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Teil 2: IT als Hologramm der Geschäftsrealität – CIO Kellermann über Standards und Influence

by Annecilla Sampt

Marco Kellermann, Director Global IT, FFG Europe & Americas hat im Confare Blog den Beitrag von Stefan Bergsmann gelesen, in dem er ausführt, warum im Digitalen Zeitalter die getrennte Betrachtung von Business und IT keinen Sinn mehr macht. In seiner Replik geht er einen Schritt weiter und meint: „Die IT bildet die Geschäftsrealitität eines Unternehmens vollständig ab!“

Welche Auswirkungen hat das Hologramm auf das Business und wie kann man damit umgehen?

Eine heutige Unternehmung kann sich kaum mehr gegen das Hologramm entscheiden. Nur noch dafür, ob es positiv oder negativ auf sie wirkt. Um die daraus resultierenden Chancen nutzen und die Risiken minimieren zu können, muss man in eine systemische Denke kommen. Nicht philosophisch oder hoch technisch, sondern im Grundsatz des Denkens und Handelns. Man muss das IT-Hologramm der eigenen Businessrealität über die Verinnerlichung grundlegender systemischer Prinzipien für sich nutzbar machen. Dazu ist folgende Erkenntnis wichtig: Wachsende Komplexität eines Gesamtsystems bedeutet die sinkende Flexibilität in der Kommunikation zwischen den Teilsystemen. Wer das ignoriert, bekommt wachsende Kompliziertheit nach innen und somit sinkende Flexibilität nach außen. Übersetzt in die Businessrealität bedeutet das: Je mehr Prozesse und Daten abgebildet werden müssen, desto disziplinierter müssen diese durchgeführt und gepflegt werden, damit sie steuerbar und transparent bleiben. Wer durch manuelle Workarounds den Disziplinierungsdruck umgeht, verursacht eine Kompliziertheit, weil dadurch die Steuerbarkeit und Transparenz verloren geht und letztlich die Aktions- und Reaktionsfähigkeit zum Kunden hin schwächt. Wer im manuellen gestern im Nachgang und ohne weitere Folgen mit dem Fehlerkorrekturpinsel etwas auf einem fertigen Angebot korrigieren konnte, führt im digitalen heute mit nachträglich manuell geänderten Angeboten zu wörtlich vorprogrammierten Fehlern in der Produkterstellung, oder verursacht teure Workarounds, in welchen eigentlich schlank ablaufende Produktions- und Abrechnungsprozesse mühsam korrigiert und meist für das weitere Prozedere intransparent gemacht werden. Das ERP-System braucht Disziplin, wenn es diese nicht bekommt, führt es zu schlechten Ergebnissen der Unternehmung. Wenn das Hologramm von der Realität abweicht, ergibt sich ein Delta, welches zwangsläufig von den Ressourcen der Geschäftsrealität bezahlt werden muss. So einfach diese Wahrheit ist, so wirksam ist sie.

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Doch was soll man aus diesem Zustand machen? Es kann nicht nur um die Disziplinierung der Mitarbeiter und des Managements gehen, wenn es um den Umgang mit Daten und Prozessen geht. Das an sich führt zu nichts, so zumindest die Erfahrung des Verfassers. Man muss den Individualisierungsanforderungen der Teilbereiche der Unternehmen systemisch begegnen. Und das geht über funktionale Standards, modulare Prozesse und funktionale Ordnungen. Bei diesen Punkten kann auf der höchsten Ebene nicht mehr primär in Daten und Prozesse, in Aufbau- und Ablauforganisation und in Mensch und Maschine unterschieden werden. Die positive Rückkopplung zwischen diesen Bereichen ist im Hologramm und somit der Realität so hochfrequent, dass man dafür keinen Aufsatzpunkt finden kann.

CIO Summit - Marco KellermannBei funktionalen Standards geht es darum, dass man Best Practices vorhandener Lösungen nutzt und diese nur so minimal wie möglich auf die eigenen Bedürfnisse anpasst. Das Ziel muss es sein, Workarounds über Anwender, also menschliche Schnittstellen, welche digitale Prozesse überbrücken, komplett zu eliminieren. Das kann durch das Design von Benutzeroberflächen und durch Applikationskonfigurationen erreicht werden. Letztlich muss die Businessrealität sogar dem IT-Hologramm folgen, nicht anders herum, denn nur über dieses lässt sich das heute sehr komplexe Geschäft kontrollieren und steuern. Man kann prinzipiell sagen, dass jeder noch so gut gemeinte Workaround ein Einfallstor für Intransparenz und Ressourcenverlust ist, der im Endeffekt und strategisch immer negativ auf das Gesamtsystem wirkt und somit unterm Strich keinen produktiven Beitrag leisten kann. Zudem bedeutet die Umsetzung von Standards, dass man auf den Schultern von Riesen sitzt. Man profitiert von den gesammelten und evolvierten Erfahrungen vieler anderer Unternehmen, einfach indem man den Standards folgt, die einem das IT-System, wie das ERP-System, vorgibt. Das verhindert nicht nur Fehler, sondern versetzt einen auch direkt in die Konkurrenzfähigkeit zu anderen Unternehmen. Zudem macht es den Rücken frei, die Mitarbeiter dort zu nutzen, wo menschliche Arbeit den größten Vorteil generiert: Im kreativen Bereich, im strategischen Planen und im persönlichen Austausch mit dem Kunden.

