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Compliance trifft Innovation – Beide tot! Muss nicht sein, meint High Performance Coach Herbstrith-Lappe

by Annecilla Sampt

Innovation ist ein Schlüsselthema bei Confare, sei es im Blog oder auf den Wiener Konferenzen #InnovativeCIO am 26.11.2019 und #IDEE2020 am 27. Mai 2020. In bestehenden Strukturen wirken Innovatoren oft als Störfaktor. Was gut funktioniert, wird hinterfragt, was man gewohnt ist, soll plötzlich anders ablaufen. Schlimm ist das vor allem dann, wenn Compliance im Spiel ist. Wenn die Regeln nicht nur interne Vereinbarungen sind, sondern gesetzliche Vorgaben sind.

Aber wie es Gartner auf dem Gartner Symposium 2019 sehr prominent propagiert hat: Dilemmas wie dieses, können sogar ein besonderer Nährboden für den Fortschritt sein. Monika Herbstrith-Lappe ist nicht nur beliebte Keynote Speakerin bei Confare, vielfach ausgezeichnete Top-Trainerin, Buchautorin und High Performance Coach, sondern versteht sich selbst vor allem als Mutmacherin, um den Umgang mit Dilemmas zu einem Erfolgsprinzip zu machen. Im Talk mit Michael Ghezzo spricht sie über Narretei, Innovationskultur und die Sorgen der Chief Compliance Officers, wenn es um Digitale Innovation geht.

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“Compliance trifft Innovation. Beide tot.” was sagst du dazu?

Ich liebe diesen Wortwitz. Ganz besonders die Doppeldeutigkeit von Wörtern. Ambiguität ist ja neben der Volatilität, Ungewissheit und Komplexität/Complexity das vierte Charakteristikum unserer VUCA-Welt. Den Umgang mit Mehrdeutigkeiten inkl. Widersprüchlichkeiten habe ich in meinem erkenntnistheoretischen Physikstudium exzessiv trainiert. Im Alter von 15 Jahren hat mich an der Relativitätstheorie so fasziniert, dass der eine Beobachtende behauptet A sei vor B geschehen, der zweite B vor A und der dritte erlebt es gleichzeitig. Und alle drei haben Recht – jede*r in seinem/ihrem System. Die gleichzeitige Existenz von widersprüchlichen Wahrheiten war der Grund für mich Physik zu studieren. Von wegen richtig oder falsch und was Drittes gibt es nicht.

Einsteins Leistung der Speziellen Relativitätstheorie liegt nicht in seinen rationalen Fähigkeiten. Sie kommt mit Unterstufenmathematik aus wie z.B. E = mc2. Seine Leistung bestand vielmehr darin, dass er den Glaubenssatz überwunden hat, dass es nur einen Raum und nur eine Wahrheit gibt. Richtig oder falsch, Stärken oder Schwächen, gute oder schlechte Eigenschaften, besser oder schlechter, professionell oder unprofessionell … unsere Kultur ist geprägt von dichotomischem Denken. In der IT ganz besonders: „To be or not to be.” entspricht dem Informationsgehalt von 1 Bit. Aber „1 + 1 = 2“ ist richtig z.B. im 10er-System während im Binärsystem „1 + 1 = 10“ gilt. Darum verwechseln auch Informatiker*innen & Mathematiker*innen Halloween mit Weihnachten: Oct. 31 entspricht ja Dec. 25. Übrigens seit ich den Witz über das Oktalsystem versus unserem vertrauten 10er-System kenne, merke ich mir das Datum von Halloween.

Was sagst du dem Compliance Manager?

Dass er stolz darauf sein soll eine Hochleistungsbremse zu sein! Ich habe in letzter Zeit den Slogan gehört: „Wir brauchen mehr Motor und weniger Bremse.“ Das ist physikalisch völlig unsinnig. Im Gegenteil: je stärker der Motor desto besser müssen die Bremsen sein. Das Wirtschaftsblatt hat an der Wiener Südosttangente sehr lange ein Plakat hängen: „Wer bremst verliert.“ Ich war immer wieder versucht darunter zu schreiben: „Wer bremst überlebt.“ Für Security Beauftragte, interne Jurist*innen, Revisor*innen …. gestalte ich Trainings „Vom Bremser zum Ermöglicher: so werden Sie zum geschätzten Partner“ Innerhalb der ersten halben Stunde stelle ich richtig: „Als Bremser ein Ermöglicher“ Denn die Sicherheit des Bremsens ermöglicht Geschwindigkeit.

Und von einem lieben Freund, der Ralleys fährt und im übrigen Fahrsicherheitstrainings beim ÖAMTC gestaltet, weiß ich: manchmal ist es sogar nützlich gleichzeitig Gas zu geben und zu bremsen. Gegen eine permanent angezogene Handbremse, die Vorankommen verunmöglicht, bin ich natürlich. Bin eher eine Frau der Geschwindigkeit und Wendigkeit als eine Frau der Geduld.

Empfiehlst du daher doch, dass die Menschen risikofreudiger werden sollen?

Ich empfehle, mit Risiken bewusster umzugehen. Als Statistikerin weiß ich, dass wir beim Einschätzen von Risiken völlig falsch liegen. Zigfach so viele Menschen sterben bei Selfies als bei Haiattacken. Trotzdem werden vom Aussterben bedrohte Haie zum Abschuss freigegeben und die Selfiefunktion wird nicht ausgerottet.

