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Widerstand gegen KI: Bis zu 80 % der in Unternehmen entwickelten KI-Modelle werden nicht in den produktiven Einsatz übernommen

by Yara El-Sabagh

Gabriele Bolek-Fügl ist Vize Präsidentin der Organisation Women in AI (Austria) und Gründerin des Unternehmens Compliance 2b.

Wie empfindet Gabriele den Hype um ChatGPT und die Potenziale von KI im Unternehmen? Wir haben nachgefragt.

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Wie wichtig sind denn Daten und künstliche Intelligenz schon heute in den Unternehmen?

Tatsächlich arbeiten viele Organisationen bereits umfassend mit Daten und in Teilbereichen auch mit verschiedenen Methoden der künstlichen Intelligenz (KI). Oft werden zumindest Teile von Prozessen automatisiert oder durch die Erhebung und Auswertung von Daten verschiedene Einsichten in die Geschäftsprozesse gewährt und darauf aufbauend Entscheidungen getroffen. Leider übersehen manche dabei, dass am Anfang unbedingt eine Strategie und ein Ziel für die Analysen stehen muss, damit die Auswertungen die erhofften Ergebnisse und Aussagen erbringen. Werden vorhandene Daten ausgewertet und mit anderen verknüpft, ohne vorher zu erheben in welchem Kontext sie erstellt wurden, dann können Fehlinterpretationen die Folge sein. Aber die Beschreibung des Kontextes zu einem Datensatz fehlt in vielen Unternehmen noch. Das gleiche kann passieren, wenn Daten zugekauft werden, ohne den Erstellungskontext vorher zu bewerten.

Angenommen ein Unternehmen sammelt Daten über die Qualität seiner Produkte, um mit einer KI-Anwendung die Wahrscheinlichkeit von Produktionsfehlern vorherzusagen. Werden die Daten erst am Ende der Produktion erhoben, dann können zwar alle Kennzahlen auf einmal gemessen werden, aber die Entstehung und Ursache kann dann nicht immer identifiziert werden und es können keine Korrekturen während der Entstehung vorgenommen werden. Daher muss genau festgelegt werden, wann ein geeigneter Zeitpunkt und Zustand für die Datenerhebung für mein Einsatzgebiet ist. Sollen Methoden der künstlichen Intelligenz erfolgreich eingesetzt werden, dann benötigt man viele Daten und muss diese dann erheben, wenn sie für den Produktionsprozess die höchste Wirkung zeigen.

In großen Unternehmen werden bereits einige KI-Anwendungen eingesetzt. Aber der Weg dorthin ist steinig. Bei manchen Unternehmen werden bis zu 80 % der entwickelten KI-Modelle nicht in den produktiven Einsatz übernommen, weil die gelieferten Ergebnisse nicht die beabsichtigten sind oder die Belegschaft sich dagegen wehrt.

KIChatGPT zeigt die Potenziale, dass Automatisierung auch in der Kommunikation noch viel weiter gehen könnte, als wir es bis heute erlebt haben. AI erfährt intensive Aufmerksamkeit. Hast Du mit dieser Entwicklung gerechnet?

Ja, es war absehbar, dass die Kommunikation sich als eines der KI-Einsatzgebiete stark entwickeln wird. Das liegt einerseits daran, weil die Nachfrage von uns Menschen zu dieser Funktionalität sehr positiv ist. Viele Menschen tendieren dazu eine Beziehung zu technischen Werkzeugen aufzubauen. Man kennt es noch von früher, wenn der „Nachbar“ seinem Auto einen Namen gegeben hat oder den Computer anschreit, wenn nicht die erhofften Ergebnisse angezeigt werden. Und ein „Gespräch“ steigert die Verbundenheit.

Andererseits haben sich die technischen Komponenten für diese Funktionalität stark weiterentwickelt, vor allem die verfügbare Datenmenge für das Training der KI, die gestiegene Rechenleistung und die Fortschritte in der Architektur von Sprachmodellen.

Insbesondere die Menge der verfügbaren Textdaten ist, aufgrund der zunehmenden Digitalisierung und des Wachstums des Internets mit seiner Vielzahl an sozialen Medien, exponentiell gestiegen. Dadurch konnten enorme Bestände an Textdatensätzen gesammelt und zum Trainieren von Sprachmodellen verwendet werden.

Haben sich die Perspektiven für AI im Unternehmen durch den ChatGPT Hype verändert?

