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Mehr Frauen für die IT – Das sagen die Studien

by Bianca Bogad-Frey

NEU im #ConfareBlog
Exklusiv im Interview: Martina Gaisch, Hochschulforscherin und Studiengangsleiterin „Design of Digital Products“

Martina Gaisch - Mehr Frauen für die IT – Das sagen die Studien - Blog Beitragsbild

Martina Gaisch ist Leiterin des Studiengangs „Design of Digital Products“ an der FH Hagenberg, Fakultät Informatik, Kommunikation und Medien. Im exklusiven Confare-Interview spricht sie mit Barbara Klinka-Ghezzo unter anderem darüber, wie die IT ansprechender für junge Frauen werden kann, welche Rolle, eine „sense of belonging“ dabei spielt und wieso Diversität das Um und Auf für eine gesunde Wirtschaft ist. Wer Confare Female IT-Mentoring Initiatorin Barbara Klinka-Ghezzo im Gespräch mit Martina Gaisch sehen will, kann sich hier die neue Folge vom Die Frauen von Hagenberg Podcast anhören.

Du leitest den Studiengang Design of Digital Products auf der Fakultät für Informatik, Kommunikation und Medien der FH in Hagenberg. Du setzt einen Schwerpunkt für Frauen, bzw. spricht der Lehrgang vor allem Frauen sehr an. Warum?

In Österreich liegt der Frauenanteil in der Informatik bei lediglich 18 % – ein Wert, der deutlich hinter der demografischen Realität zurückbleibt. Diese Diskrepanz hat mich als Hochschulforscherin dazu bewegt, dieses Themenfeld intensiver zu analysieren. Nach mehreren empirischen Studien mit tausenden jungen Frauen wurde klar: Es braucht gezielte Rahmenbedingungen, um ein IT-Studium für Frauen attraktiver zu machen. Ein neuer Ansatz in der Zielgruppenansprache, ein klares Bekenntnis zu Inklusion und Diversität, mehr weibliche Lehrende, moderne und interdisziplinär ausgerichtete Curricula sowie projektbasiertes Lernen sind dabei zentrale Hebel. Mit dem Studiengang „Design of Digital Products“ habe ich in enger Zusammenarbeit mit zahlreichen Tech-Expertinnen einen innovativen Weg eingeschlagen, der auf vielfältige Perspektiven setzt und neue Maßstäbe in der IT-Ausbildung setzt.

Dein erklärtes Ziel ist es Frauen hier eine Ausbildung und Plattform zu bieten. Wie erfolgreich gelingt das?

Wir haben es tatsächlich geschafft, den Frauenanteil an der FH Hagenberg auf über 30 % zu steigern! Im aktuellen Jahrgang von „Design of Digital Products“ zählen wir 33 Studierende, davon beeindruckende 30 Frauen. Doch der Erfolg geht weit über die reine Steigerung des Frauenanteils hinaus: Es ist uns gelungen, neue Zielgruppen anzusprechen – Menschen, die bisher wenig Berührungspunkte mit der IT hatten oder die sich zuvor nicht in ein männerdominiertes Feld wagten. Dank der aufgebauten Community fühlen sich diese Studierenden nun gestärkt und gut aufgehoben. Auch für das kommende Studienjahr deutet sich ein ähnlicher Trend an: Erneut wird der Frauenanteil voraussichtlich überdurchschnittlich hoch sein.

Interessanterweise spricht der Studiengang sehr viele Frauen an und ist interkulturell besucht. Ist das zusätzlich ein Mehrwert? Profitiert man von verschiedenen Erfahrungen und Perspektiven?

Unsere MINTality-Studie zeigt, dass sich ein Gefühl der Zugehörigkeit bei etwa 30 % der Menschen einstellt, wenn sie in einer Gruppe von zehn Personen mindestens drei Gleichgesinnte vorfinden. Dieses „Sense of Belonging“ ist zentral, denn als soziale Wesen streben wir danach, Teil eines Ganzen zu sein. Anders oder besonders zu sein, empfinden viele als belastend. Im aktuellen ersten Semester meiner Lehrveranstaltung treffe ich auf Studierende mit mehr als zehn unterschiedlichen Muttersprachen. Während diese Vielfalt in Wien vielleicht alltäglich erscheint, möchte ich darauf hinweisen, dass wir uns hier im Mühlviertel befinden – einer Region mit deutlich anderen Strukturen. Der erste Schritt in Richtung Offenheit und Diversität ist entscheidend. Ebenso essenziell ist eine authentische, gelebte Willkommenskultur. Nur so schaffen wir ein Umfeld, in dem sich alle bei uns wohlfühlen.

