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Horst Ulrich Mooshandl, Österreichische Post AG, Von reaktiv zu proaktiv: Die IT-Strategie der Österreichischen Post im Fokus
Unsere jüngste Recherche für das Factsheet „Proactive IT“ in Zusammenarbeit mit Lakesidesoftware bietet faszinierende Einblicke in moderne IT-Organisationen. Wir haben Gespräche mit führenden IT-Entscheidungsträgerinnen und -trägern sowie ausgezeichneten CIOs aus dem Confare-Netzwerk geführt.
Die Rolle der IT bei der Österreichischen Post hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Als treibende Kraft hinter der Digitalisierung und Innovation, spielt die IT-Abteilung unter der Leitung von Horst Ulrich Mooshandl, dem CIO der Österreichischen Post, eine zentrale Rolle in der Weiterentwicklung des Unternehmens. In einem Interview erläutert Mooshandl, was eine proaktive IT ausmacht und wie diese zur Transformation der Österreichischen Post beiträgt.
Horst Ulrich Mooshandl und etwa 700 hochkarätige IT-Entscheider*innen und Branchenprofis trifft man auf dem Confare CIOSUMMIT Wien, dem wichtigsten IT-Management Treffen Österreichs. Hier werden die IT-Manager*innen des Jahres mit dem Confare #CIOAWARD ausgezeichnet. Hier geht es zu Einreichung und Nominierung.
Was macht eine proaktive IT wirklich aus? Welche Rolle spielst Du als CIO dabei?
Die Österreichische Post benötigt eine starke und proaktive IT, um den Transport der jährlich deutlich steigenden Anzahl an Paketen erfolgreich zu bewerkstelligen. Dazu verarbeitet die Post jedes Jahr mehrere Milliarden Tracking Events und setzt neben einem hohen Anteil an eigenentwickelter Software auf modernste Cloud-Technologien, um skalierbar zu bleiben.
Dazu kommt die Breite unseres Geschäfts, neben der Logistik von Österreich bis in die Türkei, betreiben wir ein Werbe- und Dokumenten-Verarbeitungs-Business, eine Bank, und rein digitale Geschäfte wie die ACL, unser Digital Competence Center für den E-Commerce. Dazu kommt, dass eine Reihe unserer operativen Themen in sich eine Größe haben, die ausgegliedert eigene relevante Unternehmen wären. Denken Sie zum Beispiel an unsere Immobilien oder unseren Fuhrpark. Im Mittelpunkt steht die immer engere Vernetzung von digitaler und physischer Welt, die viele Services überhaupt erst ermöglicht, wie etwa die Umleitung von Paketen.
Eine proaktive IT ist in der Mitte des Unternehmens, Partnerin für alle Bereiche mit einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe und geprägt von einem gemeinsamen Ziel und einer gemeinsamen Vision. Ich halte die nach wie vor gängige (auch sprachliche) „Trennung” von IT und „Business” für problematisch. Ein CIO sollte Facilitator und „trusted ally” für das Management sein.
Der Auf- und Ausbau von Vertrauen und Verständnis, gepaart mit dem technologischen Know-How soll dazu beitragen, die IT im Herzen des Unternehmens zu verankern. Zudem braucht es bedingungslosen Willen mit Menschen unabhängig von Hierarchie, Status und Herkunft nach Lösungen zu suchen und ständig an der Kultur zu arbeiten. Ein CIO in einem Unternehmen mit derart hoher Technologieabhängigkeit muss in der Seele Unternehmer sein.
Wo sind die wichtigsten Handlungsfelder, um eine IT von einer reaktiven IT zu einer proaktiven IT zu verändern?
Die Österreichische Post entwickelt sich immer mehr auch zu einem Technologieunternehmen. Sowohl was Software, Infrastruktur, Daten aber auch die zunehmende Verschmelzung von IT und OT betrifft. Daher investieren wir konsequent in den Auf- und Ausbau unserer Fähigkeiten. Innovation funktioniert nur wenn das Unternehmen funktionsübergreifend an einem Strang zieht.
Aktuell haben wir neue Handhelds für über 11.000 Zusteller*innen mit neuer Hard- und Software ausgerollt, erneuern unser Corporate Network grundlegend und arbeiten an zukunftsfitten Schalterlösungen.
Im Backoffice-Bereich steht S/4 HANA vor der Tür – die technische Totalerneuerung unserer SAP-Landschaft. Es gibt eine Vielzahl an Innovationen im Bereich Künstlicher Intelligenz. Bei KI gilt es für die IT, dieses Feld aktiv zu gestalten ohne dabei Projekte um der Projekte willen zu machen aber auch nicht den Fehler zu machen, leichtfertig über einen „Hype” zu reden, was KI definitiv nicht ist.Im Kern ist es die Haltung eine Agenda zu entwickeln, die spürbar macht, dass sich das Unternehmen ohne pro-aktiver IT nicht gleichwertig entwickeln würde. Das ist aber kein Selbstläufer.
