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Ludmila Schindler, DigiFö: Digitalisierung ist eine der größten Herausforderungen für die Schule im 21. Jahrhundert

by Yara El-Sabagh

 OUT NOW im #ConfareBlog mit Ludmila Schindler, DigiFö:
Digitalisierung ist eine der größten Herausforderungen für die Schule im 21. Jahrhundert

Beim wichtigsten IT-Management Treffpunkt Österreichs, dem Confare #CIOSUMMIT Wien haben Teilnehmer*innen, Aussteller*innen und Speaker*innen eine besondere Gelegenheit: Sie können ihre Kinder mitbringen!

Mit Livin IT Young Perspectives ermöglicht Confare Schüler*innen den Besuch des Confare #CIOSUMMITs Wien, dem wichtigsten IT-Management Treffpunkt Österreichs. Sie erhalten einen Einblick in die Welt von IT und Digitalisierung, treffen hochkarätige Manager und können mehr über Perspektiven und Jobaussichten in diesem Umfeld lernen.

Von der HackAttack bis zu Serious Play Session mit Top-Manager*innen bieten wir den Schüler*innen dabei ganz besondere Erlebnisse und Erfahrungen. Dabei ist uns natürlich die Zusammenarbeit mit Bildungsexpert*innen und Pädagog*innen wichtig.

Dabei ist Mag. Ludmila Schindler federführend. Sie ist nicht nur ausgebildete Pädagogin sondern auch Initiatorin der „Digitalen Förderinitiative“ (DigiFö) an Wiener Volks- Mittel -und Inklusiven Schulen.

Viele Institutionen und auch Organisationen aus der Confare CIO-Community unterstützen inzwischen dabei.

In Teil 1 des großen Bloginterviews mit Ludmila geht es um ihre Erfahrungen bei Livin IT Young Perspectives und die Hintergründe von DigiFö.

In Teil 2 erzählt Ludmila von den praktischen Erfahrungen dabei, Schülern Digitale Kompetenz mitzugeben.

In Teil 3 geht es um die Anforderungen an Politik und Gesellschaft für digitale Chancengleichheit und ein zeitgemäßes Bildungswesen.

Melanie Vacha - Eventmanager Confare GmbH

Anmeldung für Livin IT Young Perspectives:

Wenden Sie sich einfach per Mail an Melanie Vacha: melanie.vacha@confare.at

Was denkst Du, sollte im traditionellen Bildungssystem verändert werden, um es besser für das digitale Zeitalter auszurüsten?

Digitalisierung ist eine der größten Herausforderungen für die Schule im 21. Jahrhundert. Aus diesem Grund ist eine Anpassung des Schulunterrichts und der pädagogischen Herangehensweise, die vermittelten Inhalte und entwickelten Konzepte notwendig.

Die Frage, die sich stellt, ist: Wie bereitet das Bildungssystem in Österreich zukünftige Generationen auf eine digitale Zukunft vor und welche digitalen Grundkompetenzen braucht es, um am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können?

Welche Antworten und Lösungsansätze ergeben sich aus den Lehren der Pandemie?

Aufgrund der vielen Probleme, mit denen das Schulsystem zu kämpfen hat, dazu gehört nicht nur der Lehrer*innenmangel, der eigentlich schon längst vorauszusehen war, sondern auch die Infrastruktur, mit der die Schulen zu kämpfen haben, ist diese Frage daher derzeit nicht leicht zu beantworten.

Um jedoch mit den Herausforderungen, die das 21. Jahrhundert mit der digitalen Transformation in vielen Bereichen mit sich bringt, mithalten zu können, muss die Art der Wissensvermittlung und damit die Unterrichtsgestaltung und Unterrichtsführung verändert und an die Bedürfnisse der heutigen Jugend angepasst werden. Weg vom Frontalunterricht hin zu lebendigen Unterrichtsformaten unter Nutzung der modernen Architektur der schulischen Räume. Bewegtes Lernen ist kein aktuelles Schlagwort. Zu erwarten, dass sich Kinder und Jugendliche 50 Minuten lang für ein Thema, das ihnen frontal vorgetragen wird, interessieren und begeistern, ist ein Fehler, der leider noch immer tagtäglich in den Klassen passiert. Auch bei Junglehrer*innen sehe ich diese Erwartungshaltung an die Schüler*innen. Da läuft was in der Lehrer*innenausbildung falsch!

