Andreas Meyer-Falcke (langjähriger CIO) – Was für ein Segen, diese – gar nicht mehr – neuen Medien

Die KI-K Initiative – eine Gruppe von IT-Professionals und CIOs rund um Dr. Anke Sax und Prof. Dr. Katja Nettesheim. Sie möchten der Allgemeinheit durch ihr Engagement zu mehr KI-Kompetenz verhelfen. Alle Infos zur Initiative, Teilnehmer*innen und Ziele finden Sie unter www.ki-k.org/
Auch Andreas Meyer-Falcke – ehemaliger Beigeordneter für IT der Landeshauptstadt Düsseldorf & Langjähriger CIO – meldet sich in unserem Blogbeitrag zu Wort. In diesem zweiteiligen Artikel spricht er über den Einfluss der Digitalisierung auf unsere Demokratie und wieso KI-Kompetenz für ein Bestehen dieser unabdingbar ist.
Wie verändert die Digitalisierung die Grundlagen unserer Demokratie, und welche Chancen siehst Du, um diesen Wandel positiv zu gestalten?
In Artikel 20 Absatz 2 unseres Grundgesetzes steht: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ Wir leben schließlich in Deutschland in einer Demokratie, einer „Volks-Herrschaft“. Insofern sind wir, die Menschen, das Volk, die Grundlage unserer Demokratie. Daran ändert sich – hoffentlich – nie etwas. Und wenn man vereinzelt doch den Eindruck gewinnen kann, dann aber nicht, weil die Digitalisierung als solche die Demokratie gefährdet. Sondern politisch weit am linken und rechten Rand agierende Zeitgenossen.
Gleichwohl beeinflusst die Digitalisierung unser tägliches (Zusammen-)Leben auf vielfältige Weise. „Digitalität“ ist der akademische Begriff dafür. Am meisten spüren wir sicherlich alle die Beschleunigung, die die Digitalisierung mit sich bringt. „Mal eben schnell … schreiben, googeln, Fotos machen, informieren, rumspielen u.v.m.!“ Wir können, wenn wir denn wollen (und viele wollen), 24 Stunden am Tag das ganze Jahr über erreichbar sein, manche schalten – im doppelten Wortsinn – auch im Kino oder im Konzert nicht mehr ab. Und bei allem, was wir im Netz tun, hinterlassen wir Daten-Spuren: Manchmal absichtlich und manchmal unbemerkt. Aber verändert Digitalisierung damit die Grundlagen der Demokratie?
Das, was uns hilft, unsere Meinung als Volk zu artikulieren, uns an der Bildung einer „herrschende Meinung“ zu beteiligen, ist zunächst erst einmal gut. Das gilt auch für digitale Unterstützungsangebote. Beteiligungsportale auf kommunaler Ebene sind ein Beispiel: Bürgerinnen und Bürger können mit wenigen Clicks Stellung beziehen zu aktuellen Fragen in und aus ihrem Umfeld. Auch die, die vielleicht nicht mehr so mobil sind oder die, die nicht „mal eben“ am Nachmittag zu einer Bürgerversammlung gehen können, können trotzdem mitreden: virtuell mittendrin.
Wir haben es selber in der Hand, wie wir mit der Digitalisierung, mit digitalen Tools umgehen. Die Risiken zu erkennen und die Chancen zu nutzen, das kann man lernen. Man kann der Schnelllebigkeit Entschleunigung entgegensetzen, dem Information Overkill mit gezielt ausgewählten Angeboten begegnen, dem Verlangen der Algorithmen nach Daten durch Enthaltsamkeit die Lust nehmen… Aber alles das setzt Eigeninitiative und Selbststeuerung voraus, denn das beste Bildungsprogramm, das tollste Modul zum Kompetenzerwerb sind ohne unser aktives Zutun wirkungslos. Das vorausgesetzt haben wir gute Chancen, den Wandel, den Digitalisierung zweifelsohne mit sich bringt, positiv zu gestalten.
