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Digital Detox statt FOMO: Wenn die tägliche Schrittzahl und die Anzahl von Likes zum Zwang werden

by Anthony Torno

Dr. Sanem Keser-Halper ist Unternehmensberaterin, wenn es um Marketing und Kommunikation geht und unterstützt als Safer Internet Botschafterin dabei, ausgewogen und achtsam mit der digitalen Welt und dem eigenen digitalen Medienkonsum umzugehen. 

Im zweiten Teil unseres Bloginterviews geht es um Social Media und die Belastung, rund um die Uhr am digitalen Leben der anderen teilzuhaben, die Fear of Missing Out und Herausforderung, sich in der digitalen Alltagsflut nicht unterkriegen zu lassen.

Digitale Transformation und IT spielen eine enorme Rolle dabei unsere Zukunft zu gestalten. Wir zeichnen im Rahmen der Confare #ImpactChallenge CDOs und CIOs aus, die zu einer besseren Welt beitragen, Geschäftsmodelle revolutionieren, Innovation möglich machen und eine moderne Arbeitswelt gestalten. Einreichen und nominieren kann man jetzt hier:

Auf welche Anzeichen sollte man achten, um sich nicht zu sehr von Social Media, Smartphone und Online Tools vereinnahmen zu lassen?

Ein übermäßiger Konsum von digitalen Inhalten bzw. eine übermäßige Nutzung des Smartphones kann negative Effekte auf das Wohlbefinden, auf zwischenmenschliche Beziehungen und auf schulische und berufliche Erfolge haben. Jeder von uns kann das bestätigen, dass nach einer zeitlich intensiven Handynutzung Ermüdungserscheinungen durch Reizüberflutungen auftreten. Weitere Auswirkungen zeigen sich in Zerstreuung, Ablenkung, Konzentrationsschwäche, Unaufmerksamkeit, fehlende Willenskraft, die zu Stress, Schlaflosigkeit depressiven Stimmungen, Empathielosigkeit und sogar Vereinsamung (anstatt Verbundenheit – das was wir uns mit der Smartphone-Nutzung erwarten) führen können.

Oft wird das Smartphone nicht als Zeitfresser erkannt, sodass sich Anzeichen wie langsamer Arbeitsfortschritt und -verzögerungen bemerkbar machen.

Ist der Einsatz von Daumen und Fingern und das Wischen am Smartphone sowie der Blick auf den Bildschirm die einzige körperliche Aktivität über mehrere Stunden hinweg, sollte uns der Bewegungsmangel zu denken geben.

Unsere Aufmerksamkeit müssen wir auch auf die Vereinnahmung von online Tools und Social Media richten. Hier werden analoge Bereiche unseres Lebens ins digitale auslagert. Ein simples Beispiel ist, dass das Tragen einer Uhr ersetzt wird und durch die Zeitabfrage am Smartphone erfolgt. Das sind viele Griffe zum Smartphone, die man sich sparen kann, weil bereits Nachrichten auf uns warten und am Display angezeigt werden und schon ist man bereits länger als geplant und eigentlich unbewusst wieder eingetaucht in die digitalen Inhalte.

Auch in unserer Freizeit werden wir aufgefordert, soviel wie möglich online zu sein und das Interesse an Daten zu entwickeln. Die Anzahl von Likes, gegangene Schritte, gefahrene Höhenmeter – diese Zahlen können unser Selbstwertgefühl beeinflussen.
Unsere Reisen führen uns zu Umgebungen und Sehenswürdigkeiten, die „instagrammable“ inszeniert werden und wir diese für ein perfektes Foto-Posting vorfinden.

Oft verirren wir uns auf „digitale Schauplätze“, da uns fast jeder QR Code zum Eintreten verleitet. Mit der einfachen und spielerischen Handhabung des Scannens öffnet sich wieder eine „digitale Seite“ (mehr) in unserem Leben.

Welche Empfehlungen hast Du für Menschen, die das Gefühl haben, sich zu sehr von ihrem Smartphone diktieren zu lassen?

Wenn man das Gefühl hat, dass die Smartphone-Nutzung in einem unausgewogenen Ausmaß (zeitlich und inhaltlich) stattfindet oder überhandnimmt, ist es wichtig, wieder ein Gleichgewicht herzustellen. Ich möchte die Menschen diesbezüglich unterstützen, ihre

Smart-Life-Balance wieder zu finden. Mit praxisnahen Tipps zur Umsetzung leite ich einen Workshop, der den Teilnehmer:innen die Augen wieder öffnet, wachrüttelt und das Smartphone wieder bewusster zur Hand nehmen lässt für ein besseres Wohlbefinden, gesteigerte Zufriedenheit (mit sich selbst) und einen wertschätzenden Umgang miteinander.

