NEU im #ConfareBlog
Karim El-Siginy, EY, Legacy-IT und die Zukunft der Arbeit: So gelingt die Modernisierung
Warum ist der Wettbewerb schneller als wir? Warum haben sie coolere Apps, zufriedenere Mitarbeiter*innen und innovativere Produkte? Legacy-Infrastruktur, eigenentwickelte Software-Monolithen und mangelnde Schnittstellen: Was früher vielleicht einmal der neueste Schrei, die beste Technologie und exzellente Architektur war, wird auf einmal zum Stolperstein der Digitalen Transformation.
Der Umbau ist oft teuer, mühsam und muss parallel zum Tagesgeschäft geschehen. Und doch ist IT-Transformation entscheidend um im Hyper-Wettbewerb zu bestehen. Nur wer die Pflicht meistert, kann in der Kür brillieren.
Karim El-Siginy ist EY-Partner und hat zahlreiche IT-Modernisierungen begleitet. Im Interview spricht er über die Herausforderungen und Chancen einer solchen IT-Transformation.
Persönlich treffen Sie die IT- und Digitalisierungs-Profis von EY beim Confare #CIOSUMMIT Wien, dem wichtigsten IT-Management Treffpunkt Österreichs mit mehr als 700 Besucher*innen, 70 innovativen Ausstellern und mehr als 120 Vortragenden. Verpassen Sie nicht die Gelegenheit zur Anmeldung.
Hier werden die IT-Manager*innen des Jahres gekürt – Einreichen und Nominieren geht auf www.cioaward.at
Wie gut sind denn Unternehmen Deiner Erfahrung nach wirklich für die Chancen und Herausforderungen der Digitalen Transformation ausgerüstet?
Man könnte behaupten, dass einige Geschäftszweige so alt wie die Menschheit selbst sind. Das Bankengeschäft bzw. auch die öffentliche Verwaltung sind Bereiche, die seit je her existieren. Viele Unternehmen in der Privatwirtschaft existieren schon seit Jahrzenten.
Jedoch haben ein Großteil dieser Unternehmen und Organisationseinheiten einiges gemeinsam: historisch gewachsene IT-Organisationen, IT-Landschaften, IT-Architekturen, IT-Prozesse etc.
Dies heißt jedoch nicht unbedingt, dass dies ein Wiederspruch zu einer digitalen Transformation ist. Unternehmen müssen sich dabei die Frage stellen, ob Ihre IT-Organisation bzw. IT-Systeme weiterhin den Zweck des Geschäfts erfüllen. Geschäftsmodelle, Wertschöpfungsketten bzw. Abläufe und Prozesse verändern sich aufgrund von vielen Faktoren wie bsp. Veränderungen am Markt, Kundenverhalten, neue Regulatorien, Geschäftsmodell- oder auch Technologieinnovationen.
Die Herausforderungen dieser Unternehmen liegt somit in den mittlerweile höheren Veränderungszyklen. Digitale Transformationen sind konsequenterweise nicht einmalig und müssen eine Basis für eine flexible Anpassungsfähigkeit von IT- Organisation, IT-Systemen und IT-Architekturen schaffen. Die Herausforderung liegt somit dabei auch in neuen, flexiblen und innovativen Denkweisen. Die Chancen und der Nutzen von digitalen Transformationen sind jedoch dabei immens, da sie womöglich neue Geschäftsfelder, Zielgruppen und Einkommensquellen erschließen und durch Digitalisierung neue Erkenntnisse von Kunden- und Marktverhalten gewonnen werden. Der Einsatz von KI ist somit im Rahmen von digitalen Transformationen auch nicht mehr wegzudenken. Unternehmen und Organisationseinheiten stehen somit vor unterschiedlichen Herausforderungen, die Chancen sind jedoch wesentlich größer. Wie gut ein Unternehmen nun für die digitale Transformation ausgerüstet ist, kann an vielen Faktoren bemessen werden. Die digitale Transformation ist jedoch kein Kann- sondern ein Muss. Die Corona-Pandemie war hier ein gutes Beispiel. Was ich auf diesem Wege jedoch mitgeben möchte, ist, dass Unternehmen ihr Wissen konservieren bzw. auch rasch an jüngere Generationen übergeben müssen, da eine große Pensionierungswelle zusätzlich zum Fachkräftemangel bevorsteht. Wissen ist die Basis für eine digitale Transformation.
Wo liegen denn in der Praxis wirklich die Herausforderungen von Legacy IT?
Vorweg möchte ich sagen, dass Legacy IT manchmal etwas negativ behaftet ist. Viele dieser Systeme laufen bis heute einwandfrei und hoch performant. Interne Sachbearbeiter/Mitarbeiter sind aufgrund der Gewöhnung an die Systeme auch meist sehr zufrieden.