Definitiv hat ChatGPT und die Berichterstattung dazu, die Sicht auf die Fähigkeiten von KI geändert. Bis vor kurzem noch glaubten die meisten Menschen, dass eine KI nie eine vergleichbare Kreativität wie Menschen haben wird und dass alle Arbeiten, die in den künstlerischen Bereich fallen, uns Menschen vorbehalten bleiben. Ein dichtender ChatGPT, eine komponierende AIVA und ein zeichnender Dall-E beweisen dagegen, dass gerade die Kreativ-Branche ziemlich unter Druck gerät. Während ein Mensch 2 Tage für die Ausarbeitung eines Bildes benötigt, kreiert die KI 50 Bilder in 2 Minuten.

ChatGPT ist weder der einzige leistungsfähige KI Sprachassistent, noch ist es der erste. Die einfache Bedienung und die umfangreichen Möglichkeiten haben den Hype rund um ChatGPT begründet. Und auch wenn wir es im Alltag nicht benötigen, aber es ist doch beeindruckend, wenn eine KI in 20 Sekunden ein Gedicht schreibt, für das wir 2 Stunden brauchen würden.

Ich finde es auch wichtig, dass sich jeder heutzutage mit KI-Anwendungen auseinandersetzt und Erfahrungen sammelt, denn es werden nicht die Personen wegen KI entlassen, die sich damit auskennen, sondern diejenigen, die sich dagegen sperren und nicht mit KI arbeiten wollen. Der umfassende Einsatz von KI in Unternehmen wird nicht aufzuhalten sein.

Wird AI nun tatsächlich der Job-Killer?

Die Einführung von KI in Unternehmen ist ein schrittweiser Prozess, bei dem die Technologie step-by-step konzeptioniert, entwickelt, eingeführt und getestet wird. Dies gibt der Belegschaft und dem Unternehmen Zeit, sich auf die anstehenden Veränderungen einzustellen und neue Fähigkeiten zu erlernen sowie Abläufe anzupassen. Denn auch während des Einsatzes der neuen KI-Anwendung muss diese von Menschen stetig überwacht und die Qualität der Ergebnisse bewertet werden, um Fehler rasch aufzudecken.

Es wird also eher der Fall sein, dass viele Aufgaben im Unternehmensprozess stärker mit KI automatisiert werden und Menschen die Richtigkeit der gelieferten Informationen plausibilisieren müssen. Die Tätigkeiten und Fähigkeiten im Job werden dadurch vielfältiger und wir Menschen müssen uns stetig weiterentwickeln und fortbilden.

Wahrscheinlich wird KI Tätigkeiten in einigen Bereichen komplett übernehmen und die Arbeitsplätze ersetzen, aber gleichzeitig gibt es neue Chancen für die Schaffung von Arbeitsplätzen in den Unternehmensprozessen. Dabei handelt es sich übrigens nicht nur um technische Tätigkeiten wie programmieren. Gerade das Verständnis von den Abläufen und die jahrelange Erfahrung aus den manuellen Tätigkeiten wird wichtig für das Trainieren der KI.

Übrigens kommen auch technische Berufe stark unter Druck durch KI. Selbst ChatGPT programmiert recht gut und es gibt spezialisierte KI-Anwendungen, die sehr gute Programme schreiben.

Welche neuen Karrierepfade entstehen durch Daten und künstlichen Intelligenz gerade?

In Unternehmen entstehen gerade viele neue Aufgabengebiete und Berufe. Einige sind eher offensichtlich, wie Datenanalysten, Data Scientists, KI-Entwickler, KI-Projektmanager und KI-Systemintegratoren. Andere sind wirklich neu, beispielsweise ein Chief Information Officer, KI-Ethiker, KI-Trainer, KI-Validator, Algorithm Bias Auditor und viele mehr.

Daten werden in Zukunft in jedem Unternehmen eine große Rolle spielen und eine hohe Datenqualität ist der Schlüssel für erfolgreiche Produkte. Ein Produktionsunternehmen wird vielleicht zusätzlich zu ihren Erzeugnissen auch Daten verkaufen. Diese müsse dann auch wie ein eigenes Produkt erstellt, gespeichert, aufbereitet und mit einer Kontextbeschreibung versehen verkauft werden. Diese Tätigkeiten werden von Menschen umgesetzt.

Die Arbeitsplätze der Zukunft werden eine Zusammenarbeit von Menschen, Daten und KI-Systemen beinhalten. Dabei werden in vielen Unternehmen forschungsnahe Tätigkeitsfelder entstehen. Sehr stark entwickeln sich derzeit die Themenbereiche Medizin, Compliance und Nachhaltigkeit.