Die Standards bedeuten eine Unterbindung von nicht funktionalen Individualisierungen oder „Gewohnheiten und Eigenheiten“ in den betroffenen Arbeitsbereichen. Die modulare Konzeption von Prozessen soll wiederum funktional verträgliche Individualisierung ermöglichen. So gibt es auch gute Gründe für individuelle oder zumindest abweichende Anforderungen an Geschäftsabläufe innerhalb eines Gesamtsystems. Spätestens unterschiedliche Steuerrechtsanforderungen in verschiedenen Ländern brauchen Sonderausprägungen in Finance-Prozessen. Um die Individualisierung hierbei so gering wie möglich zu halten, muss das System modular aufgebaut werden. Dazu braucht es die Betrachtung aller Anforderungen in einem Portfolio, definiert nach identischen Kriterien und systematisch kategorisiert. Durch dieses Verfahren kann man Cluster bilden, welche dann eine gemeinsame Lösung, also ein Modul bekommen können. Man führt dadurch zum einen zur höchstmöglichen Reduzierung der Abweichungen in den Abläufen und zum anderen kann man durch diese Ordnung funktionale Schnittstellen zwischen den einzelnen Modulen schaffen. Diese Schnittstellen ermöglichen dann eine Agilität des Gesamtsystems und eine Individualisierbarkeit des Teilsystems in den Grenzen des Moduls.

Komplexere Aufbauorganisationen bedeuten für Prozesse oft unüberwindbare Hindernisse und dadurch den Zwang zu Workarounds. So weigert sich die eine Abteilung die Datenstruktur der anderen zu übernehmen oder werden gar unterschiedliche Applikationen für das gleiche Tätigkeitsfeld verwendet. Vor allem die üblichen Business Unit- Konstruktionen bedeuten hier Sollbruchstellen für stringente Funktionalitäten. Dadurch führt die Aufbauorganisation zu Abweichungen zwischen Hologramm und Businessrealität, was wiederum das Business schwächt. Egal wie gut die sonstigen Argumente für die Business Unit- Konstruktion sind. Um das auszuschließen, baut die funktionale Ordnung auf den modularen Lösungen auf. Dort, wo die Clusterbildungen in den Prozessportfolios stattfinden, müssen Process- (Cluster-)Owner integriert werden, welche Unit-unabhängig innerhalb ihres Clusters agieren. Der Unit-Leiter nutzt dann die Module und deren Owner als Service innerhalb seiner Unit, so wie andere Units auch. Man befreit also die Unit, aber auch das jeweilige Cluster, von allem nicht zugehörigen Organisationsballast, so dass wiederum die Freiheit für Kreativität, Strategie und persönlichen Kundenkontakt frei wird.

Systemik macht das Hologramm zum Schmelztiegel von IT und Busines

Wie die Handlungsmöglichkeiten und -anforderungen an den produktiven Umgang mit dem IT-Hologramm der Businessrealität zeigen, ist die Systemik der Schlüssel dazu. Diese ist auch die Brücke für die IT- und die Businessseite, um auf einer gemeinsamen Ebene diesen produktiven Umgang zu realisieren.

Wenn pragmatisches und ergebnisorientiertes systemisches Denken und Handeln auf beiden Seiten zur Grundlage wird, verschmelzen beide zu einer Einheit. Der Manager der Zukunft ist vor allem Systemiker und der zukünftige User handelt vor allem systemisch. Aktuelle IT-Aufgaben, als auch digitale Geschäftsprozesse werden automatisierte Abläufe sein. Führung und Fachkraft werden nicht mehr in Kategorien von Business oder IT denken. Sie werden nicht mehr in den heutigen Kategorien agieren, sondern auf Kreativität, Strategie und Zwischenmenschlichkeit konzentriert die digitale Basis systemisch steuern.

Es mag sein, dass diese Aussicht sehr visionär ist und der Verfasser selbst hängt oft genug im operativen Tagesgeschäftsgetriebe, um zu wissen, dass dafür noch einiges getan werden muss. Aber es ist sicher, dass die systemische Führung des IT-Hologramms, welches heute unsere Geschäftsrealität bedeutet, eine Unternehmung maximal erfolgreich machen kann. Für heute bedeutet das also, dass CEO, CFO und CIO, über systemische Regeln auf eine Handlungsbasis kommen können, welche eine gemeinsame Führung der Unternehmung im besten Sinne ermöglicht und es bedeutet auch, dass IT-Fachkräfte und Anwender so eine Basis finden können, um gemeinsam maximal produktiv arbeiten zu können.

Diskutieren Sie am 3./4. April 2018 auf Österreichs größtem IT-Treffpunkt, dem Confare CIO Summit, den Einfluss der IT auf das Business im Digitalen Zeitalter mit den Top CIOs im DACH Raum:

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