Die Herausforderungen bei Legacy IT liegen in der Praxis meist an der historisch gewachsenen IT-Architektur, der Komplexität und der Abhängigkeit sowie der Verdrahtung zu anderen Kernsystemen. Des Weiteren wurde Legacy IT oft monolithisch aufgebaut, sprich kleinere Änderungen, können große Auswirkungen im Betrieb haben. Da Legacy IT meist historisch gewachsen ist, ist man auch oft mit einem sehr heterogenen Technologie-Stack konfrontiert.
Bei einer bevorstehenden Ablöse von Legacy IT ist somit immenses Wissen innerhalb der Organisation notwendig. Dies ist oft nicht dokumentiert und liegt bei einzelnen Mitarbeitern oder Teams. Die Pensionierungswelle macht dies somit nicht einfacher, da bei einer Ablöse viele interne Ressourcen gebunden werden müssen. Auch hier kommt mittlerweile KI zum Einsatz, um das Wissen aus Legacy IT zu extrahieren.
Wie wirkt sich das auf die Attraktivität als Arbeitgeber und auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter aus?
Mehrere Faktoren tragen heutzutage zu einem attraktiven Arbeitsplatz als auch zu einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit bei. Insbesondere bei einer jüngeren Generation sind die Mobilität und Flexibilität am Arbeitsplatz wichtig. Darüber hinaus sind Weiterentwicklungsmöglichkeiten sowie frühere Verantwortungen in IT-Positionen ausschlaggebend. Ein moderner Technologie-Stack bzw. Vorgehensweisen und Methoden (wie z.B. SCRUM, Agile, SAFe) ermöglichen Weiterbildungsmöglichkeiten, Flexibilität sowie Verantwortung am Arbeitsplatz. Eine moderne IT-Organisation muss somit sowohl moderne organisatorische (z.B. flache Teamhierarchien) als auch technische Ansätze (z.B. Microservices) verfolgen, um die Attraktivität am Arbeitsplatz zu steigern. Dies fördert Innovation bei neuen Produkten und Services und ermöglicht dem Unternehmen am Markt konkurrenzfähig zu bleiben.
Wie geht man die Modernisierung der IT richtig an? Wo fängt man an? Wie findet man die richtigen Prioritäten?
Eine Modernisierung der IT erfordert ein Umdenken innerhalb des Unternehmens. In anderen Worten, die IT muss den Zweck des Geschäfts erfüllen und sich an die Ziele des Unternehmens orientieren. Viele Unternehmen richten sich heutzutage noch an ihrer eigenen IT aus bzw. Abläufe und Strukturen wurden aufgrund der damaligen Limitierungen an die IT angepasst.
Die Modernisierung sollte sich somit anhand der Wertschöpfungskette (oder auch Valuestreams) innerhalb eines Unternehmens orientieren. Auf Basis einer Vision wird der Zielzustands der IT-Organisation ausgearbeitet und eine Reihe von Maßnahmen definiert, welche für die Zielerreichung basierend auf dem Status Quo notwendig sind. Kernbereiche dieser Strategie sind die Entwicklung einer Technologievision unter Berücksichtigung der wichtigsten Funktionen, die zur Unterstützung der Geschäftsstrategie erforderlich sind, sowie die Aufbauorganisation, welche die Erreichung der gesetzten Ziele bestmöglich unterstützt.
In jedem Fall handelt es sich bei der Umsetzung einer solchen Digitalisierungsstrategie um ein Change Projekt. Daher ist es für den langfristigen Erfolg entscheidend die Mitarbeiter abzuholen und den Wandel professionell zu begleiten. Am besten gelingt das, indem insbesondere der kulturelle Wandel im Zuge der Digitalisierungsstrategie von Anfang an mit geplant wird.
Die Priorisierung der Modernisierung kann anschließend anhand von einzelnen Business Use Cases Schritt für Schritt umgesetzt werden und erfolgt anhand eines gemessenen Nutzens. Hierbei werden Applikationen und bestehende, in die Jahre gekommene IT-Architekturen im Sinne einer losen gekoppelten Architektur sinnvoll kombiniert.
Mittels einer losen gekoppelten Architektur lassen sie die Vorteile eines „green field-approach“ für neue, digitale Services nutzen. Einzelne digitale Business Use Cases lassen sich auf diese Art und Weise selbst ohne Vorarbeiten innerhalb von 6-9 Monate realisieren.
Wie sieht dabei die Rollenverteilung aus? Welche Rolle spielt der CIO dabei?
Im Rahmen von großen Modernisierungsvorhaben bzw. IT-Transformationen ist das Buy-In des Top Managements von großer Bedeutung. Die Rolle des CIOs ist es hier, die Zweckmäßigkeit sowie die Vision der Transformation innerhalb der gesamten Organisation kontinuierlich zu kommunizieren und bei Bedarf entgegenzusteuern. Eine erfolgreiche IT-Transformation geht mit einer Veränderung innerhalb der Organisation einher. Dies erfordert somit umfangreiche Change Maßnahmen, um auf das wertvolle Wissen der internen Mitarbeiter zuzugreifen, das maßgeblich zur Transformation beisteuert.
