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Trotz Digitalisierung: Genug Arbeit für alle

by Annecilla Sampt

Sein Bestseller „Geschichte der Zukunft“ ist mittlerweile in der 11. Auflage erhältlich. Erik Händeler wirft einen Blick auf die Ursachen wirtschaftlicher Zyklen in der Vergangenheit und gestaltet als Zukunftsforscher eine Perspektive darauf, wie sich Ökonomie und Unternehmen weiterentwickeln werden. Dabei verwirft er die Schreckensszenarien von Digitalisierungspropheten. Weder ist er der Meinung, uns drohe ein rasanter Anstieg der Arbeitslosigkeit noch hält er ein bedingungsloses Grundeinkommen für eine zukunftsträchtige Idee.

Er ist Stammgast als Keynote Speaker bei den Confare Events und wird bei Confare #IDEE2020 darüber sprechen, welche Auswirkungen seelische und körperliche Gesundheit auf den Erfolg im Digitalen Business haben. In seinem Blogbeitrag verrät er uns, warum wir uns nicht davor fürchten müssen, dass uns die bezahlte Arbeit abhandenkommt.

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Arbeit ist, Probleme zu lösen. Und weil wir immer Probleme haben werden, wird uns auch niemals die bezahlte Arbeit ausgehen. Zugegeben: Elektronisch gesteuerte Maschinen übernehmen den größten Teil der materiellen Arbeit, Computer die strukturierte Informationsarbeit wie Gehaltsabrechnung, Telefonvermittlung und Robotersteuerung. Was aber wächst, ist die Arbeit am Menschen, die kleinteilige materielle Arbeit – Küche und Bad werden auch weiterhin von Handwerkern saniert -, sowie vor allem das Anwenden von Wissen: Planen, organisieren, beraten.

Es geht um Orientierungswissen

DigitalisierungWer ein Thema im Internet sucht, bekommt Daten. Aber er muss in der Lage sein, sie zu deuten und zu gewichten. Dazu benötigt er Orientierungswissen und Erfahrung. Zahllose Softwareprojekte enden als „Schrankware“, weil der Programmierer keine Ahnung hat von den Informationsprozessen in der Firma, sich der Mittelständler nicht verständlich ausdrückt und ihm ständig neue Wünsche einfallen – sie landen im Schrank, eben als „Schrankware“. Das ist keine Frage von technischer Machbarkeit, sondern der Kommunikation und des Denkens.

Das Produzieren fällt bei vielen Gütern finanziell weniger ins Gewicht als sie zu entwickeln, zu designen und zu vermarkten. Dieses Arbeiten mit Wissen macht den größten Teil der Kosten aus. Die Wirtschaft wächst dadurch in die gedachte Welt hinein – und dort gibt es keine Grenzen des Wachstums.

Natürlich gibt es materielle und ökologische Grenzen des Wachstums – bei „Dingen“ wie Autos oder Kühlschränken, aber nicht für den Umgang mit Wissen. Ob jemand arbeitslos zu Hause herumsitzt, oder zu Hause herumsitzt und Folien designt, recherchiert oder ein Beratungskonzept entwirft – für den Ressourcenverbrauch spielt das kaum eine Rolle. Wenn es gelingt, eine nachhaltige Energieversorgung aufzubauen, dann kann die immaterielle Wertschöpfung ins potentiell grenzenlose wachsen.

Arbeit auch für formal geringer Qualifizierte

Auch für formal Geringqualifizierte gibt es in Zukunft Wissensarbeit, etwa in dem begrenzten Bereich, ein neues Handy zu erklären – dafür muss jemand nicht Elektrotechnik studiert haben. Und wo im Bauboom Elektriker zur Mangelware geworden sind, werden Langzeitarbeitslose in Dreimonatskursen zum Bauelektriker-Helfer ausgebildet. Während also der teure Bau-Elektriker mit einem Kreidestrich den Leitungsverlauf in den Rohbau zeichnet, kommt der Helfer mit der Fräsmaschine und schneidet die Fuge für die Leitung – und entlastet ihn um weit über die Hälfte seiner Zeit. Den jeweils höher Gebildeten die Routinearbeiten abnehmen – das ist eine der Zukünfte der Arbeit für die mit weniger formaler Qualifikation. Zwar registrieren wir besorgt die vielen unbesetzten Stellen im Bereich der Fachleute, und sehen auf das Prekariat, dass diese Anforderungen nicht erfüllt. Die Lösung wäre, wenn sich alle dafür verantwortlich fühlen würden: Wenn sich jeder eine halbe Stufe höher qualifiziert – wenn der Hof-Feger zum angelernten Arbeiter wird, der Angelernte doch noch eine Ausbildung macht und der Geselle den Techniker usw. – dann bekommen wir einen Sogeffekt, der die unteren Bildungsschichten ins Erwerbsleben integriert und der Gesellschaft hilft, die offenen Stellen an der obersten Sprosse der Kompetenzleiter zu besetzen.