Man kann nicht verlangen, dass sich Schüler*innen alle 60 Minuten auf jedes Thema gleich leidenschaftlich freuen und für jedes Fach die gleiche Begeisterung entwickeln. Und wenn man das haben möchte, dann muss man sich innovative und lebendige Formen der Unterrichtsführung überlegen. Dazu müssen die Lehrkräfte starke Persönlichkeiten sein, die eine gute Ausbildung auf dem Gebiet der Motivation, Gruppenführung und Kommunikation erfahren haben und eine Vielzahl an verschiedenen Unterrichtsmethoden beherrschen.

Als Referentin in der Erwachsenenbildung bin ich jetzt mit Freizeitpädagog*innen und früher mit Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr konfrontiert gewesen, die von mir einen guten Mix zwischen Theorie und Praxis sowie abwechslungsreiche Fortbildungsseminare erwarten.

Wir haben ein veraltetes Schulsystem mit starren und bequemen Vorgaben, die jegliche Flexibilität vermissen lassen. Wenn die Lehrkräfte wenig Bewegungsspielraum zulassen, wird sich in den Köpfen ihrer Schüler*innen wenig bewegen.

Wenn es immer nur darum geht, ein begrenztes Wissen bei einem Test oder einer Schularbeit abzuprüfen, um dafür Noten zu vergeben, dann verliert die Bildung ihre Sinnhaftigkeit und das macht sich in der Motivation in die Schule zu gehen bemerkbar.

In diesem Zusammenhang wird in einigen Studien auf die enorm gestiegenen „Ansprüche an ein flexibles, vernetztes, digitales Bildungssystem“ hingewiesen, aber auch darauf, dass die „praktische Umsetzung“ hinterherhinkt.

Die Kinder von heute wachsen mit den digitalen Medien auf. Das, was sie interessiert und die Fragen, die sie an die Welt und das Leben stellen, beantworten sie sich unter Benützung der ihnen zur Verfügung stehenden digitalen Medien selbst. Studien, die sich mit der Nutzung digitaler Medien unter Jugendlichen beschäftigen bestätigen das. Instagram, Snapchat, TikTok, WhatsApp und Youtube gehören zu den beliebtesten Medien und werden bis zu vier Stunden täglich übers Internet konsumiert.

Doch um sich in dieser immer schneller verändernden medialisierten Welt zurechtzufinden, wird es ohne Medienkompetenz nicht möglich sein, die Herausforderungen im Alltag zu meistern. Daher wird im Zusammenhang mit einer demokratiepädagogischen Schulentwicklung, auf die „Notwendigkeit und Dringlichkeit einer solchen strategischen pädagogischen Auseinandersetzung mit Erscheinungsformen, Chancen und Risiken der Digitalisierung“ hingewiesen.

Digitale Medien und virtuelle Anwendungen wie Virtual Reality machen neue Lehr- und Lern-Settings möglich. Doch zur Umsetzung braucht es eine fundierte Lehrerausbildung, grundschulgerechte Konzepte und kindergerechte Technologien. Durch die Vermittlung von digitalen Kompetenzen, die am Arbeitsmarkt immer gefragter werden, wird die Rolle die das Bildungswesen einzunehmen hat, immer wichtiger.

Die bittere Erkenntnis, die ich einmal zu lesen bekam ist jedoch folgende:

„Das Unterrichtsfach Informatik befindet sich in einer Situation, die mit der Stellung der Naturwissenschaften vor 100 Jahren verglichen werden kann. Auch diese kämpften um den Einzug in die allgemeinbildenden Schulen”.