Welche Methoden gibt es dabei? Welche haben sich besonders bewährt?
IT-Transformationen sind meist langjährige Vorhaben. Während dieser Modernisierungen kann es zu maßgeblichen Veränderungen am Markt bzw. Technologieinnovationen kommen. Darüber hinaus ist die Komplexität dabei nicht zu unterschätzen. Aus diesem Grund müssen Vorgehensweisen und Methoden an das Unternehmen laufend angepasst werden. Es haben sich jedoch Methoden bewährt, die es ermöglichen, Modernisierungs-Releases in kürzeren Zyklen ins operative Tageschgeschäft zu überführen. Agile Methoden, Micro-Service- oder lose gekoppelte Architekturen und Protoyping-Ansätze haben sich hierbei bewährt, um einen raschen Verbesserungsprozess bzw. kurze Feedbackzyklen zu ermöglichen. Im Rahmen von Modernisierungsvorhaben sollte dabei die Kundenzentrierung im Mittelpunkt stehen. Aus diesem Grund ist es sinnvoll schon während der Anforderungs- bzw. der Designphase Endbenutzer bzw. Kunden miteinzubinden, um Kunden- und Endbenutzerwünsche frühzeitig zu berücksichtigen. Bei Transformationsprojekten ist es ratsam, auf Best Practices der Branche aufzusetzen und darauf aufbauend eine für das Unternehmen zugeschnittene Roadmap zuentwickeln. Wir stützen uns dabei meist auf den sogenannten „IT-Operating Model Framework“ (iTOM) und berücksichtigen unsere Erfahrungen aus zahlreichen Projektreferenzen. Ziel des iTOM ist es, mit Hilfe eines übergreifenden Models die Lücke zwischen IT und Business zu schließen und dem CIO/IT-Leiter ein wertvolles und praxiserprobtes Handwerkszeug an die Hand zu geben.
Welche Anforderungen gibt es an das Change-Management?
Das Change-Management ist im Rahmen einer IT-Transformation nicht zu unterschätzen. Zu Beginn eines Vorhabens sollten die wesentlichen Stakeholdergruppen identifiziert und Herausforderungen bzw. Bedenken frühzeitig adressiert werden. Dabei macht es oft Sinn, ein zentrales Change-Management Team zu etablieren, dass im Zuge der IT-Transformation die unterschiedlichen Stakeholdergruppen kontinuierlich begleitet und die Zweckmäßigkeit des Vorhabens kommuniziert. Veranstaltungen, Schulungen, CIO Get-together, Pulse Checks, Newsletter aber auch Aufbau von persönlichen Beziehungen insbesondere bei kritischen Stakeholdergruppen sind mögliche Ansätze.
Wie verändern sich dabei auch die IT-Organisation und das Unternehmen?
Wie bereits angedeutet, verändert sich die IT-Organisation mit der Strategie und den Zielen des Unternehmens. Organisationseinheiten, IT-Rollen, IT-Betrieb, IT- und Kommunikationsprozesse sowie auch IT-Governance sind davon betroffen bzw. müssen im Rahmen einer Veränderung zumindest mitbedacht werden. Erfahrungsgemäß müssen somit schon vor einer IT-Transformation die organisatorischen Aspekte inkl. Betrieb mitberücksichtigt werden, um das operative Tagesgeschäft nach der Modernisierung effizienzsteigernd zu ermöglichen.
Wie bewältigt man die Übergangsphase?
Übergangsphasen sind meist eine große Herausforderung im IT-Betrieb. Kurze Release-Zyklen und die rasche Inbetriebnahme von neuen IT-Services erfordern einen Parallelbetrieb mit der bestehen Legacy IT. Aus diesem Grund sollte bereits zu Beginn des Vorhabens eine Integrationsarchitektur berücksichtigt werden, um eine reibungslose Koexistenz zwischen den Systemen zu ermöglichen. Hierbei sind sowohl organisatorische als auch insbesondere technische Ansätze neu zu denken. Beispiele sind: Datenmigration- bzw. Geschäftsfallmigration, Schreib- und Leserechte im Alt- und Neusystem bzw. auch eigene Integrationsschichten zwischen den IT-Systemen. Es ist darauf hinzuweisen, dass dies oft eine eigene Analyse- bzw. Konzeptionsphase bedingt, um den individuellen Anforderungen im Betrieb gerecht zu werden. Hierbei ist es zu empfehlen, Best-Practice Ansätze zu wählen, die sich bei ähnlichen Transformationen bereits bewährt haben. Einen One-Fits-All Ansatz gibt es in diesem Fall nicht.