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„Warte mal, irgendwas stimmt hier nicht.“ Anna Fritsch-Weninger über weibliche Karriere in der IT

by Manuela Lungu

Exklusiv im #Confare Blog: Anna Fritsch-Weninger über weibliche Karriere in der IT

Das Confare Female IT-Mentoring ist fixer Bestandteil der CIOSUMMITs und hat sich als Plattform bewährt, auf der sich Frauen, die eine Karriere in der IT anstreben, Tipps, Erfahrungen und Hilfestellung von erfolgreichen weiblichen CIOs und IT-Führungskräften. Ein wichtiges Anliegen dabei ist das Sichtbarmachen von Role Models.
Anna Fritsch-Weninger unterstützt bei ACP IT Solutions Kund*innen dabei Cloud und MS365 erfolgreich umzusetzen. Außerdem ist sie bei #thenewITgirls aktiv in der Förderung von Frauen in der IT.
Im Bloginterview spricht sie über ihre Erfahrungen bei der Ausbildung, dem Berufseinstieg und beim Vereinbaren von Mutterschaft und Beruf.

Das sind die kommenden Termine des Confare Female IT-Mentorings:

Frankfurt – 10.09.2024
Zürich – 25.09.2024
Salzburg – 8.10.2024
Wien – 26 & 27.03 2025

Du hast eine klassische technische Ausbildung, wie ist es Dir als Mädchen/Frau damit gegangen, in einer männerdominierten Umgebung zu lernen?

In meinen Lehrveranstaltungen an der TU gab es nur eine weitere Frau, und da wir unterschiedliche Bereiche belegt haben, sind wir uns auch nicht oft begegnet. Das hat mich mit 18 schon ziemlich verunsichert. Ich hatte auch kaum weibliche Lehrkräfte und in den Praktika sind mir ebenfalls nur Männer begegnet. Ich habe am Anfang ziemlich mit der Materie gekämpft, weil ich im Gymnasium den sprachlichen Zweig belegt hatte, und für Informatik im Gegensatz zu Schüler*innen aus der HTL oder dem Realgymnasiumzweig kein „Vor-Verständnis“ mitgebracht hatte – aber um mich herum haben alle so getan, als wäre alles sonnenklar und das Leichteste auf der Welt. Da hab ich mich selbst mal direkt als dumm abgestempelt – bis ich dann Jahre später drauf gekommen bin, dass (a) ich erst lernen musste, wie ich Informatik und Programmieren lerne und wie man es eher nicht lehren sollte und (b) dass auch die anderen nicht immer alles verstanden hatten oder verunsichert waren, aber sich das nur nicht anmerken haben lassen.

Neben des Studiums hast Du schon als Programmiererin gearbeitet, wie hat die Berufswelt auf Dich gewirkt, aus weiblicher Perspektive?

Ich habe neben dem Studium nicht als Programmiererin gearbeitet, sondern aus oben besagten Gründen (siehe „dumm“) war mein Einstieg als Software-Testerin in einer IT-Firma und eine Zeit lang war ich in „fringe IT“ Jobs wie IT-Projektmanagement. Vor allem in den ersten Jahren war der Mann/Frau-Aspekt aber für mich kein großes Thema, weil ich mich direkt in die Materie Informatik verliebt habe, von den vielen Aspekten fasziniert war und ziemlich viel lernen musste, was aber on the job total Spaß gemacht hat. Das war immerhin 2006, ist also auch schon eine Weile her 😊 Die Gräben zwischen Männern und Frauen haben sich dann aber später aufgetan – maßgeblich zum ersten Mal, als ich in meinem ersten Vollzeitjob schon ein abgeschlossenes IT-Studium hatte und mehr Berufserfahrung, aber der Kollege (wir hatten die exakt gleiche Job-Description), obwohl er nur eine laufende, nicht abgeschlossene Nicht-IT-Ausbildung ohne vergleichbare Berufserfahrung anzubieten hatte, mehrere hundert Euro mehr als ich verdient hatte. Da habe ich mir das erste Mal gedacht: Warte mal, irgendwas stimmt hier nicht. Seitdem ist mir das Thema Gehalt z.B. sehr wichtig.
Leider habe ich in den letzten 17 Jahren immer wieder Sexismus und Benachteiligung erfahren von verschiedensten Stakeholdern und war auch ohne Ausnahme immer die einzige Frau in den technischen Teams. In gewisser Weise hat mir das in puncto Professionalisierung geholfen, aber du musst dir auch eine dicke Haut zulegen, wenn dir Informationen verschwiegen werden „um dich zu schützen“ [sic!], wenn du ungefragt den Tipp von Kollegen bekommst, dass du geschminkt oder mit hohen Schuhen sicher sexier wärst oder wenn du als Berufsälteste einen Stake in Projekten haben willst man dir sagt, dass das „ein ganz klares Ego-Thema“ ist.
Ich bin trotzdem nicht komplett verbittert, weiß mich dadurch heute besser durchzusetzen, bin motivierter, Höchstleistungen zu erreichen und spreche mit meinen Kolleg*innen auf Augenhöhe – genau, wie es sein sollte.