Welche Herausforderungen siehst Du beim Einbringen digitaler Bildung in traditionellen Schulsystemen und wie geht DigiFö damit um?

Digitale Infrastruktur ist eine große Herausforderung für die Schulen, bei der Einführung und Umsetzung eines digitalen Unterrichts.

Eine Befragung unter IT-Koordinatoren ergab, dass der eingeschränkte Einsatz digitaler Medien im Unterricht zu einem großen Teil mit der Geschwindigkeit des Internetanschlusses und mit der mangelnden Anzahl an Computern für Unterrichtszwecke zusammenhängt.

Eine Volksschule im 13. Bezirk stellte nach Erhalt der Laptops fest, dass sie eine derart schwache WLAN-Verbindung im Schulhaus haben, dass ein geplanter Kursstart verschoben werden musste, um eine Lösung zu finden.

Eine deutsche Studie weist auch auf die Kritik unter den deutschen Lehrkräften hin,  betreffend „unzureichendem Zugang zu digitalen Lernmaterialien“. Ebenso gibt ein hoher Anteil an IT-Koordinator*innen und Lehrkräften an, „dass der Einsatz digitaler Medien in der Schule durch unzureichenden technischen und /oder pädagogischen Support beeinträchtigt wird“.

Mit pädagogischem Support meint man die Unterstützung der Integration in Lehr- und Lernprozesse, mit technischem Support ist die Wartung der Hardware oder das Installieren von Software gemeint. All diese genannten Faktoren erschweren eine „gelingende Integration digitaler Medien in das Unterrichtsgeschehen“.

Diese Studien aus Deutschland bestätigen das, was ich von Schulleiter*innen in Wien erfahre.

Wenn Schulleiter*innen E-Mails verfassen müssen, um eine Auskunft zu bekommen, ob es ein aktuelles Handout gibt, wie derzeit die Office 365 Accounts der Lehrer und Schüler verwaltet werden, wie der Modus und die Rechtevergabe für Passwortzurücksetzung für Schüler und Lehrer ist, wie das derzeitige Standardpasswort für den Ersteinstieg lautet und ob Freizeitpädagog*innen als Schulpersonal ebenfalls angelegt werden können, dann sieht man, wo die Volksschulen derzeit stehen und mit welchen Problemen sie zu kämpfen haben.

Die Schulleiter*innen wären froh, wenn all diese Fragen in einem aktuellen Handout das ihnen zur Verfügung gestellt wird, nachzulesen sind.

Ebenso sind Schulleiter*innen nicht darüber informiert, dass Volksschulkinder genauso wie Mittelschulkinder und auch Lehrer, zwingend eine 2Faktor-Authentifzierung benötigen, um ihr MS Office 365 in Betrieb nehmen zu können.

Das bedeutet, es braucht jedes Kind eine weitere E-Mailadresse, ein Handy für SMS oder ein Smartphone für eine weitere Authentifikator-App oder sie haben „fähige und kooperative Eltern“, wie mir ein Schuldirektor Anfang Oktober schrieb.

Das sind Hürden, die einerseits die Kursnutzung z.B. für DigiFö-Computerförderkurse erschweren und insgesamt wieder die wenig schulaffinen oder ökonomisch schwächeren Familien benachteiligen.

Diese Probleme würden die Schulleiter*innen gerne melden, doch meinen sie, fehlt es an einem Support, an Ansprechpartner und eventuell auch am Interesse in den jeweiligen Stellen. Damit sind sie alleine gelassen.

Ich bewundere dennoch, wie an den meisten Volksschulen beinahe reibungslos die Installierung eines DigiFö-Computerförderkurses erfolgte.

Manche Kursleiter*innen waren wochenlang vor Schulstart damit beschäftigt, die digitalen Leihgeräte funktionstüchtig zu machen, die Probleme mit Internet zu beheben sowie die Probleme mit Microsoft Office. Das nimmt viel Zeit in Anspruch.