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Eine Vielzahl an österreichischen IT-Entscheiderinnen, sowie Frauen in Führungspositionen treffen Sie beim Confare #CIOSUMMIT Wien. Sie sind selbst Neueinsteigerin in die Branche, oder kennen eine Frau, die in die IT kommen will? Dann wäre das Confare Female IT-Mentoring doch genau das Richtige! 

Würdest Du sagen, dass Eure Fakultät, oder die ganze FH, profitiert von dem überdurchschnittlich hohen Frauenanteil?

Alle profitieren von der zunehmenden Vielfalt am Campus – er wird dadurch bunter, vielseitiger und lebensnäher. Jeder der 23 Studiengänge in Hagenberg hat seinen eigenen USP (Unique Selling Point) und richtet sich gezielt an unterschiedliche Zielgruppen. Die IT-Branche ist ein weites Feld mit einer enormen Bandbreite an Berufsbildern. Um diese Vielfalt abzudecken, braucht es Talente aus allen Bereichen der Informatik. Eines steht fest: Absolvent:innen finden mit Sicherheit ausgezeichnete berufliche Perspektiven, denn die Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften bleibt ungebrochen.

 

Jetzt kann man auf der FH Hagenberg als Frau eine technisch fundierte Ausbildung machen, bleiben die Frauen auch im Berufsleben bei Ihrer Wahl? Du hast mir vom Drehtüreffekt erzählt, darauf spiele ich an. Der Drehtüreffekt sagt ja aus, dass Frauen nach einer Zeit in männlich dominierten MINT-Branchen, lieber wieder in geschlechtstypische Berufe wechseln.

Der sogenannte Drehtüreffekt ist insbesondere in der IT-Branche ein erhebliches Problem, das dringend angegangen werden muss. Eine zentrale Frage lautet: Was können Unternehmen tun, um Frauen langfristig in männerdominierten Teams zu halten? Ein wichtiger Ansatz ist die Sensibilisierung und Förderung einer größeren weiblichen Präsenz in den Abteilungen.

Studien zeigen, dass Frauen eher in einem Unternehmen bleiben, wenn sie Kolleginnen in ihrer direkten Arbeitsumgebung haben. Sind sie hingegen die einzigen Frauen in einer Abteilung, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie den Beruf wechseln oder alternative Karrierewege einschlagen. Natürlich gibt es keine universellen Erfahrungen, doch in der Fachliteratur wird der Drehtüreffekt in der Informatik häufig mit einem toxischen Arbeitsklima in Verbindung gebracht. Dies zeigt, wie essenziell es ist, ein inklusives und unterstützendes Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem Vielfalt nicht nur akzeptiert, sondern aktiv gefördert wird.

Die Steigerung des Drehtüreffekts ist ja der Matilda-Effekt. Es ist historisch belegt, dass Errungenschaften von Frauen in der Wissenschaft geleugnet werden, den männlichen Kollegen zugeordnet und hier systematisch der Beitrag von Frauen negiert und verdrängt wird. Speziell in der Mathematik, Informatik, Physik, Chemie ist das der Fall, Gebiete bei denen Frauen maßgeblich an Entwicklungen und Forschung beigetragen haben! Das ist im 19./20. Jahrhundert zu beobachten. Was ist mit dem 21. Jahrhundert, wird es eine Wende geben?

Noch vor einigen Jahren war ich voller Zuversicht und hätte diese Frage zweifellos bejaht. Doch inzwischen sind leider gegenteilige Entwicklungen zu beobachten: Es scheint, als würde der Old Boy’s Club wieder salonfähig werden.

Dennoch gibt es auch viele männliche Verbündete, sogenannte Male Allies, die sich aktiv mit Frauen solidarisieren und ihnen eine Stimme verleihen. Gerade in Entscheidungsebenen, die nach wie vor überwiegend von Männern dominiert werden, sind solche Unterstützer essenziell. Sie tragen dazu bei, dass Frauen nicht nur gefördert werden, sondern auch sichtbar, hörbar und in ihrer Karriere vorankommen können.