Mit welchen Tools und Möglichkeiten sollte man sich jetzt vertraut machen?

Das ist eine schwierige Frage und kann nicht einfach beantwortet werden. Für die Arbeitnehmer in nicht-technischen Berufen wird es wichtig sein, sich mit KI-Anwendungen generell einmal auseinanderzusetzen. Dafür sind Chatbots von unterschiedlichen Institutionen oder ChatGPT sehr gut geeignet. Beim Experimentieren mit diesen Programmen wird man selbst schnell merken, welche Fragen gute Antworten liefern und bei welchen Formulierungen eher mittelmäßige Ergebnisse kommen. Je mehr man ausprobiert desto mehr Erkenntnisse wird man aus diesen Interaktionen mit KI-Systemen erlangen. Und da geht es noch gar nicht um die Richtigkeit der Ergebnisse, sondern nur, ob die Antworten den Erwartungen entsprechen. Mit der Zeit werden immer bessere Resultate erzielt und das Wissen erhöht, wie mit KI-Anwendungen erfolgreich interagiert wird.

In den kreativen Berufen wird es wichtig sein, sich mit den Sprachassistenten stärker auseinanderzusetzen. Die Zukunft liegt hier in der Zusammenarbeit Mensch und KI. Auch mittelfristig werden Kampagnen noch von Menschen konzipiert werden, aber das Brainstorming, erste Ausarbeitungen und repetitive Arbeiten wird eine künstlichen Intelligenz übernehmen. Hier gibt es bereits einige Tools, die zum Teil auch in der Grundfunktion gratis zur Verfügung stehen. Auch hier muss wieder ausgetestet werden, welche Eingaben in die KI die besten Resultate bringen.

Und generell sollte sich jeder Gedanken darüber machen, wie man Daten im Unternehmen erfolgreich einsetzen kann, um Mehrwert zu generieren. Sei es in den Unternehmensprozessen, bei Entscheidungen oder als zusätzliches Produkt. Mit diesen Tipps kann jeder fit für die Zukunft werden.

Welche Rolle soll KI denn jetzt in einer Digitalstrategie eines Unternehmens spielen?

Der Begriff KI ist sehr weit gefasst und beinhaltet sehr viele Funktionalitäten. KI-Anwendungen sind Programme, die das Handeln von Menschen nachahmen und gedanklich sollten wir KI behandeln wie „neue Kollegen“, die erst mal im Unternehmen angelernt werden müssen.

Bevor ein „Neuer Kollege“ aufgenommen wird, wird im Unternehmen geplant, in welchem Bereich er eingesetzt werden soll, welche Informationen er für seine Tätigkeiten benötigt und wie seine Arbeitsergebnisse verwendet werden sollen. Ist das klar, dann kann begonnen werden zu analysieren, ob die Informationen in der für die KI-Anwendung notwendigen hohen Qualität zur Verfügung stehen oder erst erarbeitet werden müssen.

In die Digitalstrategie gehört daher jedenfalls, inwieweit man die vorhandenen Daten im Unternehmen bereits verwenden kann und welche Schritte man setzen möchte, um mit Daten zukünftig zu arbeiten. Daran ist dann die Strategie für die nächsten Jahre entwickelbar. Im nächsten Schritt wird identifiziert, welche Methoden benötigt werden, und einige davon werden vermutlich KI-Anwendungen sein.

Welchen Beitrag kann die Unternehmens-IT dabei leisten? Wie sieht die unternehmens-interne Rollenverteilung aus?

Die Unternehmens-IT spielt eine sehr wichtige Rolle beim Einsatz von KI, da sie die notwendige Infrastruktur bereitstellt und die KI-Systeme entwickelt, implementiert und wartet, sowie sich um das Daten Management kümmert. Oft wird die Implementierung gemeinsam mit einem Berater-Team umgesetzt, aber danach muss der Betrieb im Unternehmen sichergestellt werden.

Außer der Unternehmens-IT müssen die Fachabteilungen, in denen die KI-Anwendung zum Einsatz kommt, von Anfang an involviert werden und sie ist auch für die Daten und Ergebnisse der KI während des Betriebs verantwortlich. Gegebenenfalls gemeinsam mit einem Data Science-Team, wenn spezielle Datenanalysen benötigt werden.

Wichtig ist aber, dass die Geschäftsführung eine klare Strategie zum Einsatz von KI ausgibt, damit genügend Budget vorhanden ist. Denn künstlichen Intelligenz ist sehr kostenintensiv und auch arbeitsintensiv.

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