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Wie die KI-Bubble das Bildungssystem unter Druck setzt: Tobias Hombach über Digitale Transformation der Schule
Mit Livin IT Young Perspectives ermöglicht Confare Schüler*innen den Besuch des Confare #CIOSUMMITs Wien, dem wichtigsten IT-Management Treffpunkt Österreichs. Sie erhalten einen Einblick in die Welt von IT und Digitalisierung, treffen hochkarätige Manager und können mehr über Perspektiven und Jobaussichten in diesem Umfeld lernen. Im Zuge der Vorbereitung der Veranstaltung haben wir mit Bildungsexperten und Pädagogen über Schule und Digitalisierung gesprochen.
Zeitgemäßes Lernen und Lehren, das sind die Themen, mit denen sich Tobias Hombach tagtäglich beschäftigt. Er ist TECC Lab Pro Teacher (Technology, Education, Construction & Collaboration) und Coordinator beim Berufskolleg des Kreises Olpe in Deutschland. Im Bloginterview nimmt er Stellung dazu, wie sich der GenAI Hype auf das Bildungswesen auswirkt und was es für die Digitale Transformation der Schule braucht.
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Was sind denn die wichtigsten gesellschaftlichen Entwicklungen, die auf unser Bildungssystem Auswirkungen haben?
Unserem Bildungssystem stehen in Summe viele gesellschaftliche Entwicklungen gegenüber, die Auswirkungen haben. Bei der Berücksichtigung dieser, sollten wir versuchen, eine ganzheitlichere Perspektive einzunehmen. Im Grunde wirken Entwicklungen in der Technologie, Wirtschaft und Umwelt auf unser Bildungssystem ein. Welche jeweils auch untereinander Auswirkungen haben. Daher lassen Sie mich versuchen einige bedeutsame Entwicklungen aufzugreifen.
Technologisch sind nach wie vor Digitalisierung und in diesem Jahr besonders KI im Fokus, welche im Allgemeinen die Rolle von Schule als bspw. „Wissensvermittler“ hinterfragt. Allerdings ist auch im Jahr 2023 die stark unterschiedliche technologische Ausstattung von Schule immer noch ein wichtiges Thema. Während es voll ausgestattete Schulen mit VR/AR-Brillen, Tablets, flächendeckendem W-LAN usw. gibt, verfügen andere vielleicht maximal über einen halbwegs funktionierenden W-Lan Router. Leider ist das vielerorts noch an der Tagesordnung.
Wirtschaftlich brennt den Unternehmen u.a. das Thema Nachwuchskräftesicherung unter den Nägeln und wie man es z.B. hinbekommt, wieder mehr Nachwuchs für eine Ausbildung zu begeistern. Dabei stellt sich auch die Frage danach, welchen Beitrag das Bildungssystem dazu beisteuern kann. Die Kritik: Im allgemeinbildenden Bereich wird zu wenig auf die Anforderungen der Arbeitswelt vorbereitet. Die Folge: Jugendliche wissen nicht, was auf sie zukommt. Sie sind #lost! Hinzukommen steigende Anforderungen an heutiges und zukünftiges Fachpersonal (Berufsbilder verändern sich) unter dem Druck der großen KI-Bubble. Dadurch wird die Forderung nach lebenslangem Lernen noch einmal verdeutlicht und die Frage danach, wie können wird den Nachwuchs dazu befähigen.
In der Umwelt des Bildungssystems kann jetzt noch eine Vielzahl an Entwicklungen erfasst werden. Wir leben mittlerweile in einer globalisierten und immer stärker vernetzten Welt, die auch interkulturelle Kompetenz benötigt und die Frage nach z.B. globalen Bildungsstandards aufwirft. Zudem haben sich die Vorbedingungen für Schule und Unterricht verändert, u.a. ist die Vielfalt innerhalb der Lerngruppen in allen Bereichen gestiegen. Diese Bereicherung stellt Lehrende aber auch vor die Herausforderungen, dieser gerecht zu werden.
Die gesellschaftlichen Entwicklungen sind umfangreich, daher lohnt eine ganzheitliche Sicht, um das Bildungssystem weiter zu professionalisieren.
Man hat den Eindruck, die Welt ändert sich rasant. Gleichzeitig scheint im Bildungssystem der Wandel nur sehr langsam zu passieren. Wie gut sind unsere Schulen denn wirklich an die Anforderungen unserer Zeit angepasst?
Eine pauschale Beantwortung der Frage mit „gut“ oder „schlecht“ wird der Vielfalt unseres Bildungssystems nicht gerecht. Unterteilen wir das Bildungssystem einmal grob in den Bereich der allgemeinen Bildung und in den der beruflichen Bildung, werden schon erste Unterschiede auf der Ebene der Schulen deutlich. Die berufliche Bildung unterscheidet sich im Wesentlichen von den anderen Bildungssystem dadurch, dass der Fokus auf kompetenzorientierter Bildung und lebenslangem Lernen liegt. Der Ansatz ist hier der passende, um auf Veränderungen reagieren zu können. Jedoch ist die Aktualität der Lehrpläne kritisch zu sehen, um den Anforderungen der VUCA-Welt gerecht zu werden. Ich möchte ein Beispiel geben: Lehrplan – Fachkraft für Lagerlogistik (Stand 2004), Lehrplan Werkzeugmechaniker/in (aktualisiert 2019 durch Ergänzung des Wortes „digital“) und der neue Beruf im Jahr 2023 Gestalter/in für immersive Medien. Hier muss man leider erkennen, dass wir teilweise auf dem Stand von eigentlich „abgelaufenen“ Normen agieren. Hier wünsche ich mir mehr Dynamik und auf regionaler Ebene Entscheidungsspielraum für Schulen, um angemessen auf Veränderungen reagieren zu können. Wie sieht das im Bereich der allgemeinen Bildung aus? Die Vermittlung von Wissen war bislang diesem Bereich zugeschrieben. Durch Digitalisierung und KI wird gerade dieser Ansatz hinterfragt und aktuell in diesem Jahr durch das Aufkommen von ChatGPT und Co auf den Prüfstand gestellt. Das aktuelle Bestreben: Kompetenzorientierte Bildung auch im Bereich der allgemeinen Bildung zu etablieren bzw. zu implementieren. Klingt logisch! Jedoch bedarf es hier durchaus umfangreicher Anpassungen, sei es auf rechtlicher Ebene, in der Lehrkräfteausbildung oder auch in der Beteiligung von Dritten an der Gestaltung des Systems Schule.
