Tina Deutsch, Co-Founderin & Managing Partnerin bei KLAITON, hat es gewagt! Was sie dem weiblichen Nachwuchs rät? Mehr Mut und Motivation! Es ist an der Zeit, mit dem Start-up-Mythen aufzuräumen, die (Frauen) eher abschrecken als ansprechen.
Im Blog erzählt sie uns über ihren Weg in die Start-up Szene, warum für junge Frauen vor allem Vernetzung und Vorbilder wichtig sind, und welche Rahmenbedinungen sie sich von der Gesellschaft wünscht.
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Frauen sind in der Start-up-Szene selten. Warum haben Sie sich für diesen Weg entschieden?
Für mich war die Entscheidung relativ leicht. Ich bewege gerne etwas, ich baue Dinge auf, setze Dinge um. Auch als Angestellte habe ich immer schon unternehmerisch gedacht und gehandelt. Als wir KLAITON gegründet haben, hatten wir eine Idee, von der wir überzeugt waren. Wir wussten, eine digitale Plattform kann in der nach wie vor sehr analog funktionierenden Beratungsbranche sicher viel bewegen. Ich wollte für mich und andere ein modernes Arbeitsumfeld schaffen, in dem flexibles, zeitgemäßes Arbeiten möglich und auch von den Rahmenbedingungen her attraktiv ist – sowohl für die BeraterInnen und Coaches, die wir vermitteln, als auch für unsere MitarbeiterInnen.
Welche Erfahrungen haben Sie bisher in der Start-up-Szene gemacht? Werden Frauen akzeptiert?
Ich denke, wir in Europa leben glücklicherweise schon recht lange in einer Welt, in der Frauen überall “akzeptiert” werden. Die Frage ist eher, werden sie auch motiviert? Muss man wirklich in jedem Start-up, das erfolgreich ist, 60 Stunden und mehr pro Woche arbeiten? Geht es immer darum, “knallhart” zu sein? Ist ein Tischfußballtisch im Büro das ultimative Zeichen für Freiheit? Ich glaube, es gibt viele Start-up-Mythen, die Frauen eher abschrecken als ansprechen. Start-up bedeutet aber in erster Linie, dass man für eine Idee brennt und sein Ding macht – und zwar auf seine eigene Art. Wer bei uns ins Büro kommt, sieht einen sehr hohen Frauenanteil, mehr als die Hälfte – und keinen Tischfußballtisch. Wir ziehen hochintelligente, sehr unternehmerische Frauen (& Männer) an – und das, weil wir aktiv ein motivierendes Arbeitsumfeld gestalten – manche “Start-up-Klischees” erfüllen wir dabei, weil wir voll dahinterstehen, manche nicht.
Gibt es einen Unterschied zwischen GründerINNEN und ihren männlichen Kollegen?
Viele Menschen gehen davon aus, dass Frauen naturgegeben völlig unterschiedliche Business-Kompetenzen haben als Männer – dass Frauen beispielsweise besser sind in der Entwicklung und im Motivieren anderer, im Beziehungsmanagement, im Teamwork. Wenn man sich Studien ansieht, gibt es in der Tat ein paar Kompetenzunterschiede zwischen Frauen und Männern; die größten Unterschiede, wo Frauen „besser“ abschneiden, liegen interessanterweise aber v.a. bei Kompetenzen wie „Initiative ergreifen“ und „ergebnisorientiert arbeiten“. Unabhängig von solchen Studien ist meine eigene Beobachtung: Die Unterschiede zwischen einzelnen Gründerinnen oder auch einzelnen Gründern sind größer sind als die pauschalen Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Gründern im Gruppenvergleich. Wie sich ein/e GründerIn gibt, hängt von den Lebensumständen, von der familiären Unterstützung, vom Alter, und von noch vielen anderen Faktoren ab – egal, ob Mann oder Frau.
Der Anteil an GründerINNEN liegt in Europa bei knappen 15 %. Was braucht es, um diesen Anteil zu erhöhen?
