Exclusive im #ConfareBlog mit Julia Finkeissen: Web3 und Metaverse verändern Kunst, Wirtschaft und Alltag
Prof. Julia Finkeissen hat gerade mit Co-Autor Prof. Thomas Köhler ein Buch veröffentlicht: „Chefsache Metaverse“ macht greifbar, wo das disruptive Potenzial von Web3, Metaverse und NFT liegt und warum es keine gute Idee ist, dabei jetzt den Kopf in den Sand zu stecken.
In der Confare CIO und CDO Community ist man sich uneins: der nächste Hype, der durchs Dorf getrieben wird, und mit dem sich Berater eine goldene Nase verdienen wollen? Oder eine große gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderung, der man sich am besten schon heute widmen sollte, wie es Carsten Priebs in seinem jüngsten Beitrag empfohlen hat.
Julia Finkeissen hat einen besonderen Blick auf das Thema, denn sie kommt als Gründer von VIOVENTI ART selbst aus dem Umfeld Kunst und Kultur. Dass hier ein großes Potenzial digitaler Technologien liegt, darauf haben wir bereits in unserem jüngsten Beitrag mit Bernd Ranzenmayr von movieshots.io aufmerksam gemacht. Das Erscheinen von Chefsache Metaverse ist also ein guter Anlass um mit Julia über ihre Erfahrungen, Anregungen und Meinungen zu befragen.
Die wichtigsten Trends und Entwicklungen sind natürlich auch Thema bei den Confare #CIOSUMMITs in Wien, Zürich und Frankfurt, den größten und wichtigsten Treffpunkten von IT-Entscheidern und DACH Raum. Sie kennen IT- und Digital-Manager, die bereits heute Innovation mit gesellschaftlichem, wirtschaftlichem und ökologischem Impact setzen? Nominieren Sie jetzt für die Confare #ImpactChallenge 2023.
Welche Erfahrung konnten Sie denn selbst bereits im Metaverse sammeln?
Als Galeristin habe ich schon früh angefangen, nach digitalen Lösungen in der Präsentation von Kunst zu suchen. Die Möglichkeit, einem breiten Publikum Kunst zu präsentieren ist in Ausstellungen und Vernissagen nur im begrenzten Rahmen möglich. In der Pandemie Zeit war es schlichtweg unmöglich, sodass sich die Frage geradezu aufgedrängt hat, wie die Präsentation von Kunstwerken so erfolgen kann, dass Menschen unbegrenzten Zugang zur Kunst haben können. Erste Versuche, durch Videoaufzeichnungen und Online Galerien im Web2 Kunst dem Publikum näher zu bringen, waren bereits ein erster Anfangs-Erfolg. Der große Durchbruch und ein wirklich annähernd so gutes Erlebnis wie in einer realen Ausstellung physisch und vor Ort Kunst zu betrachten, war jedoch noch nicht ersetzt worden dadurch. Ein dreidimensionales Erleben in Metaverse Galerien mit der Möglichkeit, sich dort auch mit anderen Menschen zu treffen, kommt einem realen Kunsterlebnis nun schon sehr viel näher. Als Galeristin ist es vergleichsweise einfach, im Metaverse eine Ausstellung zu kuratieren. Und es macht richtig Spass da die Programme bereits sehr gut laufen.
Als Mutter von Teenagern und jungen Erwachsenen erlebe ich zudem eine andere Seite des Metaverse: neben Spielen wie Sandbox oder Decentraland ist die nächste Generation auch immer mehr stolz auf Kleidung und Accessoires für Avatare zu besitzen. Als Mutter stehe ich nach wie vor fragend daneben, wenn meine Teenager sich für ein virtuelles Paar Turnschuhe begeistern können. Aber wer weiss, vielleicht werde ich mir bald eine Prada oder Gucci Handtasche zulegen für meinen Avatar?
Einem Laien erklärt, was darf man sich unter diesem Hypethema vorstellen?
Im Metaverse befinden wir uns technologisch betrachtet im Web3.
Denken Sie zurück an die erste Stufe des Internets, als Sie sich noch relativ aufwändig mit einem Modem ins Internet einwählen mussten. Was haben Sie dann hauptsächlich gemacht? Informationen eingeholt. Im Rückblick war das in den ersten Jahren noch sehr rudimentär. Google gab es noch nicht sofort.
Irgendwann kamen Social Media Plattformen und Smartphones in unser Leben. Wir fingen an, unsere eigenen und meist sehr persönlichen Informationen im Netz zu teilen: das tägliche Selfie, Beziehungsstatus, mit wem wir befreundet sind und was wir „liken“ oder „disliken“. In der Stufe des Web2 befinden wir uns heute noch größtenteils.
Web3 bezieht sich auf die dritte Generation des World Wide Web, die die Blockchain-Technologie nutzt, um ein dezentralisiertes und verteiltes Netzwerk zu schaffen. Das bedeutet, dass sich die Nutzer nicht mehr auf eine zentrale Behörde oder einen Mittelsmann verlassen müssen, um Daten, Transaktionen und Interaktionen online zu verwalten und zu kontrollieren, sondern mehr Autonomie und Kontrolle über ihre Online-Aktivitäten haben. Web3-Technologien wie Ethereum ermöglichen die Erstellung dezentraler Anwendungen (dApps) und intelligenter Verträge, die automatisch ohne eine zentrale Behörde ausgeführt werden können. Einfach ausgedrückt ist Web3 eine dezentralisierte Version des Internets, bei der die Nutzer mehr Kontrolle und Autonomie über ihre Daten und Online-Interaktionen haben.
