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Corinna Britta Sahl Lernlust.JETZT! Ohne Social Skills keine zukunftsfähige Digitalisierung

by Yara El-Sabagh

Exclusive im #ConfareBlog: Social Skills sind das Fundament für eine zukunftsfähige Digitalisierung 

Mit Livin IT Young Perspectives ermöglicht Confare in diesem Jahr erstmals Schüler:Innen den Besuch des Confare #CIOSUMMITs, des wichtigsten IT-Management Treffpunkts Österreichs. Sie erhalten einen Einblick in die Welt von IT und Digitalisierung, treffen hochkarätige Manager und können mehr über Perspektiven und Jobaussichten in diesem Umfeld lernen.

Im Zuge der Vorbereitung der Veranstaltung haben wir mit Bildungsexperten und Pädagogen über Schule und Digitalisierung gesprochen.

Corinna Britta Sahl ist internationale Konfliktforscherin, hat in Paris, St. Andrews und London studiert und ist seit 2017 als Bildungsinnovatorin und Unternehmensberaterin tätig. Sie treibt die Frage um: Wie entstehen in Schule, Familie, Unternehmen und unserer Gesellschaft starke Gemeinschaften? Was für ein Miteinander brauchen wir, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern?

Im September 2021 hat Corinna gemeinsam mit Dr. Gerald Hüther und Margret Rasfeld die Bildungs- und Bürgerinitiative Lernlust.JETZT! ins Leben gerufen. Die Initiative steht für einen systemtransformativen Ansatz. Um das Bildungssystem zu erneuern, braucht es die Kraft aller Beteiligten und einen Fokus der allen entspricht: Die gemeinsame Freude am Lernen und Gestalten.
Mehr Infos unter: 
www.lernlust.jetzt und www.corinna-sahl.com

Auch die CIO und CDO Community ist gefragt. Was können Unternehmen und ihre IT zu einer besseren Welt beitragen? Dafür gibt es die Confare #ImpactChallengeNominieren und Einreichen ist jetzt möglich!

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Was sind denn die wichtigsten gesellschaftlichen Entwicklungen, die auf unser Bildungssystem Auswirkungen haben?

Die wichtigsten gesellschaftlichen Entwicklungen sind hinreichend bekannt. Migration und Fluchtbewegungen, Klimawandel, Ressourcenverbrauch und Umweltschädigung, das Voranschreiten von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz und der damit verbundene Wandel der Arbeit und Arbeitsplätze, um jetzt mal ein paar zu nennen. Sie alle wirken auf das Bildungssystem. Für mich ist die damit verbundene Frage elementar: Wie lernen wir mit diesen Entwicklungen umzugehen und wo lernen wir es, wenn nicht in der Schule?

Was heißt das konkret?

Im Kern rufen all diese Entwicklungen ähnliche Verhaltensweisen bei uns Menschen hervor. Sie sind herausfordernd, verunsichernd und überfordernd, führen zu Angst, Vemeidungsstrategien oder reaktivem Verhalten. Meine Überzeugung ist, dass wir die Herausforderungen der Zukunft nur meistern, wenn wir uns zum einen aus ausgedienten gesellschaftlichen Strukturen lösen und zum anderen unsere menschlichen Fähigkeiten weiterentwickeln. Wie ersteres geht, hat die Transformationsforscherin Maja Göpel in ihrer Arbeit mit einer Vielzahl zukunftsweisender Herangehensweisen vorgestellt. Die müssten eigentlich dringend Eingang in unser Bildungssystem finden. Aktuell passiert das aber überhaupt nicht. Für die Weiterentwicklung unserer menschlichen Fähigkeiten hat besonders der OECD Lernkompass 2030 die Weichen gestellt. Andreas Schleicher rückt den Fokus auf die kognitiven, sozialen und emotionalen Kompetenzen. Die Soft Skills, unser Miteinander und ein neues Verständnis von Führung und Lehren sind wichtiger als reines Faktenwissen. Das kann sich jedes Kind heute über die digitalen Möglichkeiten selbst aneignen. Wir brauchen also dringend Platz im Bildungssystem, um unseren Kindern in den 10-12 Jahren Schulzeit die für sie elemantare Entwicklung zu ermöglichen. Dabei liegt besonders die Herausbildung von kritischem und vernetztem Denken, kollaborativem Zusammenarbeiten, Handlungsmut und Gestaltungsfreude im Fokus.

DigitalisierungMan hat den Eindruck, die Welt ändert sich rasant. Gleichzeitig scheint im Bildungssystem der Wandel nur sehr langsam zu passieren. Wie gut sind unsere Schulen denn wirklich an die Anforderungen unserer Zeit angepasst?