Puh, da fällt mir viel ein. Ein guter Start wäre es, unseren Kindern Mut zu machen, von klein auf Dinge auszuprobieren. Ein bisschen mehr Chemiebaukästen als Prinzessinnen verschenken wäre auch nicht schlecht. Und Schulen, in denen Unternehmertum gefördert und als ganz normale Karriereentscheidung aufgezeigt wird. Für junge Frauen braucht es vor allem Vernetzung untereinander und mit Vorbildern, die den Weg schon gegangen sind. Sei es durch Mentoringprogramme wie das der Female Founders, in Frauennetzwerken, oder durch andere Initiativen.
Was sind die größten Herausforderungen für GründerINNEN? Welche Hürden gibt es?
Ganz ehrlich: Herausforderungen: Viele. Hürden: Keine. Dieses Mindset halte ich für sehr, sehr wichtig. Herausforderungen kommen permanent auf einen zu: Wird mein Produkt/meine Idee am Markt angenommen? Wie gestalte ich den Arbeitsvertrag mit meinen ersten MitarbeiterInnen? Wie finde ich InvestorInnen? Die Liste ist endlos. Wir haben fünf Monate nach Firmengründung ein paar Dinge zusammengeschrieben, diese Themen kommen wohl auf mehr oder weniger jede/n GründerIn zu. Heute sind diese Fragen für uns zu Basics geworden und wir stehen vor völlig anderen Herausforderungen, aber das waren damals, ganz am Anfang, unsere Themen. Hätten wir eine einzige dieser Herausforderungen als (unüberwindbare) Hürde betrachtet, gäbe es uns heute nicht mehr.
Wo sehen Sie gesellschaftlichen Handlungsbedarf?
Bereits kleine Mädchen werden anders behandelt als kleine Buben. Ich merke das tagtäglich durch die Stereotype, denen meine Tochter regelmäßig ausgesetzt ist. Mädchen sind gemäß dieser Stereotype ruhiger, lieber, fürsorglicher, vorsichtiger, nachdenklicher, braver, angepasster, etc. Das sind nicht gerade die besten Voraussetzungen fürs Unternehmertum. Ich selbst bin in einem Umfeld aufgewachsen, in dem ich viele erfolgreiche, starke, selbstbewusste und unabhängige Frauen um mich hatte – und auch einen Vater, der mich exakt gleich behandelt hat wie meinen Bruder. Das hat mich sicher nachhaltig geprägt. Kindergärten sollten – bei all dem Wissen um einige grundsätzliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen bzw. Mädchen und Buben – diese Unterschiede nicht noch verstärken, sondern Kindern viele Möglichkeiten aufzeigen und sie selbst entscheiden lassen, wer sie sind und was sie interessiert, anstatt sie in bestimmte Rollenbilder zu zwingen. Und das gilt für Buben genauso wie für Mädchen.
Hinzu kommt bei Frauen oft das Gefühl (und die gelebte Realität), für Kinder, Arztbesuche, Geburtstagsgeschenke – sprich die Sozial- bzw. Familienarbeit – hauptverantwortlich zu sein. Mein Mann und ich teilen hier 50/50 – alles andere wäre für uns seltsam. Ich denke, es wäre wichtig, als Gesellschaft unsere Männer darin zu bestärken, dass eine solche 50/50-Teilung für sie selbst, ihre Frauen und für uns alle am besten ist – und dafür die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen.
Und zu guter Letzt: Viele Frauen, die ich kenne, fühlen sich in ihren Zwanzigern noch zu jung und unerfahren, um ihr eigenes Unternehmen zu gründen – und sobald sie dort sind, wo sie bereit wären, denken sie an Familienplanung und glauben nicht daran, dass die Kombination Start-up und Familie realistisch umsetzbar ist. Ich weiß aus eigener Erfahrung, es ist möglich – hier braucht es aber noch viel mehr Unterstützung seitens des Staates, vor allem in Bezug auf hochqualitative Kinderbetreuung bereits für Kleinkinder.
Welche Tipps würden Sie Frauen mit auf den Weg geben, die ein Start-up gründen möchten?
Selbst auf die Gefahr hin, dass es abgedroschen klingt: Mach es einfach. Was soll schon passieren? Wir sind in Europa in der privilegierten Situation, dass wir ein ziemlich gutes Auffangnetz haben. Im schlimmsten Fall sucht man sich eben wieder einen Job. Und die Erfahrung nimmt einem niemand mehr weg. Also: Augen zu und durch!