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Zwischen ChatGPT, Föderalismus und Lehrermangel: Wie schaffen Schule und Bildung den Sprung in die Digitale Zukunft?

by Yara El-Sabagh

Exclusive im #ConfareBlog mit Kati Ahl rund um Schule und Bildung – ChatGPT, Föderalismus und Lehrermangel

Mit Livin IT Young Perspectives ermöglicht Confare in diesem Jahr erstmals Schüler:Innen den Besuch des Confare #CIOSUMMITs, des wichtigsten IT-Management Treffpunkts Österreichs. Sie erhalten einen Einblick in die Welt von IT und Digitalisierung, treffen hochkarätige Manager und können mehr über Perspektiven und Jobaussichten in diesem Umfeld lernen.

Im Zuge der Vorbereitung der Veranstaltung haben wir mit Bildungsexperten und Pädagogen über Schule und Digitalisierung gesprochen. Der Höhenflug von ChatGPT hat die Diskussion weiter angefeuert. Was, wenn Künstliche Intelligenz Hausaufgaben schreibt?

Selbst über viele Jahre als Lehrerin und Schulleiterin tätig, berät Kati Ahl heute Schulen bei der Modernisierung und Bewältigung der aktuellen Herausforderungen. Ihr jüngstes Buch trägt den Titel „Frauen und Digitalität – jetzt!: Wie die Bildungstransformation von weiblichen Perspektiven profitiert“. Wir haben Kati die Frage gestellt: Wie schafft unser Bildungssystem den Sprung in die moderne Welt, und wie gut werden Schulen mit den Krisen und Herausforderungen unserer Zeit fertig?

Auch die CIO und CDO Community ist gefragt. Was können Unternehmen und ihre IT zu einer besseren Welt beitragen? Dafür gibt es die Confare #ImpactChallengeNominieren und Einreichen ist jetzt möglich!

Was sind die wichtigsten gesellschaftlichen Entwicklungen, die auf unser Bildungssystem Auswirkungen haben?

Alle großen gesellschaftlichen Entwicklungen haben direkte Auswirkungen auf das Bildungssystem, denn 2021 waren 16,7% der deutschen Bevölkerung Kinder und Jugendliche: Der Krieg in der Ukraine mit den aufzunehmenden Geflüchteten kam in Schulen ebenso an wie die Themen rund um Nachhaltigkeit und Klimaschutz und die gesellschaftlichen Konflikte und jetzt wird es die Entwicklung neuer KI, die vielleicht die Hausaufgaben übernehmen könnte. Dazu kommt eine Veränderung der Kultur, der Wunsch von Lehrkräften, aber auch von Eltern und Lernenden, das Lernen und den Ort Schule mitzugestalten, verändert die Rollen innerhalb der Schule.

Man hat den Eindruck, die Welt ändert sich rasant. Gleichzeitig scheint im Bildungssystem der Wandel nur sehr langsam zu passieren. Wie gut sind unsere Schulen denn wirklich an die Anforderungen unserer Zeit angepasst?

Ebenso wie Verwaltungsapparate aber auch große Firmen haben große Systeme Schwierigkeiten, auf Krisen agil und wendig zu reagieren. Dazu kommt der Bildungsföderalismus und dass in Deutschland jedes Bundesland eine eigene Lösung sucht. Aber auch der enorme Fachkräftemangel macht vor Schulen nicht halt mit 81.000 fehlenden Lehrkräften, vorrangig in MINT-Fächern, wie just die ZEIT titelte. Es gibt Mangel und Engpässe auf vielen Ebenen in Schulen, ob es um räumliche und Ausstattungsfragen geht oder zeitliche und personelle Ressourcen. Dadurch versickern teilweise die Bemühungen vieler einzelner engagierter Pädagog:innen, weil sie beispielsweise parallel die Nachbarklasse beaufsichtigen, die Geräte installieren oder verwaltende Aufgaben übernehmen müssen. Es bräuchte Zeit und die Idee des Voneinander Lernens, um Schule für die Zukunft zu öffnen und nicht nur die Gegenwart zu bewältigen.

Wo siehst Du am meisten Handlungsbedarf?

Es gibt da ein Zitat, das Winston Churchill zugeschrieben wird: „Never let a good crisis go to waste.“ Das Bildungssystem sehe ich derzeit in einer handfesten Krise, die damit immer auch Möglichkeiten schafft, Dinge zu verändern. Es sollte also nicht versucht werden, den Status quo von vor drei Jahren zu erreichen, sondern die momentanen Freiräume zu nutzen, um Neues zu wagen: neue Unterrichtsformen, neue Organisationsformen, neue Kooperationen, alles was entlastet und gleichzeitig neue Impulse in die Schule bringt. Das Hamsterrad Schule in eine Freifläche zur Erprobung dessen, was man schon lange mal hätte tun wollen und die Erfahrungen aus der Coronazeit aufzugreifen und zu nutzen.

Diese Öffnung könnte auch Lehrkräfte entlasten, die nun nach drei Jahren Krisenmodus häufig am Rand der Erschöpfung stehen. Und sie könnte den Kindern und Jugendlichen Luft verschaffen, jetzt nicht im Schnelldurchgang aufzuholen, sondern an Beziehungen anzuknüpfen. Und schließlich: Die Lernlücken, die der IQB-Bildungstrend aufzeigt, lassen wieder die Frage in den Fokus rücken: Wie geht guter Unterricht? Wann gelingt Lernen? Und die Lösung ist nicht, mehr von demselben zu tun, mehr Arbeitsblätter, mehr Stoff, mehr Prüfungen, sondern wie Prof. Schratz formuliert: lernseits denken und unterrichten.