„Wertschätzend-kritische Zuversicht“ nenne ich mein Konzept, Risiken realistisch einzuschätzen und sich dabei auch den damit verbundenen Ängsten zu stellen. Dazu meine Gretchenfragen:

  • Worin besteht die Gefahr?
  • Wie können wir das Risiko absichern?
  • Worauf müssen wir achten?
  • Was stimmt mich zuversichtlich, dass wir es schaffen?

Angst ist ein denkbar schlechter Ratgeber und produziert selbsterfüllende Prophezeiungen. Das lernt man auch bei einem Fahrsicherheitstraining: sich vor dem Schleudern zu fürchten erhöht die Schleudergefahr.

Das Augenmaß, die gesunde Balance ist auch hier gefragt, denn übertriebene Sicherheitsvorkehrungen steigern nicht das Sicherheitsempfinden, sondern schüren schlummernde Ängste bei Menschen. „Etablieren einen Mutkultur gegen Veränderungsängste“ ist dzt. ein häufig nachgefragtes Thema.

Siehe auch mein Blog: Wissend in die Ungewissheit führen

Und was rätst du den Innovatoren?

Stay foolish! Die Devise von Steve Jobs trifft den springenden Punkt. (*lacht*) „Betrachte die Vergangenheit als Sprungbrett und nicht als Sofa“ fällt mir gleich beim springenden Punkt ein. Und trete damit gleich den Beweis an, wie Kreativität entsteht: nämlich, wenn scheinbar nicht Zusammenhängendes in Verbindung gebracht wird. Und genau das kann die sogenannte künstliche Intelligenz nicht: kreativ sein – die bleibt immer im vorgegebenen Kontext. Daher mein Lieblings-Appell: „Wir sollten Humor viel ernster nehmen und g’scheites Blödeln kultivieren.“

Heiterkeit und Frohsinn sind der beste Nährboden für Kreativität und damit auch für Innovationskraft. Übrigens Irritation ist die zu Unrecht ungeliebte Schwester der Innovation. Je überraschender Interventionen sind umso mehr Veränderungen bewirken sie. Alle großen Ideen haben einen belächelnswerten Anfang. Der berühmte Organisationsentwicklungs-Experte Matthias Varga von Kibed formuliert es blumiger – im doppelten Sinn des Wortes: „Aus der Knospe der Verwirrung entspringt die Blüte der Erkenntnis.“

Deine Tipps für das Zusammenwirken zwischen Innovation und Compliance

Du hast die Antwort indirekt schon gegeben: es geht um Zusammenwirken. Als Physikerin weiß ich: Schlupf frisst Wirkungsgrad und fördert den Verscheiß. Und wenn du es näher bei der IKT formuliert haben willst: Wenn Buchse und Stecker nicht exakt zusammenpassen erzeugt das Übergangswiderstände und reduziert es die Wirkleistung. „Wer ist wichtiger?“ „Wer hat Recht?“ sind kontraproduktive Machtspiele, die dem dichotomischen Denken entstammen. Statt vergleichendem „besser oder schlechter“ empfehle ich die Haltung „wertschätzend anders“ zu fördern.

Ein Getriebe funktioniert nur, wenn die Zahnräder unterschiedlich sind. Statt sich gegenseitig vorzuwerfen „Du bist so klein!“ versus „Du bist so langsam!“ zu erkennen, dass das flinke, kleine Zahnrad für die Geschwindigkeit und das große, langsame Zahnrad für das Drehmoment sorgt. Diversität macht überlebensstark, weil es mehr Optionen bietet. Das ist ja die Grundidee von meinem Möglichkeits-Meer für mehr Möglichkeiten und damit mehr Erfolgs-Chancen.

In der Walt Disney Kreativitäts-Strategie gibt es den Visionär, der grenzenlos denken darf, einen für den Organisator, der dafür sorgt, dass man nicht nur die Flügel zum Abheben sondern auch das Fahrgestellt zum Landen hat. Und dann gibt es auch den ganz wichtigen Kritiker, der analysiert worin die Gefahren bestehen und wie man diese absichert.

Was ist deiner Meinung der größte Innovationskiller?

Perfektionismus. Innovation braucht eine Vertrauens- und Fehlerkultur. Neuland zu betreten ist immer mit dem Risiko des Irrtums behaftet. Ich liebe die Devise von Robert Musil „Wir irren vorwärts“. Und zwar in zielstrebiger Wendigkeit. So kann man beim Segeln sogar hart am Gegenwind vorankommen und Regatten gewinnen. Das Ziel ist klar. Die Route auch. Dann kann man die Wendigkeit im Manöver nutzen. Womit wir wieder bei einer zu meisternden Widersprüchlichkeit sind nämlich zwischen Stabilität und Agilität. Zu meiner Unternehmensgründungsfeier im Jahre 1998 hatte ich als Devis die chinesische Weisheit gewählt: „Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die Einen Mauern und die Anderen Windmühlen.“

Um auch diesen Gegensatz konsensual aufzulösen: Windmühlen brauchen Mauern als stabiles Fundament. Die Todsünde von Bewerbungsgesprächen ist es, über den alten Arbeitgeber zu sprechen. Genauso kontraproduktiv ist es das Alte schlecht zu machen. Druck erzeugt Gegendruck. Wenn du meine bestehende Arbeitsweise angreifst, werde ich diese verteidigen. Auch wenn es JETZT nicht mehr zeitgemäß ist, hat es DAMALS gute Gründe gegeben, sich für diese Lösung zu entscheiden. Ich wünsche Unternehmen, Bewährtes beizubehalten und Neues weiterzuentwickeln – in gesunder Balance. Vom Alten zu lernen Neues zu machen. Sich weiterzuentwickeln und dabei sich selbst treu zu bleiben.

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