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Hebt endlich die Ärsche!

Wie eine Elite ohne Ambition zur Transformations-Bremse wird.

Prof. Dr.-Ing. Evi Hartmann ist Inhaberin des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Supply Chain Management, an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Sie ist Mutter, Autorin mehrerer Bücher, bloggt weltbewegendes auf Weltbewegend und ist schlicht alles andere als ein Arbeitsvermeider. Dass diese aber immer mehr zum Problem unserer Wirtschaft werden, beklagt sie in ihrem neuen Buch mit dem Titel „Ihr kriegt die Ärsche nicht hoch – Eine Elite ohne Ambition“.

Das 12. Confare CIO SUMMIT hat das Motto „Talente bewegen – be the influence“ – Es sind Talente, die die Entwicklung des Unternehmens fördern, und es sind Talente, die andere bewegen. Dabei geht es um Machen und nicht um Posen. Arbeitsverweigerer, notorische Selbstdarsteller und Leistungsunwillige werden zum Problem für die Veränderung. Für einen Vortrag konnten wir Frau Hartmann aufgrund ihres gefüllten Terminplanes nicht gewinnen, aber für den Blog hat sie uns einige Fragen zu ihrem neuen Buch beantwortet.

Sie beschreiben in Ihrem neuen Buch eine Kultur der Arbeitsverweigerung, getarnt unter dem Schlagwort der „Work-Life-Balance“ – wie drückt sich das konkret aus?

Nicht die Work-Life-Balance, sondern ihr falsches Verständnis führt zur Arbeitsvermeidung. Das drückt sich nicht dadurch aus, dass die, die ohnehin schon überfordert sind und über ihrer eigentlichen Leistungsgrenze arbeiten, jetzt noch eine Zusatzaufgabe aufgedrückt bekommen. Gemeint sind vielmehr jene, die gut ausgebildet sind, über hohe Kompetenz verfügen, nicht wirklich voll ausgelastet sind, aber bei jeder Sonderaufgabe, bei nötigen Zusatzleistungen aus Prinzip erst einmal abwinken. Aktuelles Beispiel: Die DSGVO droht und die Arbeitsvermeider ducken sich erst mal weg.  Trotzdem müssen die Bestimmungen der europäischen Datenschutzgrundverordnung eingearbeitet werden, die Homepage muss überholt werden, Informationsprozesse angepasst, der interne Server besser gesichert werden. Das erfordert die Extra-Meile im Tagesgeschäft – aber plötzlich haben die notorischen Vermeider im Betrieb was anderes zu tun. Die Ausreden reichen von „Jetzt fängt mein Yoga an“ über „Ich bin schon mit der eigentlichen Arbeit ausgelastet“ (was nicht zutrifft) bis hin zu „Sowas muss nicht immer ich machen“ (was sachlich nicht stimmt). Dann bleibt die Aufgabe wieder an jenen hängen, die „sowas“ ständig übernehmen, wenn sich andere wegducken.

Sie unterscheiden eine Elite der Leistungsträger und eine Pseudo-Elite: Was ist darunter zu verstehen?

CIO Summit 2019 - Evi Hartmann_Posen statt PerformenLeistungsträger leisten – und machen meist wenig Aufhebens darum. Sie erbringen weit überdurchschnittliche Leistung. Leistungsvermeider vermeiden Leistung, geben sich jedoch elitär: Sie kritisieren die eigentliche Leistungselite unsachlich, reden ihre Verdienste klein und annektieren deren Erfolge. Und obwohl sie weniger leisten als andere, hegen sie elitäre Ansprüche. Obwohl ihre Leistungen es nicht rechtfertigen, erheben sie Anspruch auf dieselbe oder höhere Anerkennung, Privilegien und Entlohnung wie andere, die viel mehr leisten als sie.

Ist der mangelnde Arbeitswille etwas, das nur die vielzitierten Generation Y betrifft?