Aus meiner Sicht gibt es viel Engagement auf Ausbildungsebene und im beruflichen Kontext Frauennetzwerke zu bilden, um dem ganzen entgegenzuwirken. Meinst Du ist das zu wenig großflächig, zu wenig gesellschaftlich wirksam, zu inselhaft gelöst und hat am Ende einfach zu wenig Effekt? Oder sind wir auf einem guten Weg?

Es gibt zweifellos zahlreiche Initiativen, Vorbilder und Frauennetzwerke, die beeindruckende Arbeit leisten. Doch gelegentlich entsteht der Eindruck, als stünden sie in Konkurrenz zueinander. Was es dringend braucht, ist mehr gelebte Frauensolidarität! In diesem Zusammenhang kommt mir das sogenannte Krabbenphänomen in den Sinn: die Beobachtung, dass Frauen sich manchmal gegenseitig behindern oder zurückhalten, anstatt sich aktiv zu unterstützen. Ein Umdenken hin zu einem stärkeren Miteinander wäre ein entscheidender Schritt, um gemeinsam mehr zu erreichen.

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Das Confare #CIOSUMMIT ist auch dieses Jahr wieder vollgepackt mit IT-Powerfrauen! Alle Infos zum Confare #CIOSUMMIT Wien finden Sie hier.

Bei Confare arbeiten wir vor allem daran, Frauen zu vernetzen die sich in einer männerdominierten Branche beruflich festigen und weiterentwickeln möchten. Aus meiner Sicht ist ein gutes Netzwerk essentiell und eine wichtige Investition! Gleichzeitig bieten wir Mentoring, über Brachen und Firmengrenzen hinaus an. Wie schätzt Du Netzwerk und Mentoring ein?

Das ist ein unglaublich wichtiger Ansatz, und es ist großartig, dass ihr das bei Confare unterstützt. Meine empirischen Untersuchungen zeigen, dass Role Models und Netzwerke von jungen Frauen wahrgenommen und sehr geschätzt werden. Allerdings wurde auch kritisch angemerkt, dass diese Vorbilder möglichst an den Lebensrealitäten der Mentees anknüpfen sollten. Es muss nicht immer um Rocket Science oder die absoluten Überflieger:innen gehen – oft sind es gerade die greifbaren Beispiele, wie die Projektmitarbeiterin von nebenan, die inspirieren und motivieren.

Das Motto 2025 lautet bei unseren Confare CIO Summits: Balancing in challenging times – Enabling visions. Sind es nicht gerade Frauen in der IT, die Balance schaffen und Visionen ermöglichen?

Ein hervorragend gewähltes Motto! Balance zu schaffen bedeutet, Ausgleich zu schaffen, andere Perspektiven einzunehmen und das große Ganze im Blick zu behalten. Frauen spielen dabei zweifellos eine entscheidende Rolle, da sie maßgeblich zur Vielfalt der Perspektiven beitragen.

Die Zukunft der IT liegt in der Hand all jener, die bereit sind, mutig voranzugehen und neue Wege zu beschreiten – Frauen spielen dabei eine unverzichtbare Rolle. In Zeiten der notwendigen Transformationen bringen Frauen aus meiner Sicht viel Talent, Perspektiven, Lösungsansätze und Resilienz mit, um das richtige Gleichgewicht zu schaffen. Wie siehst Du das?

Dem kann ich nur voll und ganz zustimmen: Die digitale Transformation betrifft uns alle – jeden Menschen, jede Branche und die gesamte Gesellschaft. Es wäre ein schwerwiegender Fehler, wenn nur eine kleine Gruppe über ihre Gestaltung und Richtung entscheiden würde.

In wie weit wird Technologie  Arbeit und Gesellschaft verändern? KI bring ja eine Menge Möglichkeiten auf der einen Seite und Herausforderungen auf der anderen Seite mit sich.

Technologie, insbesondere KI, wird Arbeit und Gesellschaft grundlegend transformieren: Sie schafft neue Möglichkeiten, Arbeitsprozesse effizienter und innovativer zu gestalten, birgt jedoch auch Herausforderungen wie Jobverlagerungen, ethische Fragen und soziale Ungleichheit. Entscheidend ist, wie wir diese Entwicklungen gestalten – mit Weitsicht und Verantwortung.

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