Wie sehr hat sich Corona denn auf unser Bildungswesen ausgewirkt?
Hier würde ich pauschal erst einmal antworten: Corona hat einen Entwicklungsschub hervorgerufen, da der Betrieb der Schule aufrecht gehalten werden sollte. ABER: schauen wir uns den Zeitraum genauer an. Zu Beginn war es gefühlt ein Umstellen um 180 Grad. Im Vorteil: Schulen die sich schon auf den Weg der Digitalisierung begeben hatten. Im Nachteil: Schulen die froh waren, wenn genügend Kreide vorhanden ist und der Overhead-Projektor noch funktioniert. Hier hat Corona sicherlich den Change von Kreide zu digitalen Tools beflügelt. Zum Teil wurden während der Coronaphasen die Möglichkeiten geschaffen, Schule auf ein neues Level heben zu können. Digitaler Unterricht wäre ohne Corona wahrscheinlich nicht denkbar gewesen. Virtuelle Konferenzen wurden im Vergleich zu denen in Präsenz sehr effektiv umgesetzt. Vieles war möglich, wenn nicht pauschal der Datenschutz vorgeschoben wurde. Mit dem Auslaufen von Corona wurde der Fuß aber eher auf die Bremse gestellt und der Weg wieder an gewohnten Abläufen ausgerichtet. Meinem Empfinden nach, hat Corona stark zur Verbesserung der technischen Ausstattung und Infrastruktur der Schulen beigetragen. Die wirkliche Ermöglichung eines digitalen Modells ist dabei aufgrund der Rahmenbedingungen auf der Strecke geblieben.
Wo siehst Du am meisten Handlungsbedarf?
Es gibt verschiedene Stellschrauben, an denen gedreht werden könnte und sollte. Kooperation von Schulformen untereinander sollten konsequent gefördert werden, um Synergiepotenziale zu erkennen und diese nutzen zu können. Schließlich muss bspw. das Rad der Finanzbildung nicht neu erfunden werden. In der beruflichen Bildung sind auch wirtschaftliche Lernszenarien im Schullalltag schon lange implementiert. Hier könnte von- und miteinander gelernt werden. Zudem wäre ein Empowerment von Schulen z.B. in Bezug auf Personalentscheidungen und curriculare Ausgestaltung wünschenswert. In unseren Schulen liegt Potenzial für eine zeitgemäße Bildung, jedoch muss der Rahmen dafür noch geschaffen werden, damit es sich entfalten kann. Ein großer Hemmfaktor darin ist Zeit. Aktuelle Studien zeigen die sehr hohe Arbeitsbelastung der Lehrenden und den fehlenden Nachwuchs, welcher u.a. fehlende Zeitressourcen auffängt und einen Change mitgestaltet. Ein weiterer notwendiger Faktor wäre dafür ein mutiger Schritt nach vorne. Hier ist die Politik gefragt, den Rahmen zu schaffen. Schulen benötigen das Vertrauen und die rechtliche Sicherheit, neue Wege gehen zu dürfen, damit z.B. Lehrende und Lernende zusammen neue Dinge ausprobieren und eine Kompetenzerweiterung stattfindet.
Welche Perspektiven bietet die Digitalisierung für das Schulsystem?
Im Groben gäbe es zwei mögliche Perspektiven. Digitalisierung als Digitization oder Digitalisierung als Digitalization umzusetzen bzw. zu verstehen. Im deutschsprachigen Raum unterscheiden wir den Begriff Digitalisierung nicht weiter. Wir sollten aber wissen, was unser gemeinsames Verständnis davon ist, um für das Schulsystem eine Perspektive eröffnen zu können. Hier bedarf es einem öffnenden Regelwerk und schließlich müssen Schulen unter der Mitwirkung der am Schulleben beteiligten Menschen eine Perspektive entwickeln. Dann kann Schule der digitale Lernort sein, in dem alle analogen Prozesse digitalisiert sind oder sogar mehr. Mit Blick auf die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen ein notwendiger Schritt, um der Zukunft gerecht werden zu können.
Wo können zum Beispiel EduTechs wirklich etwas beitragen?
Grundsätzlich steckt in den Angeboten der EduTechs Potenzial für Schulen. Aus schulischer Perspektive gilt es zuerst herauszufinden, was fehlt im Leistungsportfolio der digitalen Schule und was kann z.B. ein EduTech-Anbieter zur Ergänzung und möglicherweise zum Prozess der Digitalisierung beisteuern. Im Sinne eines TQM müssen dafür aber die Anforderungen an eine digitale Schule schulindividuell klar sein, um im Rahmen der Zusammenarbeit Potenzial entfalten zu können. Wenn es denn der schulrechtliche Rahmen ermöglicht. Dann würden z.B. administrative Tools einen echten Mehrwert erzeugen. Verwaltungstätigkeiten könnten effizienter erledigt werden und in der Folge bliebe mehr Zeit für pädagogische Arbeit.
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