Welche Bedeutung haben Nachhaltigkeit, Innovationsbereitschaft und Human Experience dabei?
Nachhaltigkeit ist ein fundamentaler Bestandteil der Strategie des Konzerns. Die Österreichische Post war eines der ersten Unternehmen in der Branche und industrieübergreifend, das bereits vor mehr als 10 Jahren die CO2-neutrale Zustellung umgesetzt hat und nun an der CO2-freien Zustellung arbeitet.
Was damals vielleicht noch vereinzelt belächelt worden ist, ist heute ein Wettbewerbsvorteil. Wir sind im Bereich der Elektromobilität führend und haben als eines der ganz wenigen Unternehmen verpflichtende Nachhaltigkeitskritieren für große Beschaffungsentscheidungen.
Die Grundlage für Innovation ist immer noch der Mensch. Allein in Österreich nutzt die Post über 850 IT-Anwendungen und zählt damit zu den am stärksten digitalisierten Unternehmen des Landes. Digitalisierung und Innovationskraft wird für das Unternehmen strategisch immer wichtiger, daher bauen wir auch die Anzahl unserer IT-Mitarbeitende stetig weiter aus.
Die Österreichische Post beschäftigt konzernweit über 1.000 Mitarbeiter*innen im IT-Bereich und zählt damit zu den führenden Unternehmen im ATX in Bezug auf Digitalkompetenz. Am ehesten greifbar wird das für unsere Endkund*innen durch unsere Onlineservices, speziell in unserer Post App. Das aktuellste Highlight ist die Vorzimmerzustellung, die ohne einer gesamtheitlichen Digitalkompetenz nicht realisierbar gewesen wäre.
Mittelfristig werden wir aus meiner Sicht nicht mehr über IT sondern über Technologie sprechen, ein wesentlich breiteres Feld mit einer Verschmelzung aus IT, OT und Robotik. Diese Transformation gut zu begleiten und dabei eine noch stärkere Interaktion zwischen Menschen und Maschine zu fördern, wird ein wichtiger Schwerpunkt.
Wie verändern sich IT-Organisation und IT-Strategie dabei?
Die Ausrichtung der IT an den Produkten und Prozess-Strängen des Unternehmens und die verstärkte interdisziplinäre Zusammenarbeit sind zentrale Ziele in unserem Strategieprogramm IT@Post. 2022 haben wir als Evolutionsschritt die bisherige, funktional ausgerichtete IT-Organisation konsequent zu einer Plattformorganisation, die sich an unseren Produkten und der Wertschöpfungskette orientiert, weiterentwickelt. Eine Organisationsform mit höchstmöglicher Prozessnähe aber immer das große Ganze im Blick.
Dadurch fördern wir die End-to-End-Verantwortung über den gesamten Lebenszyklus von IT-Services bei gleichzeitiger Sicherstellung, dass wir uns als Unternehmen gesamtheitlich entwickeln und nicht neue Silos begünstigen. Damit hat die IT auch einen kulturellen Beitrag der über technische Fragen hinausgeht.
Mit „IT@Post“ haben wir einen strategischen Rahmen geschaffen, um angeknüpft an die Unternehmensstrategie, zukunftsrelevante IT-Vorhaben zu adressieren. Der Fokus dabei liegt in der Bündelung von unterschiedlichen IT-Initiativen, eingebettet in eine digitale Roadmap und drei strategische Säulen, die gemeinsam die Zielrichtungen der IT-Strategie abbilden. Auf diese Art und Weise wird sichergestellt, dass sowohl langfristige strategische Ziele erreicht werden als auch genügend Agilität zur Adressierung kurz- und mittelfristiger Chancen besteht.
Welche Anforderungen gibt es an IT-Infrastruktur und IT-Architektur um die Rolle einer proaktiven IT spielen zu können?
Die IT-Infrastruktur muss anpassungsfähig sein, um mit den sich ändernden Anforderungen des Unternehmens zu wachsen. Eine ständige Verfügbarkeit der Systeme und ein hohes Maß an Skalierbarkeit sind unerlässlich, damit die Geschäftsprozesse bestmöglich unterstützt werden und die Technologie zukunftsfit bleibt. Die IT-Architektur muss Datenintegrität und -sicherheit gewährleisten und den rechtlichen Vorschriften entsprechen.
Außerdem muss eine nahtlose Integration verschiedener Systeme möglich sein und das Einbeziehen neuer Technologien wie KI und IoT holistisch betrachtet werden. Das, was wir technologisch machen, definiert was an Zukunftsvisionen für unser Geschäft möglich ist. Damit respekt- und verantwortungsvoll umzugehen ist erfolgskritisch.
Unsere Bemühungen in diesem Bereich wurden heuer u.a. mit der Auszeichnung durch den EAM Award (Enterprise Architecture Management) belohnt. Ausgezeichnet wurde die Post für ihren Ansatz des Domain Driven Enterprises in der Kategorie „Erfolgreiche Unternehmenstransformation mit EAM“.