Was sind denn Deine 3 wichtigsten Tipps an junge Frauen, die in der IT oder in der IT-Branche Karriere machen wollen?

  1. Such Gleichgesinnte und Unterstützer*innen – die IT kann als Frau manchmal etwas einsam sein, deswegen ist es wichtig, sich Kraft bei Familie und Freund*innen zu suchen, aber auch in der Branche Gleichgesinnte zu finden, mit denen du über deinen Job und deine Herausforderungen reden kannst. Meine engsten Freundinnen verstehen nicht, was ich tue, aber in meinem #thenewITgirls-Netzwerk bin ich hier z.B. sehr gut aufgehoben.
  2. Hab Vertrauen in deine Skills – ich habe Programmieren erst Jahre nach meiner Ausbildung so richtig gelernt und verstanden, weil ich weder wusste, wie _ich_ das wirklich mache noch, ob ich es kann. Manchen fliegt es zu, die haben das Problem vielleicht nicht 😊 Die Quintessenz ist dennoch: Wenn es dich wirklich interessiert und wenn du ein gewisses (IT-)Ziel erreichen willst, ist alles möglich, solange du motiviert bist, an dich glaubst und nicht aufgibst.
  3. Trau dich – es gibt keine blöden Fragen und es lohnt sich, Neues auszuprobieren! Wenn man IT lernt, kommt immer wieder (vor allem am Anfang) der Punkt, wo man sich denkt: Hä? Und genau da muss man weitermachen, fragen, Verständnis erarbeiten => nur so kommt man weiter
  4. Wie kann Diversity konkret dazu beitragen die Innovationskraft der IT zu steigern?
    Ich sehe das unabhängig von der IT – frauendominierte Branchen würden von mehr Männern profitieren (z.B. in der Kinderbetreuung oder Pflege) und die IT z.B. von mehr Frauen. Ich finde, gemischte Teams sind ausgeglichener, kreativer und Dinge funktionieren branchenunabhängig einfach viel besser, wenn Frauen und Männer an einem Strang ziehen, wir ergänzen uns einfach alle super!

Du bist Mutter geworden. Wie hat sich Dein Leben mit Kind/Familie beruflich verändert? Hat sich der Austausch mit den anderen verändert?

Es hat SO viel verändert! 😃
• Ich finde mehr Erfüllung und Spaß in meinem Job, weil diese Zeit rar ist und ich viel genauer priorisiere. Es ist ein wunderbarer Ausgleich zum Mama-Dasein und ich bin auch motiviert, meiner Tochter ein Vorbild zu sein und ihr zu zeigen, was man in einer vermeintlichen Männerdomäne erreichen kann.
• Im Austausch im Job mit anderen oder in großen Herausforderungen fühle ich mich viel sicherer – ich hatte ziemliche Angst vorm Mutterwerden und hatte im Wochenbett und der Zeit danach sehr, sehr viele intensive Ängste, die ich meiner Tochter zuliebe in den Griff kriegen musste. Das hat mich aber auch stärker gemacht, weil ich gesehen habe: Ich kann selbst diese Herausforderung packen.
• Der Wiedereinstieg nach der Karenz war ein absolut klassischer Horror auf sehr, sehr vielen Ebenen. Deshalb wichtig: Am Ende des Tages musst du im Job auf dich selbst Acht geben, weil andere werden es nicht für dich tun.
• Mutter zu werden war auch ein Karriereboost, weil es nichts Schöneres gibt, nach der Arbeit zu meiner Tochter und meinem Mann heimzukommen und mit ihnen Familienzeit zu genießen – es klingt kitschig, aber diese Liebe gibt mir sehr viel Kraft und Sinn, auch im Job.