Ich habe heuer mit einem externen IT-Fachmann von „Running IT Solution“ Kontakt aufgenommen, um bei Bedarf auf seine Expertise zurückgreifen zu können und um Lösungen für die Pädagog*innen anbieten zu können. Ich stehe für die Anfragen, die sich immer vor Beginn eines Kurses und nach Erhalt von Laptops ergeben zur Verfügung. Jedoch bin ich kein IT-Experte und hätte auch nicht die zeitlichen Kapazitäten, an die Schulen zu fahren, um die technischen Probleme zu lösen.

CIOSUMMIT Wien 2024

Herausforderungen für SchuleGibt es bestimmte Lehrmethoden oder Ansätze, die Du als besonders effektiv für das digitale Lernen identifiziert hast?

Die meisten Lehrkräfte geben an, große Anpassungsprobleme an neue Lehr- und Lernstrategien zu haben. Das war das Ergebnis einer Studie im Rahmen des Digital Education Action Plans. Dies trifft auch für Schüler*innen zu.

Um die Frage zu klären, welche Vorteile digital gestütztes Lehren und Lernen gegenüber einem analogen Medium bringt, bedarf es einer genauen Analyse, welches digitale Medium wie, wann und wofür genutzt wird.

Im Zusammenhang mit der Coronapandemie sind einige neue Lehr- und Lernformen ausprobiert worden. Wie z.B. das Blended Learning / E-Learning, eine Kombination aus unterschiedlichen Medien und Methoden, bei der Online-Videos und Übungen mit Präsenzunterricht kombiniert werden. Diese an modernen Hochschulen und in großen Unternehmen bereits seit vielen Jahren angewandte zeit- und ortsunabhängige Unterrichtsform, wurde nun auch in Schulen eingesetzt und ermöglicht so Präsenzphasen.

Um in der Präsenzphase „Verständnisprobleme anzusprechen und gemeinsam mit Klassenkolleg*innen Gruppen- oder Partnerarbeiten durchzuführen“, wurde auch Flipped Classroom Model des Blended Learning eingeführt. So können Erklärvideos, die selbst erstellt oder im Internet vorhanden sind, zur Einarbeitung zu Hause für ein Thema verwendet werden.

Positive Ergebnisse zu Lernergebnissen und Motivation der Schüler*innen konnten von internationalen Studien bestätigt werden, insbesondere bezüglich der Selbstbestimmung, bei der sich Schüler*innen in Partner- und Gruppenarbeiten aktiv einbringen konnten, während und der/die Lehrende als Unterstützter*in agierte. Insbesondere Schüler*innen, „die unter „normalen“ Unterrichtsbedingungen schlechter abgeschnitten hatten“, zeigten bei der Steuerung der Lernprozesse mehr Sicherheit, was ihr Selbstwertgefühl erhöhte.

MOOC (Massive Open Online Course) ist ein offen zugänglicher Online-Kurs, der in den USA schon seit längerem an Universitäten etabliert wurde. In den EU-Staaten ist MOOC jedoch lange Zeit unbeachtet geblieben, hier waren sie in Hinblick auf MOOCs Spätzünder. Gemäß dem Digital Education Action Plan, sollten MOOCs „inklusiver werden, in unterschiedlichen Sprachen und auf unterschiedlichen Lernniveaus angeboten werden und Empfehlungen für Unterrichtsdesign und -pädagogik enthalten“.

Wie kann das Bildungssystem Schüler*innen darauf vorbereiten, verantwortungsbewusst und ethisch mit Technologie umzugehen?

Der verantwortungsvolle Umgang mit digitalen Medien wird als eine der Schlüsselqualifikation der Zukunft gesehen-

Ob der Einsatz digitaler Lehrmittel mehr Vor- oder Nachteile bringt, wurde bisher noch nicht eindeutig erforscht. So meinte vor kurzem der australische Soziologe Neil Selwyn, dass die Art, wie digitale Technologien am besten in den Schulen eingesetzt werden können, nach wie vor ein komplexes Thema ist, das „unsere fortwährende Aufmerksamkeit erfordert“.