Welche Tools, Mechanismen und Methoden haben sich bewährt um die Bedürfnisse und Wünsche der Mitarbeiter*innen an eine proaktive IT zu verstehen?
Die oben beschriebenen strategischen Leitplanken der Post-IT wurden im Jahr 2019 neu definiert und seitdem kontinuierlich weiterentwickelt. Mit dem Eigenanspruch laufende Verbesserungen erbeizuführen, geht auch ein ständiges Lernen und kontinuierliches Challengen des Status Quo einher.
Daher unterziehen wir uns regelmäßig qualitativen und quantitativen Benchmarks mit vergleichbaren Unternehmen national wie international. Dazu gehört auch ein bereits mehrfach durchgeführtes IT Maturity Assessment von Gartner. Die Ergebnisse daraus geben uns Bestätigung, dass sich viele Initiativen aus jüngster Vergangenheit positiv auf den Gesamtreifegrad ausgewirkt haben. Wir gleichen auch ab, ob uns unsere strukturellen Initiativen näher an die Benchmarks bringen oder nicht.
Die Österreichische Post wurde außerdem kürzlich in Hamburg mit dem anerkannten IT Excellence Benchmark auf Platz eins ausgezeichnet. Dazu werden die Anwender*innen nach den Stärken und Schwächen der jeweiligen IT befragt, wonach diese miteinander vergleichen werden. In den Jahren 2019 bis 2021 war die Österreichische Post immer unter den Top drei, nach 2019 konnte sie auch 2023 den ersten Platz erreichen. Das zeigt: Wir sind sehr nahe an unseren Mitarbeitenden und bekommen sehr regelmäßig Feedback.
Was macht das Erlebnis des Anwenders am digitalen Arbeitsplatz aus? Wie kann eine proaktive IT dazu beitragen und das gestalten?
Zunächst gibt es „den“ digitalen Arbeitsplatz bei uns nicht. Es gibt das Arbeitsumfeld für unsere über 10.000 Zusteller*Innen, deren Handhelds und das dazugehörige Backoffice. Dann gibt es unsere ca. 350 Filialen und in Österreich rund 1.350 Post Partner, die wir ebenfalls supporten, sowie unsere großen Logistikzentren, Zustellbasen und die klassischen Verwaltungsbereiche. Wir versuchen für diese Umgebungen einen maßgeschneiderten, sicheren digitalen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und den sweet spot von angepasster Lösung und Wirtschaftlichkeit zu finden und dabei immer den Gedanken „Mobile First“ folgend.
Der digitale Arbeitsplatz ist für Mitarbeiter*innen in einem Unternehmen ab der ersten Sekunde des Onboardings relevant. Je friktionsfreier dieser Kontakt abläuft und je besser sich die Kolleg*innen unterstützt fühlen, desto stärker ist auch die initiale Bindung zum Unternehmen.
Eine proaktive IT kann durch guten Support und Schulungen der Mitarbeiter*innen positiv punkten. Selfservice sowie ein gut funktionierender First Level Support sind hier besonders erfolgskritisch. Und weil wir einen First Level Support haben möchten, der reale Arbeitsumgebungen versteht, haben wir den gesamten First Level Support intern aufgebaut. Das klingt auf den ersten Blick nicht automatisch modern, aber ein*e Zusteller*in oder ein*e Filialmitarbeiter*in der*die gerade ein Problem hat, beeinflusst in diesem Moment auch direkt das Kund*innenerlebnis und die Mitarbeiter*innenzufriedenheit. Daher ist der Umwegnutzen eines guten Supports größer, als nur die Kosten der Tickets.
Wie wirkt sich diese proaktive Rolle auf die Zusammenarbeit mit Geschäftsführung und Fachabteilungen aus?
Wichtiger Teil unserer IT-Strategie ist es, auf der einen Seite das Geschäftsverständnis in der IT zu stärken und gleichzeitig auch das Technologie-Know-How in den Business-Bereichen auszubauen. Die totale Verschränkung der IT mit dem Business und dabei eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe, um gemeinsam Wert durch digitale Lösungen zu schaffen und neue Geschäftsmodelle zu gestalten, steht dabei an oberster Stelle. Das beginnt bei der Art der Zusammenarbeit mit Vorstand und Top Management, soll und muss sich aber auf jede Interaktion beziehen.
Wie wirkt sich das aus? Positiv auf alle wesentlichen Erfolgsfaktoren eines IT-Geschehens: Stabilität, Erfolgsrate der Projekte und die eine oder andere Entscheidung um Finanzierung und Staffing. Ist jetzt alles perfekt? Nein wir alle machen Fehler, nicht alles gelingt, aber letztendlich zählt die Österreichische Post AG international zu den erfolgreichsten und modernsten Post-Gesellschaften und das wäre ohne diesem Mindset deutlich schwerer, wenn überhaupt erreichbar – nicht umsonst steht bei uns #zusammenbringen ganz weit oben.