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„Derzeit leben wir auf sehr dünnem Eis“ – Reinhold M. Karner über Multiple Krisen und was sie für unsere Gesellschaft bedeuten

by Yara El-Sabagh

Exclusive im #ConfareBlog: Reinhold M. Karner über Krisen und was sie für unsere Gesellschaft bedeuten

Als DER·ERFOLG·REICH·MACHER hat Reinhold M. Karner (RMK) eine ganze Menge Hüte auf. Er ist Erfolgscoach, Unternehmensphilosoph, Unternehmensberater und Vordenker, Dozent an Hochschulen und Universitäten für Entrepreneurship, strategisches Management, ERP, KI und Digitalisierung, populärwissenschaftlicher Autor, Aufsichtsrat, Beirat sowie Ambassador für Österreich und Malta und Fellow des Think-Tanks RSA (Royal Society for Arts, Manufactures and Commerce, London, gegr. 1754). Was das ausdrückt? Reinhold hat eine bewegte Vergangenheit als IT-Pionier, Unternehmer und Denker. Außerdem ist Reinhold ein gerngesehener Gast auf den Bühnen der Confare CIOSUMMITS.

„Für mich ist Reinhold jemand, der wie kein Zweiter die Fähigkeit hat die komplexen Zusammenhänge aktueller Trends, technologischer und gesellschaftlicher Entwicklungen und den unternehmerischen Möglichkeiten aufzuzeigen.“, meint Confare Gründer Michael Ghezzo. In einem langen Gespräch haben Reinhold und Michael über die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen und Krisen gesprochen und welche Chancen und Gefahren diese für IT- und Digitalisierung-Entscheider in den Unternehmen bereithalten. Dabei ist eine Reihe von Beiträgen entstanden, die wir Ihnen in den nächsten Wochen im Blog präsentieren.

Teil 1 befasst sich mit dem Krisenhaften unserer Zeit und was das für unsere Gesellschaft und die Wirtschaft bedeutet.

Hier finden Sie Teil 2 des Interviews: JETZT LESEN

Hier finden Sie Teil 3 des Interviews: JETZT LESEN

Hier finden Sie Teil 4 des Interviews: JETZT LESEN

Themen, die auch für Sie relevant sind? Dann dürfen wir Sie zum persönlichen Austausch mit den IT-Leadern der wichtigsten Unternehmen auf die Confare CIOSUMMITs in Wien, Zürich und Frankfurt einladen.

Gegenwärtig gibt es ganz viele Themen, die unsere Gesellschaft challengen … Wie fit sind unsere Gesellschaften für die Anforderungen der Zukunft?

Reinhold M. KarnerDerzeit leben wir auf sehr dünnem Eis, keine Frage. Dies nicht nur wegen der multiplen globalen Krisen und des russischen Angriffs-Kriegs auf die Ukraine. Vieles steht infrage. Es zeichnet sich sogar ein neuer Zeitgeist ab. Maßgebliche Umbrüche sind die Folge, die Risiken sind erheblich, aber das Chancen-Potenzial ebenso.

Ich habe viel Zutrauen in unsere Gesellschaft, daher werden wir auch diese Unmenge an nunmehrigen Herausforderungen meistern. Der Mensch ist grundsätzlich resilient und sehr kreativ. Auch wenn die Menschheit und die Politik seit jeher bei den großen Dingen erst etwas verändern, wenn der Druck massiv steigt, der Hut brennt. Das ist nun der Fall.

Aber meine Antwort auf Deine Frage ist deutlich: Wir sind nicht mehr so fit, wie wir sein sollten. Wir sind träge geworden, zu bequem, zu saturiert, ziemlich „übergewichtig“, untrainiert und verwöhnt. Wir hatten schon zuvor viele Wohlstandskrankheiten, aber die globalen Krisen und ihre Folgen haben nun die Gefahr für einen Herzinfarkt auf der Risiko-Skala weit nach oben katapultiert. Der ziemlich außer Rand und Band geratene Bluthochdruck, Zuckerspiegel u. v. m. unserer Lage lässt sich an der nun nach Jahrzehnten wieder ausufernd hohen Inflation, der gigantischen neuen Staatsverschuldung und der horrenden Explosion der Energiepreise ablesen.

Spätestens bei solch einem Status quo stellt einem sein Vertrauensarzt, dessen Ermahnung zu mehr Fitness, gesünderer Lebensweise und Bescheidenheit seit Jahren ignoriert wurde, nun mit nachdrücklicher Stimme und erhobenem Zeigefinger erneut die Frage: Will man denn endlich den harten Fakten ins Auge blicken, sich aufraffen und zügig etwas ändern? Sich ein Fitnessprogramm verordnen, Verzicht üben und dieses auch diszipliniert umsetzt oder einfach so weitermachen und hoffen, dass es schon gut gehen wird?

Schon die Liste der Herausforderungen unabhängig vom Krieg in Europa ist enorm. Ob unser exzessiver, rücksichtsloser Verbrauch an Ressourcen (Erdüberlastungstag), der Klimawandel oder die zahlreichen weiteren Themen auf vielen Ebenen – in der Wirtschaft, Globalisierung, der Demokratie und Politik, des Finanz- und Sozialsystems usw.

Es ist klar, dass sich sehr vieles – ob wir wollen oder nicht – ändert, wir uns anpassen müssen und vieles zum Besseren ändern sollten. Alles andere ist eine Illusion. Die Lage ist komplex. Interessanterweise haben wir uns, bei genauer Analyse, einiges selbst eingebrockt.