Medienpädagog*innen empfehlen für den digitalen Unterricht mit Volksschulkindern, mediale Themen aus der Alltagswelt in den Unterricht zu integrieren. So werden Tablets im Volksschulunterricht empfohlen, die sich als besonders gut geeignetes Gruppengerät erwiesen haben. Durch die Auswahl der Produktionstools kann die digitale Kreativität der Kinder gefördert werden. Die multimediale Art in Kleingruppen fördert nachweislich die soziale Kompetenz, Kompromissbereitschaft und das gezielte Hinarbeiten auf ein gemeinsames Ergebnis. Das kann man auch in jedem DigiFö-Kurs beobachten. Beim Programmieren lernen Kinder wie Befehle konstruiert werden müssen, damit sie ein Roboter versteht. Die vielen Darstellungsformen, die ihnen dabei zugänglich gemacht werden, bieten den Kindern die Möglichkeit, sich in einer komplexen Welt zurechtzufinden.

 

Es gibt einige Autoren, die auch vor den negativen Auswirkungen der Digitalisierung auf die demokratische Entwicklung der Gesellschaft hinweisen. Aus dem Blick der kritischen Zukunftsentwürfe, gefährdet die Digitalisierung nicht nur Demokratien, sondern auch „das Bildungssystem gleichermaßen. Als Beispiel hierfür wird Big Data herangezogen, das eine „nie dagewesen soziale Kontrolle, die die Privatsphäre zerstören und in einen digitalen Faschismus führen könne“.

In diesem Zusammenhang werden Social Bots und Digital Microtargeting erwähnt, die bereits jetzt schon eine Rolle bei der digitalen Werbung spielen. So wird befürchtet, dass Social Bots und Digital Microtargeting mit „Fake News und Echokammern gesellschaftlichen Zusammenhalt zersetzen, politische Meinungsbildung manipulieren und Pluralismus als Grundlage demokratischer Gesellschaften vernichten“ würden.

So warnte 2022 eine Studie vor politischem Microtargeting, also politischer Werbung im Netz, die bei den vergangenen Parlamentswahlen auch in Ungarn eine Rolle spielte, da soziale Medien in Ungarn zur „letzten Bastion für unabhängige Stimmen“ geworden sind.

Somit kann man sagen, dass aufgrund ihres zunehmenden Einflusses auf alle Lebensbereiche, die Entwicklung der Digitalisierung in erster Linie nicht von technischen, sondern von politischen Entscheidungen abhängt.

Um sich dieser Entwicklung bewusst zu werden, bedarf es einer Sensibilisierung, die bereits bei der Lehrerfortbildung ansetzt und dann in den Klassen berücksichtigt wird.

Im DigiFö-Computerförderkurs wird dem Thema FAKE NEWS verstärkte Aufmerksamkeit geschenkt, um die Kinder und Jugendliche damit zu konfrontieren, dass die Welt nicht immer so ist, wie sie erscheint oder präsentiert wird.

Was wünscht Du Dir von der Politik und der Gesellschaft, um die Ziele von DigiFö voranzutreiben und die digitale Bildung in Schulen zu stärken?

Um diese Frage zu beantworten und zu verstehen, wo sich die digitale Bildung in österreichischen Schulen derzeit befindet, ist es notwendig, sich die Entwicklung der Digitalisierung im Wiener Pflichtschulbereich genauer anzusehen.

Solange das Bildungsthema zum politischen Spielball wird, gibt es keine Weiterentwicklung, sondern das, was das Schulsystem in heutige Zeit noch stärker erlebt, nämlich Stillstand.

