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Ein paar Data Scientisten einstellen und Software kaufen ist zu wenig – Denise Baidinger, Deutsche Bahn über kulturelle und organisatorische Voraussetzungen für das Data Driven Business

by Annecilla Sampt

In unserem Blog holen wir immer wieder Frauen vor den Vorhang, die sich erfolgreich in IT-Management Positionen bewähren. So haben wir vor kurzem Denise Baidinger in einem Bloginterview rund um weibliche Karriere Wege in der IT gehabt. Sie ist Manager IT-Strategie: Data Governance bei der Deutschen Bahn. Doch die Frauen, die wir in unserem Blog vorstellen sind nicht deshalb vorne dabei, wenn es um Digitalisierung, IT-Trends und Innovation geht, weil sie Frauen sind, sondern weil sie fachliche Expertise, Know-how und notwendige Erfahrungen mitbringen. Es war also naheliegend für uns, Denise auch in der Vorbereitung des neuen Factsheets zum Data Driven Business in Zusammenarbeit mit Sphinx IT Consulting um ihren Input zu bitten. Wenn es um die innovative Nutzung der Datenschätze im Unternehmen geht, empfiehlt sie: Schluss mit Bestrafung und negativen Anreizsystemen, hin zu einer gemeinsamen Sicht und klaren Rollen.

Mit welchen Maßnahmen kann man die Awareness für die Möglichkeiten von Daten im Unternehmen steigern?

Denise Baidinger - Confare BlogDass Daten wichtig und bedeutend sind, ist keine neue Erkenntnis. Die Kollegen arbeiten bereits seit mindestens zwei Jahrzehnten mit Daten. Die Veränderung entsteht durch die breiten technologischen Möglichkeiten an Teilung und Verarbeitung von unter anderem unstrukturierten Daten. Die Mitarbeiter müssen Vorteile erkennen, um zu verstehen, warum es ratsam sei, ihre verantworteten Daten mit der Gesamtorganisation zu teilen. In den letzten Jahren hat sich eher eine „Bestrafung“ bzw. „Negativ-Anreizsystem“ durchgesetzt, Daten abzusichern und eine weite Bekanntheit zu unterbinden. Warum? Beliebte Argumente sind: Unsere Datenqualität ist ungenügend, Metadaten zur Dateninterpretation sind nicht gepflegt, die Experten ausgelastet oder sogar ausgebrannt („Wir haben einfach keine Zeit auch noch Datenrückfragen zu beantworten“). Die Folgen sind Datenfehlinterpretation und damit fälschliche Nutzung, die schlussendlich die Datenherausgeber zu verantworten haben.

Dieser Kreislauf verhindert eine breite Datenteilung in Unternehmen. Mein Ansatz ist hier, klare Regeln und Strukturen der Datenverantwortung (Rollen: Daten Owner, Steward, Custodian) zu etablieren – eine sogenannte Daten Governance. Mitarbeiter sind aware, nur lehnen sie die Datenteilung aus beschriebenen Gründen ab. Die Aktionspunkte sind zahlreich: Investitionen in die Datenqualität, Pflege von Metadaten und zeitliche Kapazität zur Interaktion mit Daten Analysten, um Datenfehlinterpretation zu vermeiden. Die Fachverantwortlichen für Daten, die sogenannten Daten Owner und Stewards sind feste Teammitglieder innerhalb der Daten Analytics Aktivitäten, und haben die Fachkenntnis und die finalen Rechte, um über die Datenverarbeitung zu entscheiden.

CIO ThinkTank: DATA DRIVEN BUSINESS – WOHIN GEHT DIE REISE?

Welche Methoden haben sich bewährt, um das Unternehmen auf dem Weg ins Data Business voran zu bringen?

Die Methoden sind zahlreich und die Umsetzung fordert große Datenprojekte. Frau Professor Dr. Marion Halfmann wird mit zahlreichen Kollegen aus Wirtschaft und Wissenschaft in den kommenden Monaten ein Herausgeberband zu „Marketing Analytics“ mit dem Springer Verlag publizieren, an dem ich mitarbeiten durfte. In diesem Werk haben wir sehr detailliert beschrieben, welche großen Aufgaben vor uns liegen: Der Aufbau einer Datenstrategie, die Ausbildung von Datenkompetenzen, die Definition einer Datenethik, der Bildung einer Daten Governance und der Aufbau einer sicheren Daten Architektur. Unternehmungen jeder Größe rufen aus, datengetrieben zu wirtschaften und ihre Geschäftsmodelle datengetrieben auszurichten. Diese Aufgaben setzen wir alle nicht als Hobby nebenbei mit um.

Die Antwort lautet NICHT: „Wir stellen ein paar Mathematiker ein, die als Data Scientisten arbeiten und kaufen verschiedenste Softwareprodukte und schon nutzen wir unsere Daten endlich richtig!“ Die Komplexität ist vielschichtig. Die Unternehmen sollten erarbeiten, was ihr Ziel im Umgang mit Daten ist, welche Hausaufgaben bevorstehen und gleichzeitig klären, in welchem ethischen Raum sie sich bewegen wollen. Technologisch ist sehr viel möglich – die Frage ist jedoch, was wollen wir und was hilft eigentlich dem Geschäftserfolg. Mit unserem Buch wollen wir praxisnahen Impulsen setzen, was getan werden kann und vorauf geachtet werden sollte.

Agilität und Geschwindigkeit sind eine wichtige Voraussetzung um in einer Digitalen Welt zu bestehen. Welche Rahmenbedingungen sind dafür nötig?

