokumentieren, um sie nicht zu vergessen. Doch im Laufe des Schreibprozesses wurde mir bewusst, dass meine Geschichten und Einsichten auch für andere wertvoll sein könnten, vor allem für Menschen, die ähnliche Verantwortung tragen oder sich auf eine solche Rolle vorbereiten. Der Zeitpunkt jetzt war einfach stimmig. Ich habe heute genug Abstand, um reflektiert zurückzublicken, und gleichzeitig bin ich noch mitten im Geschehen, was es mir ermöglicht, ganz nah an der Praxis zu bleiben.
Gibt es eine bestimmte Erkenntnis, bei der ich mir denke: “Das hätte ich wirklich gerne schon viel früher gewusst”?
Ja, definitiv. Ich habe lange geglaubt, dass eine Führungskraft immer alle Antworten parat haben muss. Dieses Bild hat mich am Anfang meiner Karriere ziemlich unter Druck gesetzt. Ich schreibe ganz offen darüber, dass ich anfangs oft das Gefühl hatte, zu „faken“, weil ich dachte, eine gute Führungskraft müsse immer alles wissen. Erst mit der Zeit habe ich gelernt, dass es gar nicht darum geht, alles zu wissen, sondern vielmehr darum, die richtigen Fragen zu stellen, andere einzubinden und gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Diese Erkenntnis hätte mir selbst viel Druck genommen und wahrscheinlich auch vielen Menschen, die mit mir gearbeitet haben.
Ich habe Transformationsprojekte in unterschiedlichen Branchen begleitet – was sind die größten Unterschiede und was die überraschendsten Gemeinsamkeiten?
Die Unterschiede liegen meist in den Rahmenbedingungen, also in der Ausgangssituation, der Unternehmenskultur, den rechtlichen Anforderungen oder dem technologischen Reifegrad. Was mich aber immer wieder überrascht hat, sind die Gemeinsamkeiten: Egal ob Industrie, Handel oder öffentliche Hand, überall kämpft man mit ähnlichen Themen wie mangelnder Abstimmung zwischen IT und Business, Angst vor Veränderung, übertriebene Erwartungen an Technologie und zu wenig Fokus auf Kommunikation und Vertrauen. Am Ende ist Transformation ein menschliches Thema, nicht ein branchenspezifisches.
Was macht eine digitale Transformation wirklich erfolgreich – jenseits von Methoden und Buzzwords?
Für mich ist es ganz klar die Qualität der Kommunikation und die Fähigkeit, echtes Vertrauen aufzubauen. Es reicht nicht, gute Tools oder Prozesse zu haben. Entscheidend ist, ob es gelingt, Menschen wirklich mitzunehmen. Transformation bedeutet Veränderung, und Veränderung braucht Sinn. Sobald Business und IT ein gemeinsames Zielbild entwickeln, Verantwortung teilen und ehrlich miteinander sprechen, entsteht eine Kraft, die weit über Technik hinausgeht.
Welche Rolle spielt Leadership in der digitalen Transformation – und wie unterscheidet sie sich vom klassischen IT-Management?
Leadership in diesem Kontext bedeutet für mich, ein Umfeld zu schaffen, in dem Neues entstehen kann. Es geht nicht darum, alles zu kontrollieren oder selbst zu glänzen. Vielmehr versuche ich, andere zu ermutigen, Verantwortung zu übernehmen, eigene Ideen einzubringen und über sich hinauszuwachsen. Klassisches IT-Management war oft stark auf Technik und Prozesse fokussiert, digitale Transformation hingegen erfordert ein Denken in Beziehungen, in Wirkung und in Kultur. Es ist ein Wechsel vom Anweisen zum Ermöglichen.
Wie gehe ich mit Widerständen in Transformationsprozessen um – insbesondere auf Management-Ebene?
Widerstände sind für mich kein Hindernis, sondern ein wichtiges Signal. Ich sehe Widerstände nicht als Blockade, sondern als wichtige Rückmeldung. Sie zeigen mir, wo noch Fragen offen sind oder Vertrauen fehlt. Gerade im Management ist es entscheidend, frühzeitig in den Dialog zu treten und nicht mit Lösungen zu kommen, bevor die Bedürfnisse wirklich verstanden wurden. Ich versuche, diese Gespräche mit Respekt und Offenheit zu führen, auch wenn sie unangenehm sind. Denn nur so kann echte Bereitschaft zur Veränderung entstehen.
Für wen ist dieses Buch besonders wertvoll – und wer sollte es vielleicht sogar doppelt lesen?
Ich habe es für all jene geschrieben, die Transformation nicht nur begleiten, sondern gestalten wollen, wie z.B. CIOs, CTOs, CDOs, Enterprise Architects, aber auch Fachbereichsleiterinnen und -leiter, die verstehen möchten, wie Technologie Veränderung unterstützt. Und ich glaube, besonders hilfreich ist es für Menschen, die sich oft fragen, warum so viele Transformationen ins Stocken geraten. Doppelt lesen sollten es vielleicht jene, die glauben, Technologie sei der wichtigste Hebel. Denn meine Erfahrung zeigt: Der entscheidende Faktor ist fast immer der Mensch.