OUT NOW im #ConfareBlog mit Confare #ImpactChallenge Nominee Markus Schmitz:
Die Transformation der Bundesagentur ist digital und grün
CIOs und IT-Manager machen die Welt zu einem besseren Ort. Sie leben neue Führungsprinzipien vor, schaffen die Voraussetzungen für Nachhaltigkeit und Umweltschutz oder helfen gesellschaftlichen Herausforderungen mit Digitalisierung und Technologie erfolgreich zu begegnen. Sie verändern Unternehmen oder sogar ganze Branchen, helfen Menschen, die in Not sind und leben gesellschaftliche Verantwortung vor.
Wir stellen Ihnen die Nominierten im Confare Blog vor: Dr. Markus Schmitz ist seit November 2016 CIO, Generalbevollmächtigter und Geschäftsführer Informationstechnologie und Digitale Prozesse der Bundesagentur für Arbeit. Die Bundesagentur für Arbeit ist mit etwa 113.000 Beschäftigten eine der größten Behörden in Deutschland und einer der größten Arbeitgeber des Bundes.
Der studierte Sozialwissenschaftler und Historiker erkennt die IT als entscheidenden Hebel um Nachhaltigkeit zu fördern und den CO2 Footprint des Unternehmens positiv zu entwickeln. Im Interview geht es um die große Transformation der Behörde und der IT und warum Green IT und Nachhaltigkeit dabei ganz oben auf der Agenda stehen.
Ab Mitte Mai können Sie Markus und weitere hochkarätige IT-Leader täglich mit Ihrer Stimme beim Voting unterstützen. Registrieren Sie sich jetzt, um von Beginn an dabei zu sein.
Die Gewinner werden beim Confare CIOSUMMIT Frankfurt gekürt. Wollen Sie persönlich die besten Beispiele erleben? Melden Sie sich jetzt an.
Lesen Sie im ersten Teil des Interviews mit Markus Schmitz, wo sich die Bundesagentur für Arbeit bei der Digitalen Transformation gerade befindet und welche gesellschaftliche Verantwortung man als Führungskraft heute trägt.
Was sind die Treiber für Green-IT und Nachhaltigkeit bei der Bundesagentur für Arbeit? Warum ist Dir das Thema besonders wichtig?
Die Haupttreiber für die CO2 Emissionen bei der Bundesagentur für Arbeit sind Strom und Heizkosten. Mit ganz viel Abstand folgen der Druck-Output und die Mobilität. Als ich vor drei Jahren angefangen habe, das Thema für uns zu erschließen, habe ich auf Basis der verfügbaren Daten mal eine Überschlagsberechnung gemacht, wieviel CO2 pro Mitarbeiterin/Mitarbeiter in einem Jahr emittiert wird – und das waren ca. zwei Tonnen! Das entspricht einem Abschmelzen von 6 qm Arktis-Eis für Mitarbeitenden pro Jahr. Und das bei uns als eine der größten Behörden Deutschlands mit über 100.000 Mitarbeitenden!
Mich hat das erschreckt, weil ich mir diesen ökologischen Footprint der BA so noch nie vor Augen geführt hatte und ich der festen Überzeugung bin, dass gerade wir im Öffentlichen Sektor bei einem für die Menschheit und Gesellschaft so fundamentalen Thema Vorreiter sein muss und nicht Nachzügler. Meinem Führungskreis ging es genauso und so haben wir im Führungs-Team schnell Konsens erzielt, dass wir das Thema gemeinsam anpacken müssen – auch aus der Verantwortung für die nachfolgenden Generationen heraus. Darüber hinaus haben wir gesehen, dass die IT selbst über ihre innovativen Ansätze und Lösungen helfen kann, auf Themen der Nachhaltigkeit Einfluss zu nehmen, die auf den ersten Blick nichts mit IT zu tun haben.
Das war quasi die Geburtsstunde für unser Green IT-Programm, dessen operative Leitung der Chef unserer IT-Produktion – Christoph Stein – übernommen und zugleich ein interdisziplinäres Team aufgebaut hat, das die konkrete Ausgestaltung und Umsetzung vornimmt.
Welchen Hebel hat der CIO dabei? Wo sind hier Deine wichtigsten Handlungsfelder? Welche Erfolge konntet ihr schon erzielen?