Absolut nicht! Vor allem, da die hoch leistungswillige Startup-Szene sich hauptsächlich aus der Generation Y rekrutiert. Die Pseudo-Elite ist vielmehr eine Misere, die sämtliche Altersgruppen, sozialen Schichten, Hierarchieebenen, Unternehmensgrößen und Branchen infiziert hat; sozusagen vom Azubi bis zum Aufsichtsratsvorsitzenden.

Was sind denn Ihrer Meinung nach die Ursachen für diese Entwicklung?

Da ist zunächst der Zeitgeist: Posen statt Performen ist chic. Hinzu kommt, dass viele Leistungsvermeider schlicht Angst haben: vor Überforderung, Versagen, Veränderung oder Statusverlust. Eine gravierende Ursache ist aber auch die Anspruchsmentalität: Fordern statt leisten. Viele drücken sich, wenn Aufgaben verteilt werden, neiden danach aber jenen die Anerkennung, die sie übernommen haben und fordern dieselbe Anerkennung, Bezahlung oder Privilegien. Diese überzogenen Ansprüche begegnen uns überall.

CIO Summit 2019 - Talente bewegen

Wie wirkt sich das auf Unternehmen, Gesellschaft und Wirtschaft aus?

In vielen Unternehmen können bereits jetzt etliche zukunftsweisende Projekte nicht gestartet oder ausreichend bearbeitet, neue Produkte und Services nicht rechtzeitig an den Markt gebracht oder die Digitale Transformation nicht schnell bewältigt werden, weil es nicht mehr genügend Leistungswillige gibt. Die Welt und die Wirtschaft wären bei so drängenden Themen wie Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Schutz der Meere und der Atemluft schon viel weiter, wenn alle sich reinknien würden. Dasselbe trifft auf unsere Gesellschaft als Ganzes zu: Fast alle gemeinnützigen Vereine beklagen einen eklatanten Mangel an Ehrenamtlichen. Die meisten Kommunen haben eine freiwillige Feuerwehr – was macht die Feuerwehr, wenn ihr die Freiwilligen ausgehen?

Was können Unternehmen, Führungskräfte und Arbeitnehmer tun, die mit dieser Situation nicht zufrieden sind?

Unternehmen können ein definiertes Leistungsethos in ihr Führungsleitbild integrieren und dafür sorgen, dass ihre Personalverantwortlichen damit führen. Wenn Leistungsvermeider sich drücken, sollten Vorgesetzte nicht länger verschämt wegschauen – bloß, weil sie ein unangenehmes Gespräch scheuen. Leistungsvermeider selber könnten ihre Fähigkeit zur Selbstreflexion stärken. Denn viele glauben, sie arbeiten „ganz normal“. Und schließlich sollten Leistungsträger öfter den Mund aufmachen und die Missstände vorwurfsfrei ansprechen. So lange, dezidiert und oft, bis sich was ändert.

Welche gesellschaftlichen Möglichkeiten gibt es für mehr Leistungsgerechtigkeit?

Es gäbe eine einfache Lösung: kategorische Beachtung der Leistungs-Anerkennungs-Äquivalenz. Jeder und jede bekommt genau die Anerkennung, die er oder sie sich durch Leistung im Rahmen der eigenen Möglichkeiten verdient hat. Niemand sollte überfordert werden. Doch wer seine Leistungsfähigkeit voll ausschöpft, sollte stärker anerkannt werden als jemand, der notorisch unter seinen Möglichkeiten bleibt. Das klingt heute noch nach Utopie. Aber wer weiß? Die Menschheit ist entwicklungsfähig. Vielleicht erleben wir das noch …

Am 3. und 4. April 2019 geht Österreichs größter IT-Management Treffpunkt in die 12. Runde. Unter dem Motto „Talente bewegen – be the influence“ treffen sich mehr als 500 Branchenprofis, davon mehr als 350 IT-Manager zum Kennenlernen, Netzwerken und Informationsaustausch mit führenden Anbietern, hochkarätigen Kollegen und Experten. Sichern Sie rechtzeitig Ihre Teilnahme.

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