SchuleWelche Perspektiven bietet die Digitalisierung für das Schulsystem?

Digitalisierung ist gesellschaftliche Realität und gehört damit längst als fester Bestandteil in den Schulalltag. Neben dem mündigen Umgang mit digitalen Angeboten, dem Erkunden digitaler Räume gehört für mich auch dazu, Suchtprävention zu betreiben. Ich habe erlebt, wie ein Erstklässler zur Einschulung ein Handy in der Schultüte hatte und ihm damit die gesamte virtuelle Welt zur Verfügung stand, in dem Fall ohne Gespräche, ohne Anleitung oder Schutz. Kinder wie Erwachsene konsumieren am Handy häufig zu unkritisch und haben enorme Zeiten vor dem Bildschirm. Diese Zeit fehlt an Bewegungserfahrung und Begegnung mit der Natur und Umwelt, denn man kann nur schützen, was man kennt. Damit kommt der Schule die Aufgabe zu, dass Lernende erfahren, wie sie zu Gestalter:innen in der digitalen Welt werden, wie sie aktiv kreieren, sich vernetzen, Angebote zu ihrem Gewinn nutzen, anstatt passiv und im schlimmsten Fall zu unkritischen Konsument:innen zu werden. Um Manipulation vorzubeugen, Fake News zu erkennen, aber auch digitale Potentiale wahrzunehmen, ist der gestaltende Umgang in der Schule unerlässlich.

Zusätzlich gibt es natürlich unterrichtsorganisatorische Vorteile, die eine Digitalisierung bietet: passgenaue digitale Lernangebote, die diagnostische Rückmeldungen ermöglicht, die eine Lehrkraft so parallel für viele Lernende nur mit hohem Aufwand bereitstellen könnte. Lernen kann damit besser sichtbar werden. Entlastung im Unterricht bietet sich an z.B. durch flipped-classroom-Angebote, aber auch durch Zeitentlastung in der Unterrichtsvorbereitung.

All diese Vorteile lassen sich für Lehrkräfte allerdings nur nutzen, wenn sie digital kompetent sind. Laut IPSOS-Studie von 2022 schätzen nur 38% der Lehrkräfte ihre digitalen Kompetenzen als hoch ein. 24 % Lehrkräfte gaben dort an, wenig oder gar keine Erfahrung mit der Nutzung digitaler Technologien im Unterricht zu haben.

Wo können zum Beispiel EdTechs wirklich etwas beitragen?

Ich habe da ein gutes Beispiel erlebt mit den Gründerinnen Lena Spak und Annie Dörfle der Plattform Scobees, die ich in meinem neuen Buch „Frauen und Digitalität – jetzt!“ interviewt habe: Sie haben mit Lehrkräften und Schulen gemeinsam eine Lernplattform samt Lernportfolio entwickelt, das im Unterricht praxisnah Anwendung findet und ganz auf die Gegebenheiten der jeweiligen Schule vor Ort eingehen kann. Diese gemeinschaftliche Entwicklung neuer Ideen sehe ich beispielhaft als große Chance, wenn EdTechs wirklich bereit sind, schulische Realität und zukunftsorientierte Visionen von Schulen zu erfragen und gleichzeitig Lehrkräfte von dem enormen digitalen Wissensvorsprung und häufig auch von dem Bildungsenthusiasmus der Edtechs profitieren können. Denn dort arbeiten ja Menschen, die auch zur Veränderung von Schule in Richtung Zukunftsorientierung beitragen wollen und weniger Schranken im Kopf haben wie „Das geht nicht, weil…!“ Diese Chance, voneinander zu lernen, miteinander zu entwickeln, halte ich für zukunftsweisend. Wir werden in Zukunft kollaborative Arbeitsweisen quer durch die unterschiedlichsten Berufsfelder benötigen, eine Sprache finden und miteinander eine „Ja-Straße“ der gegenseitigen Wertschätzung und Anerkennung komplementärer Expertisen aufbauen, so dass Herausforderungen gemeinsam und multiprofessionell gemeistert werden. Von einer solchen Kooperation profitieren Lernende gleich mehrfach: Neue Ideen und digitale Möglichkeiten finden den Weg in die Schule, Kollaboration über Schulgrenzen hinaus wird erlebbar, neue Impulse sind möglich. Außerdem kann so auch nach außen sichtbar werden, wie anspruchsvoll die Arbeit in Schulen ist und welch wertvolle Arbeit viele Pädagog:innen leisten. Zur Zukunft gehört für mich auch, wieder ein positives Bild von Schule zu zeichnen.

*Zur besseren Lesbarkeit wird in diesem Beitrag das generische Maskulinum verwendet. Die in diesem Beitrag verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich – sofern nicht anders kenntlich gemacht – auf alle Geschlechter.

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Zur besseren Lesbarkeit dieses Blogartikels verwenden wir das generische Maskulinum. Die in diesem Blogartikel verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich – sofern nicht anders kenntlich gemacht – auf alle Geschlechter.

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