Wie wichtig ist das Metaverse aus Unternehmens-Sicht schon heute?
In der Beziehung zwischen Unternehmen und Kunden gewinnt das Metaverse rasant an Bedeutung. Spannend ist dabei zu beobachten, dass Kundenbindung mittlerweile auch vom Metaverse zurück ins Realverse stattfindet, insbesondere bei jungen Kunden, die von Items für ihre Avatare auf eigene reale Accessoires und Kleidung schließen und diese dann haben wollen. Ein anderes schönes Beispiel ist die Möglichkeit, sein neues Auto in der Bestellung virtuell testen zu können und dank einer VR Brille schon vor der finalen Bestellung eines personalisierten PKWs das Auto erlebt zu haben. Oder beim Hausbau: Stellen Sie sich vor, Sie sehen nicht nur Grundrisse in 2D sondern können virtuelle in der Planungsphase bereits durch Ihr zukünftiges Haus oder Ihre Wohnung laufen.
Genauso spannend sind die Möglichkeiten im B2B Bereich, zum Beispiel in der Planung von neuen Produktionshallen, welche im Vorfeld im Metaverse von den Mitarbeitern ausprobiert und getestet werden können bevor hohe Kosten anfallen für den Bau von Werksgebäude oder Produktionshallen. Auch Handlungsabläufe zwischen Unternehmenspartnern können durchgespielt werden.
Im Bereich Kunst und Kultur gibt es bereits eine Menge Anwendungsbeispiele von Web3, NFT und Metaverse – wie sehr ist Kunst heute schon beeinflusst?
Kunst ist immer ein Abbild der Zeit. Unsere Zeit ist zunehmend digital. Demzufolge darf auch unsere Kunst digital sein und sich in den digitalen Raum verlagern.
Schöne Beispiele für sinnvolle, nutzenstiftende Lösungen gibt es an vielen Orten: Zum Beispiel haben die Uffizien in Florenz begonnen, alte Meister von Michelangelo als NFT (für sechsteilige Summen) zu verkaufen. Das Original Werk gehört natürlich nach wie vor dem Museum. Durch den Erlös des digitalen Zwillings hat das Museum nun ausreichend Möglichkeit, das Original zu restaurieren und zu erhalten. Viele Menschen sind jedoch gar nicht an einem digitalen Zwilling eines realen Werkes interessiert, sondern wollen rein digital erschaffene Kunst erwerben. Hier bildet sich eine ganz eigene, junge Kunstszene heraus, eben die Kunstszene einer neuen (digitalen) Generation.
Wie können Kunstschaffende damit richtig umgehen?
Der Umgang mit den neuen Darstellungsmöglichkeiten ist eine sehr individuelle Entscheidung jeden Künstlers. Wir leben in einer Zeit, in der die reale Welt nach wie vor einen sehr großen Raum einnimmt. Daher entscheiden sich viele Künstler nach wie vor dafür, ihre Kunst auch real zu erschaffen und dann virtuell zu präsentieren. Meiner Einschätzung nach wird sich dies in den kommenden Jahren rasant schnell ändern. Die nächste Generation von Künstlern ist bereits sehr viel offener und interessierter an digitaler Erstellung wie auch Präsentation ihrer Kunst. Ein richtig oder falsch gibt es daher gar nicht. Sinnvoll ist es natürlich immer, um als junger Kühnster bekannt zu werden, die größere Reichweite digitaler Medien in die Vermarktung aufzunehmen.
Welche ersten Schritte empfehlen Sie Managern um erste Eindrücke zu sammeln?
Nach dem eigenen privaten Interessensgebiet sollte man sich einen Bereich heraussuchen und etwas ausprobieren, was einem selbst Spass macht. Mit Spass lernt man bekanntlich am schnellsten. Für den beruflichen Bereich ist es sinnvoll, zu schauen was Mitbewerber oder Partner bereits im Bereich des Metaverse machen und sich nicht zuletzt inspirieren lassen von Unternehmen, die schon erste große Erfolge im Metaverse verbuchen können.
Was sind die zukünftigen Einsatzgebiete mit denen man rechnen könnte?
Alles ist denkbar über alle Branchen hinweg. Die Möglichkeiten sind unendlich und werden durch die weiteren Entwicklungen noch exponentiell wachsen. Wir befinden uns in den verschiedenen Metaversen zumindest virtuell in einem gedanklich beinahe grenzenlosen Raum, welcher derzeit, wenn überhaupt, von den technischen Eintrittsbarrieren begrenzt wird.
*Zur besseren Lesbarkeit wird in diesem Beitrag das generische Maskulinum verwendet. Die in diesem Beitrag verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich – sofern nicht anders kenntlich gemacht – auf alle Geschlechter.