Als CIO kann ich natürlich die genuinen IT-Handlungsfelder adressieren, aber zugleich eben auch die Business-Seite beraten, auf anderen Themenfelder der Nachhaltigkeit Ideen zu generieren.
Unser Ziel ist es, eine klimaneutrale Bundesverwaltung bis 2030 zu erreichen. Unsere Handlungsschwerpunkte und unsere Messpunkte orientieren sich daher an den Gesetzen und Vorhaben der Bundesregierung.
Zentrale Stoßrichtungen für unser Green-IT-Programm sind der Dreiklang aus Vermeiden, Reduzieren und Kompensieren.
Im ersten Schritt habe ich seinerzeit den Einkauf von „Grünem Strom“ auf den Weg gebracht, was damals durchaus noch zu heftigen Diskussionen führte. Der durchgängige Bezug von Grünem Strom ist mittlerweile Realität geworden und für uns in der IT ist dies natürlich ein wichtiger erster Meilenstein gewesen, weil Strom unser größter Hebel ist und wir hier den Aspekt des „Kompensierens“ entscheidend adressieren konnten.
Unsere vier wichtigen Handlungsfelder mit Blick auf „Vermeiden“ und „Reduzieren“ fokussieren sich a) auf die Rechenzentren, b) die Arbeitsplatzprodukte, c) die Kommunikation und Zusammenarbeit sowie d) die Digitalisierung:
a) Auf dem Handlungsfeld „Rechenzentren“ sind wir seit 2009 aktiv. Hier ist es uns gelungen, seit dieser Zeit den Energieverbrauch um jährlich 80% zu reduzieren, das entspricht 96 GWh pro Jahr.
Das weitere Potenzial ist moderat, gleichwohl treiben wir eine effizientere Ressourcennutzung, die Optimierung/Reduktion der Energie für die Kühlung und die Möglichkeiten der Public/Private/Government Cloud-Nutzung voran.
b) Das Themenfeld der Arbeitsplatzprodukte birgt aktuell die größten Potenziale, wenngleich wir hier schon einiges erreicht haben: Die Stromeinsparungen durch Einsatz stromsparender PC-Hardware in den letzten Jahren sind nahezu ausgereizt. 83 Prozent Einsparungen schlagen bei den PCs seit 2012 zu Buche und 60 Prozent bei den Laptops MAPs seit 2015.
Unser größtes Potenzial liegt jetzt bei den Ausstattungsquoten: Wir haben Anfang März eine Entscheidung im Vorstand herbeigeführt, wonach wir zukünftig Mitarbeitende und nicht mehr Schreibtisch mit modernen Endgeräten ausstatten. In der Mitarbeiterschaft wird das nach den Pandemie-Erfahrungen positiv aufgenommen. Das heiß konkret: wir werden alle Kolleginnen und Kollegen der BA mit Laptop, Mobilfunk und VPN-Zugang ausstatten. Klassische PCs, Virtuelle Desktop Infrastrukturen und die Ausstattung von Räumen, die nur sporadisch genutzt werden, gehörten dann der Vergangenheit an. Bezogen auf einen Betrachtungszeitrau von 12 Jahren sparen wir darüber jährlich 1 Million kwh Strom ein und wir haben 200.000 Endgeräte weniger im Einsatz (e-waste). Plus: diese Art der mitarbeiterbezogenen Ausstattung wird neue Experimentierfelder für neue Arbeitsplatz-Konzepte ermöglich. Das Beispiel zeigt: Nachhaltigkeit und Mitarbeiterorientierung können Hand in Hand gehen.
Ähnliche Ansätze verfolgen wir bei der Frage der Ausstattung mit Druckern, wo wir intensiv die Follow-Me-Print-Lösung favorisieren und gerade mit den Dienststellen vor Ort nach einem gemeinsamen Vorgehensweg suchen, die Anzahl der Arbeitsplatzdrucker deutlich nach unten zu fahren.
c) Immer wichtiger wird das Handlungsfeld „Kollaboration & Kommunikation“. Auch hier haben wir bereits einiges erreicht. Über unseres bundesweite Skype for Business Plattform, unsere Home-Office Plattform sowie unser Videogateway zu den Bürgerinnen und Bürgern können täglich viele Reisen, Präsenztermine und Ausdrucke durch digitale Kommunikations- und Kollaborationslösungen vermieden werden. Seit 2019 haben wir durch die intensiv genutzte neue Homeoffice-Plattform ca. 75.000 Tonnen CO2 einsparen können. durch unser neues Videokommunikations-Gateway für die Bürgerinnen und Bürger haben wir zusätzliche ca. 460 Tonnen CO2 einsparen können.