Es gab 1985/86 mit dem Schulversuch „Informatik am Polytechnischen Lehrgang“,  1991/92 mit dem Schulversuch „Hauptschulen mit Informatik“ und 1997 mit der Digitalisierung der Pflichtschulen ja schon ganz tolle innovative Ansätze für einen Unterricht mit digitalen Medien, doch es hat in weiterer Folge im Bildungssystem niemand dafür die Verantwortung übernommen. Und so kam es zum Stillstand. Sobald es zu einer Regierungsumbildung kommt, landen alle fortschrittlichen Ansätze in den Schreibtischschubladen und verhindern eine größere Bildungsreform. Das ist die traurige Wahrheit.

Im Jahr 1997 gelang in punkto Digitalisierung der Wiener Pflichtschulen ein großer Wurf, damals das größte diesbezügliche Vorhaben im deutschsprachigen Raum. So wurden innerhalb von zwei Jahren alle Wiener Pflichtschulen multimedial ausgestattet. Die Hauptschulen, damals auch schon Mittelschulen genannt, hatten bereits zumindest einen Computerraum und die Volksschulen wurden mit zwei Stand-PCs pro Klasse ausgestattet! Für ca. 400 Volksschulstandorte insgesamt 8.500 Computer angeschafft!

Dies wurde aufgrund der Zusammenarbeit des damaligen Leiters der MA 14, Herrn Ing. Günter Eckel und dem Dr. Walter Weidinger, der damals Abteilungsleiter Allgemeinbildende Pflichtschulen war, möglich. Die Finanzierung ermöglichte die damalige Finanzstadträtin Frau Mag. Brigitte Ederer, unter der das Wiener Bildungsnetz im Jahr 1997 eröffnet wurde.

Auch ein Verein mit dem Namen „Internet Center Of Education“ wurde in dieser Zeit eingerichtet, der ein Lehrer- Kinder -und später ein Elternweb zur Verfügung stellte. Dieser enthielt neben Projektdarstellungen, Projekt – und Wettbewerbsankündigungen viele sinnvolle Lernangebote für Schüler*innen.

Während einer „Cybernet-Fachtagung“ im Wiener Rathaus im Jahr 1997, forderte Ederer dazu auf, die Schulen mit einer leistungsfähigen Internet-Anbindung auszustatten, „weil sie darin die Basis für eine neue Form des Unterrichts sah und betonte, dass sich die Verwaltung, die Schulen und Lehrkräfte spätestens jetzt umstellen müssen“.

Hier muss man sich ebenfalls die Frage stellen: Warum haben so viele Volksschulen noch immer mit so schlechten Internet-Verbindungen zu kämpfen, dass ein Computerförderkurs für eine Kleingruppe mit zehn Laptops nicht abgehalten werden kann und eine Direktorin ihr privates Modem von zuhause zu jedem Kurstermin mitnehmen muss, damit digitale Förderung für 90 Minuten stattfinden kann?

Zeitgleich mit der digitalen Ausstattung der Wiener Schulen wurde am damaligen Pädagogischen Institut der Stadt Wien (1923 unter dem Schulreformer der Ersten Republik, einem Verfechter der Gesamtschule und dem späteren Präsidenten des Wiener Stadtschulrates Otto Glöckel eröffnet) ein Lehramt Informatik angeboten, obwohl es vom Bund weder einen diesbezüglichen Lehrplan noch die Verankerung eines Pflicht- oder Freigegenstandes gab. Dies belegt, dass der Stadtschulrat für Wien wie bei anderen Entwicklungen (z.B. autonome Stundentafel) in Sachen Schulentwicklung eine Vorreiterrolle innehatte.

Ich habe mich aufgrund des großen Erfolgs meiner Initiative und der nicht vorhersehbaren großen Nachfrage nach digitaler Bildung und Frühförderung in allen Schultypen, also an Volks- Mittel- und Inklusiven Schulen begonnen, mit der Entwicklung der Digitalisierung im nationalen und internationalen Vergleich auseinanderzusetzen.