Was hast Du für Tipps um Beruf und Familie zu vereinen? Wie kann man einem Karriereknick entgegenwirken?

  • Investiert VOR der Familienplanung in eure eigene Ausbildung und Karriere. Der Schlüssel zu einem guten Verdienst ist eine gute Ausbildung und Praxis, die auch wirtschaftlich gebraucht wird und gut bezahlt wird (die IT ist eben so ein Beispiel) => vor allem ein richtig gutes Bildungs- und Karriereniveau verhindert den Karriereknick
  • Teilt euch nicht nur die Karenz und die Betreuungs-, Haushalts- und Organisationsaufgaben mit Kind 50/50 auf, sondern auch „die Zeit danach“. Mein Mann und ich machen ab dem 2. Lebensjahr unserer Tochter jeweils knapp über 30h/Woche statt (klassisch) er 40h und ich 20h. Wir können dadurch nicht nur alle Herausforderungen beim anderen (in Karenz und im Job) total nachvollziehen, sondern wir haben die gleichen Chancen und Risiken und Ausgangsbasis, wie sich unsere Karriere in den nächsten Jahren gestaltet.
  • Kommuniziert offen und klar mit euren Arbeitgeber*innen. Mir ist schon klar, dass viele Frauen mehr als ein Kind bekommen wollen und dass diese Kommunikation mit den Arbeitgeber*innen nicht immer so einfach ist, aber gerade, wenn ihr doch genau wisst, ob, wann und wie ihr wieder in den Job zurückkommen wollt: Kommuniziert eure Wünsche und Ziele und lasst es beim Wiedereinstieg beim Erreichen dieser Ziele unterstützen (und nicht in die Belanglosigkeit abschieben) im Sinne von: Sagt genau, was ihr wollt, sucht euch interne Unterstützer*innen und tut dies rechtzeitig und mit Selbstbewusstsein.

Welche Veränderungen würdest Du Dir wünschen, um mehr Frauen für Karrieren im technischen Bereich zu begeistern?

– Schulen und (Fach-)Hochschulen, die Mädchen und Frauen in ihrem Lebenskontext abholen, für Technik begeistern, mit Role Models aufzeigen können und ihnen helfen, den Weg in die IT zu finden
– Eltern, die informiert werden, welche Chancen die IT für ihre Töchter bringt und begeistert werden können, ihre Töchter für diese Wege zu motivieren
– Unternehmen, die ihre Suche nach und ihre Strukturen in IT-Positionen frauenfreundlicher gestalten und „female diversity“ Stabstellen mit klaren Zielen besetzen und pflegen
– „He for she“ Programme und Ideen, wie Männer davon begeistert werden können und auch davon profitieren können, gemeinsam für die Emanzipation der Frau (auch in der IT) zu kämpfen

Hier findest Du die Confare Female IT-Community auf LinkedIn: https://www.linkedin.com/showcase/82294868/admin/feed/posts/

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Dabei sein, wenn 2025 der Confare #CIOAWARD bereits zum 18. Mal vergeben wird, schon heute auf

www.ciosummit.at anmelden. Den Confare #CIOAWARD selbst gewinnen: Einreichen und nominieren auf www.cioaward.at.

Genderhinweis: 

Zur besseren Lesbarkeit dieses Blogartikels verwenden wir das generische Maskulinum. Die in diesem Blogartikel verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich – sofern nicht anders kenntlich gemacht – auf alle Geschlechter.

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