Greifen wir nur das Thema der Inflation heraus. Die letzte große Inflation wurde durch die beiden Ölkrisen von 1973 und 1978 ausgelöst. Nach der damaligen Inflation herrschte diesbezüglich über 30 Jahre weitgehend Ruhe, sahen wir ein moderates Inflationsniveau. Nun ist die Inflationsrate so hoch wie seit 70 Jahren nicht mehr. Aber das jetzige Inflations-Problem ist nicht so monokausal wie in den 1970ern.

Grund dafür sind nicht nur der Arbeitskräfte- und Rohstoffmangel, der Ukraine-Krieg, die anderen aktuellen globalen Krisen, sondern, dass in der Eurozone die EZB die Geldmenge, den Geldbestand der Eurozonen-Volkswirtschaft, seit 2010 aufgrund der Finanzkrise von 2007 bis 2010 von damals rd. 1,5 Billionen Euro auf heute ungefähr 8,7 Billionen Euro vervielfacht hat, während das BIP in dieser Zeit nur um etwas über 30 % angestiegen ist. Die EZB hat die früheren Krisen einfach mit einer Vogel-Strauß-Politik versucht, mittels einer größeren Geldmenge auszusitzen, zu überdecken und damit die hoch verschuldeten Euro-Länder zu verschonen. Insofern war es ein kardinaler Fehler, nur eine Euro-Zone einzuführen, denn die wirtschaftliche Performance der EU-Mitgliedsstaaten wird niemals auf ähnlichem Niveau liegen.

Dass diese Blase, mit aus dem Nichts geschöpften «Fiatgeld», eines Tages platzen würde, uns auf den Kopf fällt, war lange klar.

Wirtschaftswissenschaftlicher, wie Prof. Dr. Dr. Hans-Werner Sinn vom ifo-Institut in München, warnten davor seit Jahren laut und deutlich. Denn auf Dauer bleibt es nicht ohne Folgen, wenn eine zu große Geldmenge auf eine deutlich kleinere Warenmenge trifft. Es bedarf nur einiger signifikanter Ereignisse, um eine Kettenreaktion auszulösen. Genau dies geschah 2021.

Zu den langfristigen Problemen mit den Nachwirkungen der Finanzkrise kamen die von US-Präsident Trump initiierten Handelskonflikte, insbesondere zwischen den USA und China, und dann traten noch zwei «schwarze Schwäne» – unwahrscheinliche Ereignisse – auf die Weltbühne, die keiner voraussehen konnte: die Covid-19-Krise und die damit einhergehende weitere Expansion der Geldmenge und Wladimir Putins Ukraine-Überfallskrieg.

Diese beiden Geschehnisse haben unsere strategisch gefährliche Abhängigkeit von anderen Ländern erst so richtig offenbart. In den ohnehin schon angespannten Lieferketten kam es zu noch mehr an erheblichen Disruptionen und die Energie-Ressourcen (Gas zur Stromproduktion) wurden knapp und sehr kostspielig.

Die Veränderungen und Umbrüche infolge all der globalen Krisen werden insgesamt enorm sein. Wir werden eine deutliche De-Globalisierung sehen, vieles an Produktionen wird erneut an andere Standorte verlagert oder regionalisiert. Investitionen in die grüne Energiewende, aber auch in die militärische Verteidigungsfähigkeit schnellen in die Höhe. Die Cluster an Wirtschaftszonen in der Welt werden sich neu sortieren, anders aufstellen und organisieren. Freund und Partner gegen Erzkonkurrenten, Nichtfreund, Feind werden hierbei eine wesentliche Rolle spielen.

Es ist für mich nachvollziehbar, wenn renommierte Experten wie Prof. Dr. Hermann Simon nun davon ausgehen, dass uns eine hohe Inflation wahrscheinlich noch etwa 10 Jahre lang begleiten dürfte, so wie es in den 1970er-Jahren bereits der Fall war.

Dabei ist schon die „normale, moderate“ Inflation in ihren Auswirkungen nicht zu unterschätzen. So haben unsere Währungen in vergangenen 30 Jahren (der Euro wurde 1999 eingeführt) etwa 40 % ihrer Kaufkraft verloren. Der US-Dollar hat, seit US-Präsident Richard Nixon die Spielregeln der Weltwirtschaftsordnung der Nachkriegszeit 1971 änderte, um den Vietnamkrieg zu finanzieren, indem er die Goldwertkonvertibilität (den Goldstandard) aufkündigte, damit den „Nixon-Schock“ auslöste, bis Ende 2021 immense 84,9 % seiner Kaufkraft verloren.

Dabei wäre eine Inflation nicht unvermeidlich. Denn vor der Abschaffung des Goldstandards waren die Regierungen zur Disziplin im Umgang mit dem Geld gezwungen, und daher gab es in den Jahren von 1680 bis 1930 zwar ein ständiges Auf und Ab zwischen steigenden und fallenden Preisen (Inflation/Deflation), aber das glich sich über die Jahre aus, und so lag die Inflation damals bei durchschnittlich null Prozent.

Insofern sollte uns heute klar sein, dass die nunmehrige Gesamtlage auch unseren Wohlstand großflächig merklich abschmelzen lassen wird.

Dieser Link führt Sie zu Reinhold M. Karner’s „RMK-Denkwerkstatt“: https://www.rmk.org/de/denkwerkstatt

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