Während meiner Recherchen bin ich auf die Autoren Walter Weidinger und Günter Eckel und ihr Buch aus dem Jahr 2003 (!) „Computerkids, PC und Internet als Arbeitsmittel in Wiener Pflichtschulen“ gestoßen. Diese Lektüre blieb bis heute, also zwanzig Jahre lang unbeachtet, obwohl sie die Notwendigkeit der Einführung eines Unterrichts mit digitalen Medien und erste Konzepte zur Umsetzung eines digitalen Unterrichts sehr ausführlich beschreibt.

Der Europäische Rechnungshof (EuRH) kritisierte Österreich im Jahr 2023 die „mangelnde Digitalisierung“ der Schulen, weil die Fördermittel der europäischen Union nicht effizient genug gesetzt worden sind, obwohl hohe Summen zur Unterstützung der digitalen Bildung zur Verfügung gestellt wurden.

Die Kritik die Österreich betrifft, bemängelt, dass die Schulen nicht ausreichend an der Ermittlung ihres Digitalisierungsbedarfs beteiligt waren und viele Schulen nichts von der angebotenen Unterstützung durch die EU wussten.

Die Frage ist: Was ist mit diesen Mitteln geschehen? Wofür wurden sie dann verwendet?

Positiv bewertet wurde Österreich hinsichtlich eines Plans zur Nutzung digitaler Medien. Dennoch fehlt es an nationalen und regionalen Strategien für die Digitalisierung von Schulen, auch wenn die angestrebten Ziele erreicht worden sind.

Die Schulen sind noch immer unzureichend ausgestattet und auch die Nachfrage der Lehrkräfte an weiteren Fortbildungsmaßnahmen wird betont. Im EuRH-Bericht heißt es, dass das fehlende gemeinsame Konzept für den Einsatz neuer Technologien im Unterricht die Schulen daran hintere, „das volle Potential der Digitalisierung auszuschöpfen“.

Um die Ziele von DigiFö voranzutreiben, dürfen nicht die nächsten zwanzig Jahre vergehen, die ungenutzt bleiben.

Ich übernehme für die Digitale Förderinitiative so lange Verantwortung, solange ich die Unterstützung durch die Bildungsdirektion Wien und die gesicherte Finanzierung durch die AK Wien habe. Wenn diese nicht mehr da ist, bleiben mir nur zwei Möglichkeiten. Diese mehr als drei Jahre laufende erfolgreiche DigiFö-Geschichte, die vor allem in Hinblick auf digitale Förderung von Volksschulkindern ab dem 8. Lebensjahr und von Schüler*innen an Inklusiven Schulen in der österreichischen Bildungslandschaft eine Bildungsnovität darstellt und an der über 1050 Schüler*innen an fast 60 Schulen teilnahmen zu beenden oder mit Hilfe anderer Sponsoren fortzusetzen. Es ist jedoch nicht leicht, Sponsoren zu finden.

Ich kann heute jedoch nicht sagen, ob ich im Februar oder März 2024 fortsetzen werde können. Wenn ich keine Unterstützung bekomme, ist die Digitale Förderinitiative beim nächsten Confare CIO#SUMMIT 2024 – Treffen vielleicht schon wieder ein Teil der unendlichen Geschichte der digitalen Entwicklung.

Hier sind alle gefragt, die bisher mitgewirkt haben und die auch von der Digitalen Förderinitiative an Wiener Schulen profitiert haben. Das hat was mit der Verantwortungsübernahme für die Schüler*innen, die Schulen und das gesamte Schulsystem zu tun.

Die AK Wien hat mit dem Digitalisierungsfond Arbeit 4.0 eine gute Plattform erschaffen. Ich weiß nur nicht, ob es noch aktuell ist und es eine Fortsetzung gibt.

Zur besseren Lesbarkeit dieses Blogartikels verwenden wir das generische Maskulinum. Die in diesem Blogartikel verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich – sofern nicht anders kenntlich gemacht – auf alle Geschlechter.

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