Viele deutsche Unternehmen haben in der Vergangenheit durch mangelnde Investition in ihr Datenmanagement einen Daten Dschungel erzeugt. Daten Wissen besteht in Köpfen mit leider mangelnder Metadatenpflege. Vorliegende Datenqualität passt auf die Anwendungsfälle der Vergangenheit, kann aber nicht als Quelle für KI-getriebene Use Cases angesehen werden. Daten Silos sind zahlreich entstanden. Jetzt erwarten viele Entscheider schnell und effizient diese Missstände zu beheben. Das kann nicht funktionieren, weil wir tiefgreifende Strukturen verändern und auch eine Kultur der Datenoffenheit schaffen müssen – dies wird nicht innerhalb weniger Monate oder innerhalb weniger Jahren abschließend erfolgen. Zur Etablierung einer Datenkultur und zum Aufbau der Strukturen ist Weitsicht und Geduld gefragt. Agile Methoden können und sollten natürlich dabei eingesetzt werden, um die Zusammenarbeit im Team zu optimieren und KI-getrieben Prototypen zu entwickeln oder auch Governance Rollen exemplarisch zu testen.

Es gibt jedoch auch Aufgaben, die einen längeren Zeitraum fordern und als Gesamtwerk betrachtet werden müssen, wie z.B. die Integration der neuen Governance innerhalb der Organisation inklusive Abstimmung mit Interessengruppen, der Bau einer übergreifenden Architektur, inklusive umfassende Ausschreibungsverfahren, sowie die Entwicklung und Einhaltung der Datenethik. Diese fordern einen umfangreichen Projekt Scope, das Backlog ist prall gefüllt. Ich möchte an der Stelle davor warnen, die großen Herausforderungen kleinzureden und am Ende ausschließlich von Prototyp zu Prototyp zu springen ohne eine gesamtunternehmerische Umwälzung zu fordern.

Impact Challenge

Legacy Infrastruktur kann ein großes Hindernis auf dem Weg zum datengetriebenen Unternehmen darstellen. Welche Modernisierungsschritte sind erforderlich? Wo beginnt man am besten?

Der heutige Erfolg vieler Unternehmen beruht auf bestehenden Legacy Infrastrukturen. Um diesen Erfolg in Zukunftsfähigkeit umzuwandeln, benötigt es einen Umbau und sicherlich auch eine Ablösung. Das ist aber keine Ad-hoc Aufgabe, diese Modernisierung ist ein langwieriger Prozess. Jedes System muss dabei einzeln und sorgfältig geprüft werden, um zu entscheiden ob und wann eine Abschaltung oder Transition sinnvoll ist. Automatisierte Verfahren lassen Legacy Systeme an ihre Grenzen stoßen. Der Aufbau einer modernen Architektur fordert jedoch Investitionen und Zeit. Dabei ist es wichtig, ein klares Architekturzielbild zu skizzieren, Überführungsalternativen zu erarbeiten und damit einen Modernisierungsfahrplan zu zeichnen und schrittweise umzusetzen.

Das datengetrieben Business hat viel mit Innovation und Experimentieren zu tun. Was braucht es um die notwendigen Freiräume und Spielwiesen dafür zu schaffen?

Wir alle kennen folgendes Bild: Die Schaffung einer parallel geführten Digitaleinheit, die Einstellung junger Talente, die KI Prototypen erarbeiten und an der „neuen, agilen und bunten Welt des technologischen Fortschritts“ arbeiten. Und das ist gut so, um die nötigen Freiräume zu schaffen und an Innovationen zu arbeiten. Hierbei vermisse ich aber, die Wertschätzung, Anerkennung und Integration der erfahrenen, kompetenten Kollegen, die in all den Jahren den Alltagsbetrieb sicherstellen und damit den heutigen Unternehmenserfolg garantieren. Ich plädiere dafür, Spielwiesen aufzubauen, Ideen und neuste Technologie zu erproben, ohne ein Zwei-Klassen-System entstehen zu lassen.

Lasst junge, oftmals neu rekrutierte Ideengeber, Wissenschaftler, Kreative in Kontakt treten mit den Experten, die tiefste Kenntnis über die Dateninhalte, Datenqualität und den Bau und die Funktionen der Altsysteme besitzen. Spielwiesen sind absolut notwendig, die Zusammenarbeit mit Kollegen an der Front aber erfolgskritisch, damit die „neue Welt“ auch wirklich die Herausforderungen der alten Welt beantwortet und reifende Prototypen irgendwann alte Strukturen und Systeme ablösen.

Daten gewinnen an Wert, wenn man sie vernetzt betrachtet. Welchen Stellenwert haben Data-Ecosystems für Sie? Mit welchen Maßnahmen kann man solche Ecosysteme aufbauen?

Ein unternehmensweit wirkendes Daten Management fordert die Umsetzung des Ökosystem Gedankens. Neue Erkenntnisse und daraus Geschäftsbereiche entstehen durch die Verzahnung verschiedenster, bisher oftmals isolierter Daten aus allen Zweigen im Unternehmen; oftmals ist sogar die Integration der Daten der Partnersysteme, Zulieferunternehmens etc. erfolgskritisch. Dies fordert ein Ökosystem. Die Maßnahmen sind Teil der jeweiligen Architekturzielbilder und -Umsetzungsfahrpläne (was auch die Ablösung der Legacy Systeme bedeutet). ◾

IT-Kennzahlen: Die 10 wichtigsten KPIs für den CIO

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