Confare Geschäftsführer Michael Ghezzo besuchte das Gartner Symposium in Barcelona und teilt seine Gedanken zu ERP, Schatten-IT, inhaltlichem Pragmatismus und David Epstein.
Das Gartner Symposium 2019 in Barcelona ist vorbei. Der letzte Tag (Donnerstag) von Europas größter Zusammenkunft von IT-Executives war naturgemäß schon etwas spärlicher besucht. Wegen Streiks der deutschen Flugbegleiter und neuerlicher Proteste in der katalanischen Hauptstadt machten sich einige der Teilnehmer Sorgen, gut nach Hause zu kommen. Aber ich zumindest kann sagen – die Metro war nicht betroffen und der Flug war pünktlich, gut gefüllt, aber nicht überfüllt. Also alle Sorge umsonst.
Es war ein bisschen zu Unrecht, dass dieser Abschluss Tag weniger gut besucht war, denn die Themen und Vorträge waren weiterhin spannend. Zum Beispiel der Vortrag von Simon Mingay zum Thema Business-Led IT. Es ist eine Tatsache, dass viele Entscheidungen in den Fachbereichen inzwischen eine IT-Komponente haben. Um erfolgreich im Wettbewerb zu sein, ist es sogar notwendig, dass hier die Business Units selbst Verantwortung übernehmen.
Allerdings sind die Ergebnisse solcher Initiativen nicht unbedingt immer so gut wie geplant. Missverständnisse bei der Produktauswahl, lange Projektdauer und schlechte Integration in die bestehende Landschaft gehören zu den gängigen Problemen. Mingay skizziert eine neue Rolle für den CIO in dieser Situation. Seine Ratschläge:
- Entwickeln Sie mit dem gesamten Management-Team eine Governance Struktur, die den Anforderungen dieser verteilten IT-Entscheidungsstruktur besser gerecht wird.
- Holen Sie sich beim CFO Budget für den Support der in den Fachabteilungen eingesetzten Systeme.
- Investieren Sie in abteilungsübergreifende Ausbildung für IT Know-how in den Fachabteilungen und mehr Business-Wissen in der IT-Abteilung.
- Etablieren Sie allgemeine Betriebs-Richtlinien, nach denen sich auch die IT-Entscheidungen der Fachbereiche zu richten haben.
Mir gefällt der Ansatz, Business-Led IT nicht als Schatten-IT abzustempeln, sondern aktiv dazu beizutragen, dass diese Entscheidungen in dem geeigneten Governance Framework eingebettet sind und durch die entsprechende Unterstützung durch den CIO mehr Wert und bessere Time-to-Market erzielen.
Nachdem ERP bei unserer Konferenz #InnovativeCIO ein wichtiges Thema sein wird, interessierte mich als nächstes das Thema von Paul Saunders – The CIO´s ERP Success Guide – Preparing for the 4th Era of ERP. Jetzt ist ERP ja nicht unbedingt ein Metier, dass gerade irrsinnig sexy wirkt. Lange Projektzyklen, hohe Kosten, wenig Nutzen – ERP Projekte sind geradezu verrufen.
Die neue Ära des Postmodernen ERPs hingegen hat Fokus auf den Endkunden, auf Daten, auf Ecosysteme und auf raschen Wert und Nutzen für den Anwender. Die Meilensteine eines solchen Projektes haben alle einen Bezug auf den Business Value. „Focus on the application of technology not on the technology of applications!”, war der finale Rat des Analysten. Ein guter Rat meiner Ansicht nach.
David Epstein
Ein besonderes Highlight war auch an diesem letzten Konferenztag die Gastkeynote. David Epstein hat gerade international sehr viel Aufmerksamkeit mit seinem Buch: RANGE. Er hat sich Top-Performer auf unterschiedlichsten Gebieten angesehen und ihre Laufbahnen untersucht. Der überraschende Schluss: Frühe Spezialisierung führt nicht zwangsläufig zur Meisterschaft. Erfolgreich wird eher der sein, der unterschiedlichste Dinge ausprobieren konnte, viele Erfahrungen sammeln konnte, und so seine Talente herausgebildet hat. Den Vorsprung, den andere durch eine frühere Spezialisierung haben, holt diese Person rasch auf.