Fear of Missing Out und der Eindruck, allen anderen ginge es besser, sind zwei der Folgen der geschönten und auf Perfektion getrimmten Social Media und Influencer Welt – wie kann man damit besser umgehen?

„Wer will schon freiwillig auf Handykonsum verzichten? Da verpasst man doch das ganze Leben!“ Diese Aussage habe ich schon oft gehört. Der Zustand oder der allein schon der Gedanke nicht Teil des Ganzen und up to date zu sein, weckt in den Menschen Angst und Sorge, es entgingen einem wichtige Ereignisse und Erlebnisse. Das zeigt auch wieder die Bedeutung, der wir der Abbildung des Lebens in der digitalen Welt beimessen. Angeheizt wird dieser Drang nach dem ständig-online-sein-müssen und -wollen durch das Tempo des digitalen Zeitalters, die wiederum von den Agierenden selbst vorangetrieben wird.

Eine aktuelle Übersicht dazu gibt es auf der Suche nach „What happens in an internet minute“.

Das Hauptübel ist das Vergleichen mit anderen Menschen. „Was kann ich nicht haben, was der- oder diejenige schon hat“ oder „wieso kann ich nicht dort sein, wo andere gerade sind“ etc. sind typische Fragen der inneren Stimme, die uns quält und uns innerlich giftet. Das zu verstehen, ist schon mal die richtige Erkenntnis, um sich von diesem Zwang zu befreien, immer „auch“ mit von der Partie sein zu müssen.

Das regelmäßige und bewusste Ausklinken, eine digitale Entgiftungskur (Digital detox) ist jedoch die effektivste Methode, um sich (zumindest für eine Auszeit) online zu befreien.
FOMO gibt es übrigens auch im Business Kontext. Eine gute Übung ist beispielsweise beim nächsten Besuch auf der online Netzwerk-Plattform darauf zu achten, welche Gefühle es bei einem auslöst, von einer Geschäftsanbahnung eines Kontaktes und Mitbewerbers zu erfahren und welche Neukunden erfolgreich akquiriert worden sind während man nicht online war. Das kann zu Frust führen.

Wie unterscheidet sich das Verhalten verschiedener Generationen mit der digitalen Dominanz? Sind jüngere und ältere Menschen unterschiedlich betroffen?

Wie anfangs erwähnt, ist das Digitale fixer Bestandteil unseres Lebens. Jeder Mensch, ob jung oder alt ist mit der Digitalisierung konfrontiert. Die Nutzung des Smartphones beginnt schon im Kleinkindesalter, wenn dem Zweijährigen das Smartphone oder Tablet zur Unterhaltung und Ablenkung vorgelegt wird.
Bei der älteren Generation steigt die Internetnutzung am stärksten, da diese erst mit der (meist später stattfindenden) Aneignung der Bedienkompetenzen einhergeht.
Der Unterschied zwischen jüngeren und älteren Menschen in der Nutzung besteht in den Anwenderkompetenzen und in der Verweildauer im Internet, die bei der jüngeren Generation stärker vorhanden und länger ausgeprägt sind. Einschränkungen in der Nutzung erfahren ältere Menschen durch altersbedingte Einschränkungen (z.B. Sehvermögen, Feinmotorik).

Generationenübergreifend sind es die sozialen Faktoren, warum das Internet oder mobile Geräte genutzt werden.

Um persönliche Beziehungen zu pflegen, Kontakte zur Familie aufrecht zu erhalten und am Gesellschaftsleben teilzunehmen und bei (fast) allen Themen mitreden zu können.

Überraschend ist vielleicht, dass nicht nur die jüngere Generation das Smartphone bzw. Internet zum Zeitvertreib nutzt. Auch bei den älteren Menschen sind Onlinespiele, Gruppenchats, das Verschicken von Fotos und YouTube Videos mit Koch- oder Bastelanleitungen beliebt.

Dass das Smartphone eine immense Erleichterung des Alltags sein kann, hat die ältere Generation ebenso bereits entdeckt. Insbesondere bei fehlender Mobilität oder mangelnder Angebote im ländlichen Raum. Hier reichen die Nutzungsmöglichkeiten von der Abfrage von Fahrplänen über Online-Banking bis zum Online-Einkauf beim Lebensmitteleinzelhandel.

In Bezug auf persönliche Daten und ihre Preisgabe haben sowohl jüngere als auch ältere Menschen noch viel zu lernen. Denn mit diesen wird nach wie vor sehr leichtsinnig umgegangen. In vielen Lebensbereichen besteht nahezu blindes Vertrauen in die Technologien.

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