„Erfolg haben ist kein Problem. Erfolg halten ist das Problem!“, unter diesem Motto unterstützt Reinhold Karner Unternehmen dabei, sich erfolgreich und nachhaltig den Veränderungen der globalen Wirtschaft zu stellen. Er ist profunder Kenner des ERP Marktes und als Keynote Speaker auf dem Confare ERP Infotag zeigt er auf, wie der stattfindende Wandel auch die Anforderung an ERP Systeme verändert. Vorab im Bloginterview über die Economy 4.0, wie deren Eckpfeiler aussehen und wie sich auch ERP Anbieter anpassen müssen.
Was sind die Eckpunkte der Economy 4.0 auf die wir uns vorbereiten müssen?
• die Globalisierung und Netzwerkeffekte welche sogar den Welthandels-Schwerpunkt geographisch um die halbe Welt verschieben;
• die digitale Transformation mit inzwischen über 1 Billion € an Business und kräftigen Steigerungsraten, neue hochintelligente Robotergenerationen, das Internet der Dinge wodurch künftige Dinge sogar zu „Leuten“ werden, KI/künstliche Intelligenz, usw.;
• der sprunghafte Fortschritt in Material-, Nano-, Gen- und erneuerbaren Energietechnologien;
• die rasende Urbanisierung in hunderte, ganz junge bzw. neue Millionen- und Mega-Städte, teilweise größer als einzelne EU-Staaten;
• die Überalterung vieler Bevölkerungen – zudem gehen 1/3 der heute arbeitenden globalen Bevölkerung in 10 Jahren in Rente;
• die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt – ob durch weitere massive Automatisierung, Robotics, Industrie 4.0 aber auch „Smart Machines“ und KI/künstliche Intelligenz – aber auch die globalen Verschiebungen im Markt von gigantischem Ausmaß
Wo sind die Handlungsfelder für Unternehmen? Was sind die Voraussetzungen, um für die Zukunft fit zu sein?
• Es wird à la long kaum ein Stein auf dem anderen bleiben. Die Regeln im globalen Wettbewerb werden neu geschrieben, nicht nur durch die exponentielle Digitalisierung, sondern auch die fünf Hauptumbruchskräfte von Economy 4.0.
• Der absehbare Entscheidungshorizont verkürzt sich dramatisch. 5 Jahre werden schon fast zur „Ewigkeit“. D.h. es gilt permanent auf der Hut zu sein, sich rasch neuen Entwicklung zu stellen und darauf rechtzeitig zu reagieren – idealerweise sogar frühzeitig zu agieren, es braucht vermehrt die Denke eines Start-Ups, sich auf die Erfahrungen aus der Vergangenheit zu stützen kann ziemlich daneben gehen.
• Wer dies übersieht und sich dem Neuen nicht öffnet, sich nicht permanent intensiv und breit informiert, alle Kräfte inklusive der Innovationspower mobilisiert und entsprechend rechtzeitig und zukunftsorientiert agiert, könnte seine Position im Markt im Handumdrehen in Gefahr bringen.
Welche Auswirkungen erwarten Sie für Gesellschaft und Menschen?
• Wir leben in einer Zeit, wo vieles das in der Vergangenheit konstant war, worauf man sich einstellen und verlassen konnte, worauf man seine Planungen aufbaute, nicht mehr gilt. Es haben Zeiten einer nahezu konstanten Diskontinuität begonnen – und diese Entwicklung wird noch mehr an Fahrt gewinnen.
Werden die IT-Systeme für Unternehmen in Zukunft genauso sein wie heute?
• Wohl kaum. Heute gibt es fast kein Segment im IKT-Bereich mehr, der sich nicht in exponentieller Geschwindigkeit und Ausbreitung verändert, ja oft völlig neu erfindet. Interessant ist, dass man in der Vergangenheit stets und gerade im ERP-Segment das Credo von großen Veränderungen und Neuerungen gepredigt hat. Tatsächlich war dies aber – im Vergleich – bislang einer der trägsten Bereiche, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Das ist auch nachvollziehbar, denn die Einführung von ERP-Systemen war meist derartig schwerfällig, herausfordernd und aufwendig – an Investments aber auch Ressourcen – dass Kunden sich lieber mit dem Status Quo, dem bestehenden Anbieter und ab und zu einem Upgrade zufriedengaben, wenn’s denn einigermaßen lief. An einen (neuerlichen) generellen Wechsel oder Gesamtumstieg dachte man nur mit Grauen. Bevor der Leidensdruck – wodurch auch immer ausgelöst – nicht gewaltig war, geschah deshalb nichts.