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Inwiefern beeinflussen Plattformen wie X und Facebook sowie Unternehmer wie Elon Musk und Mark Zuckerberg die politische Meinungsbildung?
Der Text in Art. 20 (2) GG lautet weiter: „Sie (= die Staatsgewalt) wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen (…) ausgeübt.“ In unserer parlamentarischen und Parteien-Demokratie haben also die Gewählten „die Nase vorn“, denen wir für eine bestimmte Zeit unsere Stimme geben. Doch was ist das für ein mühseliges „Geschäft“, wenn unsere Wahlkreiskandidaten an der Straßenecke stehen und Flyer verteilen oder von Haustür zu Haustür laufen und niemand öffnet! Auch hier hilft – zunächst völlig unkritisch – die Digitalisierung: Mit einem einzigen Posting, einem pfiffigen Videoclip, erreichen die „Meinungsmacher“ in Sekundenschnelle Millionen Follower.
Was für ein Segen, diese gar nicht mehr neuen Medien! Könnte man sagen. Aber genau an dieser Stelle nutzen auch manche Andere, die mit unserer liberalen Demokratie nicht unbedingt viel anfangen können, die großen digitalen Plattformen, die so genannten Sozialen Medien, um ihren Einfluss und damit ihre Macht auszuüben. Gut gemachte Postings: das heißt ja nicht unbedingt, dass das, was da steht, stimmen muss. Vermeintlich lustige Videoclips mit witzigen Botschaften können sich bei näherem Hinsehen und -hören auch als diskriminierende Hassbotschaften entpuppen. Aber wer hat heutzutage schon Zeit, genau hinzuhören? Und wie kann man wahr von unwahr in Sekundenschnelle unterscheiden, bevor der nächste Clip, das nächste Reel drängt?
Damit kommen wir zur Verantwortung der Plattformbetreiber: Fake News erkennen und kenntlich machen, Hate Speech unterbinden und zur Anzeige bringen, lieber echten Menschen Zugang gewähren als Bots… das alles setzt Wollen und Engagement an zentraler Stelle voraus.
Wie heißt es in Art. 14 (2) des GG? Richtig: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Ein Haken dabei: Als das GG geschrieben wurde, gab es noch keine Social Media Plattformen. Und der zweite Haken: Es ist zu befürchten, dass unser deutsches GG die Genannten (und noch viele mehr) „nicht wirklich“ interessiert. Globale Anbieter lassen sich eben nicht lokal in den Griff kriegen. Hier ist vielmehr international abgestimmtes Handeln erforderlich.
Welche Rolle spielt KI-Kompetenz dabei, demokratische Systeme widerstandsfähiger gegen Fake News und Manipulationen zu machen?
Eine Lösung besteht darin, die Fähigkeiten (die Kompetenzen) im Umgang mit digitalen Medien zu fördern; wohlgemerkt, nicht im Konsumieren von Inhalten, sondern in der kritischen Auseinandersetzung mit dem, was mir da geboten wird. Dabei darf sich der Kompetenzaufbau aber nicht nur auf die Konsumenten, die User beschränken. KI-Kompetenz ist in allen (Lebens-)Bereichen erforderlich, von Kind an bis ins hohe Alter, in Schule, Ausbildung und jedem Beruf, bei denen, die Recht setzen ebenso wie bei denen, die Recht sprechen…
Und auch die Digitalisierung selber kann helfen: KI ist durchaus in der Lage, Inhalte kritisch zu hinterfragen und entsprechend zu markieren. Aber will der Betreiber der Plattform das überhaupt? Damit ist es jetzt keine digitale/IT-technische Frage mehr, sondern ein rechtliches und politisches „Problem“. Dem Wesen der weltumspannend aktiven Plattformen entsprechend entzieht es sich dabei einer rein nationalstaatlichen Lösung. Hier ist beispielsweise die EU gefordert – und auch aktiv.