Durch eine deutliche Intensivierung – gerade mit Blick auf die digitale Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern können weitere Einsparungen erzielt werden.
d) Ein interessantes Handlungsfeld beschreibt das Themenfeld der Digitalisierung, weil es sowohl in unsere Organisation hinein als auch nach außen Nachhaltigkeit befördern kann.
Durch die Einführung digitaler Signaturen und von Teamseiten, um nur zwei Beispiele zu nennen, wurde der Papierverbrauch in der internen Bearbeitung bereits deutlich reduziert. Gleichzeitig konnten durch Nutzung der Online-Services Fahrten zur Agentur und zurück bei den Bürgerinnen und Bürgern vermieden werden. Allein in 2022 hatten wir ca. 1,4 Mio. Online-Anträge auf Arbeitslosengeld I. Früher war der Standard, dass ein solcher Antrag immer persönlich in einem Termin in der Agentur abgegeben musste, was in jedem Einzelfall zu Wegezeiten führte. Mit der Bereitstellung von über 70 E-Services im Rahmen des Online Zugangsgesetzes arbeiten wir aktuell daran, die Nutzungsquoten dieser Services auch für eine Vielzahl anderer Service im Sinne der Nachhaltigkeit deutlich nach oben zu fahren. Für einen normalen Antrag muss kein Bürger mehr „aufs Amt“ kommen – so die Idee.
Darstellung: Die 4 Handlungsfelder der BA-GreenIT
Wo liegen dabei die wichtigsten Herausforderungen? Worauf sollte man als CIO achten, wenn man diese Themen angeht?
Man kann das Thema Nachhaltigkeit als regulatorische Anforderungen der Bundesregierung betrachten und dementsprechend aufsetzen. Oder aber man kann das Thema als eine Frage der gemeinsamen Verantwortung und der gemeinsamen Haltung angehen. Ich habe mich dabei für Letzteres entschieden und mein Eindruck ist, dass dies bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch so ankommt. In diesem Zusammenhang ist es mir wichtig, dass wir die unterschiedlichen Ansatzpunkte unseres Nachhaltigkeits-Programms mit Freude und einem positiven Mind-Set angehen. Nur so gelingt die Umsetzung, mit „Druck“ und Zielkennzahlen werden wir nur wenige unser über 100.000 Mitarbeitenden auf dem Nachhaltigkeits-Weg mitnehmen können.
Dazu zwei Beispiele: Wenn wir beim Thema Arbeitsplatz-Ausstattung nachhaltiges Handeln damit verbinden können, dass wir zugleich eine moderne und frische Arbeitsplatz-Ausstattung bereitstellen, die zugleich neue Modern-Workplace-Konstellationen ermöglicht, dann ist diesmal eine wirkliche win-win-Situation. Oder aber wenn wir bei der Frage, was ist eine fachlich sinnvolle Ausstattung mit Arbeitsplatzdruckern gemeinsam mit den Dienststellen Konzepte und Pilotierungen erarbeiten, dann haben wir im Ergebnis ein gutes Konzept und führen eben keine Diskussion des „Wir nehmen Dir Deinen Drucker weg!“.
Gleichzeitig bietet das Thema eine einmalige Chance, eine breite Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu organisieren. Wir haben in der BA-übergreifenden Arbeitsgruppe zur Nachhaltigkeit, beispielsweise die Gründung von lokalen Green Teams in den Dienststellen angeregt, die ihrerseits Ideen und Vorschläge machen für unsere Nachhaltigkeits-Agenda. Die organisationelle Partizipation kann ein ganz wichtiger Erfolgs-Faktor werden, auch wenn man nicht alle Anregungen aufgreifen und berücksichtigen kann.