Universalisten können durchaus erfolgreicher sein, als Spezialisten. Spezialisierung reduziert manchmal sogar unsere Entscheidungskompetenz, wenn wir mit Dingen konfrontiert sind, die neu, unvorhersehbar, unkonventionell sind. Wir neigen dazu, immer jene Lösungen einzusetzen, die wir gut erlernt und geübt haben, und übersehen so, dass vielleicht andere Lösungsansätze gefragt sind. Also sollten sich jene keine Sorgen machen, die sich erst spät in ihrer Karriere festgelegt haben, die viel ausprobiert haben und so viel Erfahrung gesammelt haben. Denn genau sie braucht eine Welt, die sich in Veränderung befindet.
Ein spannender Schlussvortrag, und so kann man auch diese Tagung zusammenfassen. Die unterschiedlichsten Inputs machen den Wert für die Teilnehmer aus, sei es aus den Vorträgen mit hoher thematischer Diversität, aus dem Networking oder den Analysten Gesprächen.
Die Zeit der großen Überraschungen ist vorbei
Es ist schon spürbar, dass wir in vielerlei Hinsicht neue Wege beschreiten müssen, dementsprechend wenig spektakulär waren die inhaltlichen Neuigkeiten. Den Ansatz des „Tech-quilibrium“ finde ich geradezu pragmatisch und nicht visionär. Überhaupt keinen Einfluss auf das Programm hatte das Thema Klimaschutz, obwohl man bei der Konferenzorganisation dankenswerter Weise auf die abertausenden Plastikflaschen Wasser verzichtet und statt dessen auf Tetrapaks gesetzt hat. (Für das Confare CIO SUMMIT planen wir ebenfalls auf die Plastikflaschen zu verzichten und überlegen andere Wege) Im Programm kam das Thema aber nicht zur Sprache. Weil es die Zielgruppe nicht beschäftigt?
Woher kommt der aktuelle inhaltliche Pragmatismus? Was ist aus den inhaltlichen Steilvorlagen für die CIO Community geworden? Unter den Teilnehmern habe ich dazu zwei unterschiedliche Meinungen gehört:
„Man hat bei Gartner gemerkt, dass die Zielgruppe nicht so visionär agiert, daher rudert man zurück und präsentiert wieder mehr down-to-earth Themen.“
„Die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums macht alle wieder vorsichtiger. Dementsprechend sind die Themen weniger revolutionär.“
2019 ist ein klassisches Jahr, um mit der Transformation zu beginnen
Ich persönlich denke vor allem, dass man bei vielen Aspekten einfach schon mehr im MACHEN ist und es daher weniger um revolutionäre Visionen als um die erfolgreiche Abwicklung des Wandels geht.
Technologien, Organisationen und Gesellschaft entwickeln sich weiter und man darf gespannt sein, unter welchen Zeichen das Gartner Symposium nächstes Jahr steht. Wird es die weitere Rezession sein? Themen wie Kostenmanagement oder besser Produktivitätssteigerung waren schon in diesem Jahr verstärkt auf der Agenda zu finden. Oder bringt der Beginn eines neuen Jahrzehnts weitere technologische und gesellschaftliche Booms, die das Programm bestimmen? Autor Dan Pink hat es in seiner Keynote am Mittwoch sehr amüsant vor Augen geführt – die meisten Menschen starten nicht mit 38 oder 40 Jahren, mit 48 oder 50 Jahren mit dem Marathonlaufen! Sie starten mit 39 oder 49 Jahren, wenn das Ende eines Lebensjahrzehnts absehbar ist. 2019 ist also ein klassisches Jahr, um mit der Transformation zu beginnen.
Ich wünsche viel Erfolg dabei und hoffe auf die Gelegenheit auch 2020 wieder aus erster Hand über News, Erlebnisse und Erfahrungen vom Gartner Symposium zu berichten. Für mich war es eine extrem spannende aber auch anstrengende Woche. Herzlichen Dank fürs regelmäßig mitlesen und dranbleiben,
herzlichen Gruß und schönes Wochenende, jetzt aus Wien,
Innovative CIO
DAS Forum für Kreativität und Innovationskraft der österreichischen IT
26. November 2019 | Sky Stage, Wien