• Diese Zeiten sind vorbei. Das trägt nicht mehr. Der Druck zur technologischen Aktualisierung steigt von außen aber auch innen. Schnelle Reaktionsgeschwindigkeit und tatsächliche Flexibilität setzt wirklich moderneste Architektur auch für Enterprise Systeme aller Art voraus. „Schönen Sprüchen“ reichen da nicht. Durch den heute möglichen Technologielevel, dem damit zu erschließenden Business-Potential, der begonnenen Verdrängung des analogen Business durch das Digital- oder Algorithmic-Business oder schlichtweg durch erheblich besser aufgestellte Wettbewerber, wird ein Rückstand immer unverzeihlicher. Die digitale Transformation wird auch hier vermehrt „zuschlagen“. Die eigene IKT-Power wird zum zusehends kritischen, oft unterschätzten Erfolgsfaktor im Wettbewerb. Wer hier nicht mithält, wird von vielfachen Kräften und Entwicklungen „aufgerieben“ – so auch ERP-Anbieter oder ERP-Anwender.
Wie müssen ERP Anbieter auf diese Veränderungen reagieren? Was muss bei ERP Entscheidungen im Unternehmen berücksichtigt werden?
• Bislang sind viele ERP-Anbieter – bewusst oder unbewusst – die sogenannte „Jumbo-Jet-Strategie“ gefahren, angelehnt an die 747 von Boeing, die 1970 zur Erstauslieferung kam. Die 747 hält noch heute den größten Marktanteil im Großraumflugzeug-Segment, auch wenn – wie wenig bekannt – Boeing insgesamt seither „nur“ 1.500 Stück, davon bis zu 92 Stück p. a. in den besten Jahren, dieses über Jahrzehnte größte Passagierflugzeug der Welt ausgeliefert hat. Die Strategie um dieses immens komplexe und über Dekaden ziemlich konkurrenzlose High-Tech-Produkt so lange als möglich erfolgreich im Markt zu verkaufen, war, lfd. diverse Verbesserungen, Veränderungen und Modernisierungen (inkl. Digitalisierung) vorzunehmen und hineinzupacken. Zuletzt hatte man das Flugzeug sogar in einer noch größeren Version, dem Modell 747-8, auf den Markt gebracht, um dem jungen, von Grund auf neu entwickelten und deutlich überlegenen Airbus A380 die Stirn zu bieten. Aber dies half letztlich nicht mehr. Deshalb verkündigte Boeing unlängst, die Einstellung der Produktion nach nunmehr fast 50 Jahren in Bälde in Erwägung zu ziehen.
• Interessant ist dabei, dass inzwischen auch Airbus ankündigte, das Produktionsvolumen des A380 künftig wegen massiver Absatzschwierigkeiten generell zu halbieren. Der Markt will offensichtlich keine solch gigantischen, hochkomplexen, schwerfälligen und kaum zu beherrschenden und schwierig zu finanzierenden Mega-Produkte, für die man sogar die Infrastruktur von Flughäfen sündteuer ausbauen musste, mehr. Ganz zu schweigen, dass diese auch vom Thema Klimaschutz etc. nicht mehr in unsere Zeit passen.
• Ich denke, ziemlich dasselbe sehen wir zunehmend auch im ERP Segment. Die Gewinner dieser Entwicklung werden kleinere, flexiblere, umweltfreundlichere Flugzeuge sein, wobei zunehmend die pfiffigen, frechen Billig-Carrier mit dem Zeitgeist entsprechend günstigen, schlanken Angeboten ohne altgewohnte Bequemlichkeiten und Schnick-Schack die Nase vorne haben und die etablierten Airlines an den Rand der des Ruins oder gar ins Aus drängen.
• Insofern heißt es auch für ERP-Kunden künftig: Augen auf, nehmt Euer Ruder selbst in die Hand, habt Mut zur pfiffigen und frechen Veränderung, lasst keinen Stein auf dem anderen, holt Euch das Beste mit dem höchsten Nutzen für Euch zum günstigsten Preis von überall her, experimentiert dort da wie ein Start-Up und ihr werdet staunen, was sich dadurch alles eröffnet und möglich wird.