Positive Visionen ermöglichen den Wandel

Diese positiven Visionen sind wichtig, um den Wandel zu gestalten. Nun reagiert das menschliche Gehirn eher auf schlechte Nachrichten. Wahrscheinlich war es in der Savannenwelt der Steinzeit ein Überlebensvorteil, ständig auf mögliche Gefahren zu achten. Und ja, die Leiden des 30jährigen Krieges und der Bombenkrieg mit Flucht und Hunger im Zweiten Weltkrieg gehören gerade in Deutschland zu dem Unausgesprochenen und Unbewussten, das weitervererbt wird und uns auf mögliche Katastrophen schauen lässt. So haben die nassforschen Ellenbogen-Propheten ein leichtes Spiel auf den Kongressbühnen der Verbände und Unternehmen, wenn sie erzählen, dass bald 40 Prozent der Arbeitsplätze wegbrechen werden und alle untergehen, die ihm nicht folgen. Das mag so leicht verständlich sein wie Katzenvideos auf Facebook. Vom Inhalt mal ganz abgesehen: Denn nur mit mehr Digitalisierung gibt es mehr Arbeit als vorher. Das Problem mit diesen Weltuntergangsrednern ist, dass sie Angst verbreiten und eine Stimmung, die die Menschen sich vor der Zukunft fürchten lässt. Sie gehen dann in Abwehrhaltung, entsolidarisieren sich und werden zu rücksichtslosen Darwinisten wie auf dem sinkenden Schiff im Kampf um einen Platz im Rettungsboot. Nur mit positiven Bildern von der Zukunft, die nebenbei auch noch die realistischen sind, werden die Menschen die Kraft haben, den Wandel zu gestalten und sich zusammenzuschließen, um überindividuelle Probleme anzugehen.

Denn die historische Wahrheit ist: Nur weil die Dampfmaschine half, Pumpen anzutreiben, die die Bergwerke entwässerten, war es möglich, mehr Erz und Kohle hoch zu schaffen. Nur weil die Eisenbahn die frische Milch von glücklichen Kühen aus dem Allgäu in die boomende Industriestadt Augsburg transportierte, war es möglich, dort ein Heer von Industriearbeitern mit ausreichend Lebensmitteln zu ernähren. Und nur weil nicht mehr das Fräulein vom Amt Telefongespräche vermittelt wie in den 1920ern, sondern der Computer, ist telefonieren für jeden erschwinglich, ja fast kostenlos geworden. So ist das meiste an Digitalisierung, was als „Sau“ durchs Dorf getrieben wird, letztlich nur eine nachholende Digitalisierung, die vor zehn Jahren auch schon möglich war, aber bislang verschlafen wurde. Und vieles, was als künstliche Intelligenz verkauft wird, ist lediglich ein Programm, das die explodierte Datenmenge besser auswerten kann. Auch Industrie 4.0, die internetbasierte Produktionsweise, betrifft nur eine Minderheit von Beschäftigten. Dabei haben wird gar keinen Mangel an Dingen. Die meisten von uns wohnen in Häusern oder Wohnungen, die gestopft voll sind von Zeug, von unten im Keller bis oben unters Dach, über drei Generationen angesammelt. Statt an Dingen haben wir einen Mangel an Qualität, an Entwicklung, an Beratung, an Gesundheit; wir haben einen Mangel an immateriellen Produkten!

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Die berechtigten Interessen der anderen

Deswegen gehen die techniklastigen Diskussionen an der Wirklichkeit vorbei: Der Wohlstand entscheidet sich an der Frage, wie produktiv Menschen Wissen anwenden, und zwar nicht als Individualisten, sondern als Gruppe. Drei mittelmäßige Leute, die gut genug zusammenarbeiten, sind bedeutend produktiver als ein Super-Crack, bei dem es leider nicht gelingt, die Ergebnisse der Arbeitsteilung zusammenzuführen. Produktivität ist das Schlüsselwort für alles: Neue Arbeitsplätze entstehen nicht dort, wo die Löhne niedrig sind (dann müsste ja in Bangladesch Vollbeschäftigung sein!), sondern dort, wo Menschen im Umgang mit Wissen ausreichend produktiv sind. Wo die Produktivität am meisten voranschreitet, dort sinken die Kosten, wachsen die Gewinnmargen. Wo mehr Gewinn erwirtschaftet wird, wird mehr investiert, mehr unternommen, mehr Schulden aufgenommen. Dann steigen dort die Zinsen und locken das Kapital an, das weiteren Wohlstand ermöglicht. Das ist der Kern der aktuellen Wettbewerbsfähigkeit: Kapital kann sich jeder Unternehmer leihen, und sei es in Saudi-Arabien. Jeder Unternehmer kann weltweit jede Maschine und Anlagen für sich einkaufen. Jeder kann einen Spezialisten in Paris ein paar Stunden mieten, sich das Wissen der Menschheit aus dem Internet holen, seine Produkte dort vermarkten. Der einzige, der entscheidende Standortfaktor wird die Fähigkeit der Menschen vor Ort, mit Wissen umzugehen. Und das ist immer der Umgang mit anderen, die man unterschiedlich gut kennt und mag, und mit denen man unterschiedlich viele, berechtigte Interessenskonflikte hat. Die Kultur, das auszukarteln, bestimmt letztlich die Produktivität und damit, wie viele Arbeitsplätze in einer Gesellschaft rentabel sind. Das ist die Diskussion, die wir jetzt eröffnen sollten.

Erik Händeler ist Spezialist für lange Kondratieff-Konjunkturzyklen und Autor von „Die Geschichte der Zukunft“ in 11. Auflage 2018.

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