Herausfordernd stellt sich die Frage der Messbarkeit dar. Wir erarbeiten gerade in Zusammenarbeit mit einem externen Partner ein erstes Nachhaltigkeits-Dashboard für die IT-Handlungsfelder. An dieser Stelle zeigt sich, dass es noch viele unbekannte Variablen und zugleich aber keinen maßkonfektionierten Weg der Messbarkeit gibt, den wir einfach anwenden können. Das muss man als Organisation auch mal ertragen und wir haben uns vereinbart, dass wir uns bei diesem Thema auf den gemeinsamen Weg zu einem BA-Nachhaltigkeits-Dashboard machen und im Zweifel unterwegs nachjustieren.
Woher kam die Initial-Zündung? Wie sieht die Zusammenarbeit mit den Fachbereichen dabei aus? Was braucht es, um Beteiligung und Zustimmung bei allen Beteiligten zu erreichen?
Die Initialzündung kam seinerzeit in der Tat aus der IT heraus. Für den Führungskongress 2020, der im alten Bonner Plenarsaal stattfand, bat mich der damalige Vorstandsvorsitzende, das Thema für die BA aufzuspannen und dort vorzustellen. Die zentrale Folie mit dem BA-Footprint und dem Nachhaltigkeits-Eisbären hat eine intensive und spannende Debatte ausgelöst, die landauf, landab viele Kolleginnen und Kollegen motiviert hat, sich für das Thema zu engagieren. Insofern würde ich uns schon zuschreiben wollen, den Stein ins Rollen gebracht zu haben.
In der Folge hat unsere BA-weite Strategie-Abteilung heraus eine übergreifende Arbeitsgruppe gegründet, die alle Fachbereiche der Bundesagentur inklusive der IT bündelt. Das war sehr hilfreich, weil wir dort alle Arbeitsstränge gebündelt betrachten können und gar nicht erst der Eindruck aufkommt, irgendeiner mache „sein Ding“. Bei Handlungsfeldern wie den Rechenzentren ist das Interesse der Fachbereiche naturgemäß geringer. Bei der Frage unserer neuen Ausstattungs-Richtline „Mitarbeitende und nicht mehr Arbeitsplätze mit modernen Endgeräten“ auszustatten, hatten wir aber gleich einen breiten fachlichen Konsens. Ähnliches gilt für die Arbeitsfelder Kommunikation und Zusammenarbeit sowie Digitalisierung. Wir als IT hatten wiederum Interesse am Fortgang der Handlungsfelder, die etwa einen Nachhaltigen Einkauf betreffen. Ich denke, das zeigt ganz gut, dass Nachhaltigkeit Teamplay und keine One-Man-Show ist.
Als BA gehen wir jetzt den nächsten Schritt. Wir haben gerade einen frischen Vorstandsbeschluss gefasst, wonach wir einen Nachhaltigkeits-Beirat gründen, der die Vorarbeiten der bisherigen Arbeitsgruppe aufnimmt und weiter professionalisiert. Dort werde ich als Vertreter der BA-IT natürlich auch vertreten sein zusammen mit den übrigen Businessseiten, dem Einkauf, dem Immobilien-Bereich und dem Bereichs Controlling-Finanzen. Der Nachhaltigkeits-Beirat wird auch der Ort sein, an dem wir die Teil-Initiativen zu einem großen Ganzen – der Nachhaltigkeits-Strategie der BA formen werden. So findet das, was als Grass-Root-Bewegung sinnvollerweise gestartet ist, einen guten Hafen.
Welche Bedeutung hat die Confare #ImpactChallenge für Dich persönlich?
Ich habe mich sehr gefreut, dass man mich und damit die BA-IT für Confare Impact Challenge nominiert hat, weil es einem gesellschaftlich so wichtigen Thema deutlich mehr Sichtbarkeit gibt und anderen Akteuren – gerade auch im Öffentlichen Sektor – Mut macht, sich ebenfalls auf den Weg zu machen. Wir müssen viel mehr dazu übergehen, unsere Geschichten und Reisen zu teilen, auch damit wir wechselseitig voneinander lernen können – im Guten wie im Schlechten.
Das Thema Nachhaltigkeit ist mir ein wirkliches Herzensanliegen und ich würde mir wünschen, dass wir als BA-IT über diesen Weg auch neue Netzwerkpartnerinnen und -partner finden, mit denen wir diesen Weg gemeinsam gehen können.