Ganz ehrlich gesprochen ist die Situation in den Schulen dramatisch und wir brauchen kreative Lösungen. Ich würde den Schulen in erster Linie keine Vorwürfe machen, sondern die Situation hinterfragen. Jeder CEO/CFO eines fortschrittlichen Unternehmens hat eine Stelle für Forschung und Entwicklung, hat Gestaltungsspielraum bei der Einstellung seines Personals und finanzielle Möglichkeiten, um Anpassungen und Weiterentwicklungen in sein Unternehmen zu bringen. Schulen sollen keine Unternehmen sein, aber wenn wir uns anschauen, in welchem Kontext sie arbeiten, dann sehen wir in erster Linie einen super schwerfälligen Verwaltungsapparat. Schulen in Deutschland z.B. sind zudem noch zweigeteilt hinsichtlich ihrer Ansprechpartner. Personal und Unterricht bestimmen die Kultusministerien, hinsichtlich der notwendigen Infrastruktur sind aber die Kommunen die Träger. Unternehmen würden daran verzweifeln. Ich will die Frage daher gern umdrehen: Wie können sich Schulen besser auf die Anforderungen der Zeit einstellen? Zum Beispiel mit mehr Gestaltungsspielraum, einer Mitsprache bei der Personaleinstellung, einer größeren finanziellen Autonomie – warum sprechen wir ihnen nicht mehr Vertrauen aus, statt sie mit einer überbordenden Bürokratie zu belasten? Angesichts des eklatanten Lehrermangels wäre eine pragmatische Lösung die nicht besetzten Lehrerstellen kurzfristig zu kapitalisieren, um den Schulen mehr Gestaltungsspielraum in ihren Angeboten zu ermöglichen. Lernen durch Engagement könnte unterstützen, hier gibt es bereits vorhandene Strukturen, die sich nutzen lassen.

Wie sehr hat sich Corona denn auf unser Bildungswesen ausgewirkt?

Die Schüler:innen mussten 2 Jahre lang auf elementare Grundbedürfnisse verzichten, die für ihre soziale und emotionale Entwicklung notwendig sind. Schulleitungen und Träger, die mit mir sprechen sehen bei Schüler:innen Apathie, Resignation, psychische Probleme, Zukunftsangst. Aus meiner Sicht brauchen Schüler:innen, Lehrkräfte und Eltern jetzt etwas ganz anderes, als den Fokus darauf den Stoff nachzuholen. In der Zeit von Corona haben viele großartige Menschen in sogenannten systemrelevanten Berufen die Gesellschaft gestützt. Haben wir uns je gefragt, wie es diesen Menschen gelungen ist, neben ihrer Arbeit auch ihren Kindern gerecht zu werden, bei geschlossenen Schulen und Kindergärten und was diese Kinder und Jugendlichen jetzt wirklich brauchen? Viele weitere Menschen waren täglich mit der Herausforderung konfrontiert im Home Office den beruflichen Anforderungen gerecht zu werden und zugleich ihre Kinder zu Hause zu unterstützen. Viele großartige Lehrkräfte haben während Corona versucht, Lösungen zu finden und den Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen zu halten. Es braucht jetzt den Fokus auf die Bedürfnisse und Nöte der Schüler:innen, der Eltern und Lehrkräfte und wir müssen ihnen Freiraum schaffen. Darum ist meine Frage: Wieso schaffen wir es nicht, den Schüler:innen, Eltern und Lehrkräften die Angst vor einem Schuljahr ohne Notendruck und Testnachholen zu nehmen sowie die Angst davor den gesellschaftlichen Anschluss zu verlieren?

Die Programme „Aufholen nach Corona“ wie zB in Deutschland sind gut gemeint, gehen aber aus meiner Sicht an den tatsächlichen Bedürfnissen vorbei. Außerdem sind sie hochbürokratisch und müssen parallel den zugehörigen Verwaltungsapparat mitfinanzieren. Hier komme ich wieder zur vorherigen Frage zurück. Den Schulen hier einen finanziellen und gestalterischen Raum zu geben, wäre hilfreich. Damit könnten sie die notwendige Unterstützung, die sie jetzt gerade brauchen, unbürokratisch einholen. Das Schuljahr von Tests und überbordenden Lehrplänen zu entrümpeln, wäre auch hilfreich. Wir hatten 2 Jahre Zeit, dies vorzubereiten.

Wo siehst Du am meisten Handlungsbedarf?

Das Ziel ist aktuell Schüler:innen wieder in Lernprozesse zu bringen. Bevor wir dahin kommen, muss es erstmal darum gehen, die Grundbedürfnisse zu berücksichtigen, die auf der Strecke geblieben sind. Nur wenn die versorgt sind, kann überhaupt wieder Lernfreude entstehen. Das ist auch das Ziel unserer Initiative Lerlust.JETZT! Daneben ist für mich essentiell, die sozial- und emotionalen Kompetenzen, also Soft Skills in den Fokus zu rücken. Das scheint immer noch ein Thema zu sein, das gerne unter den Teppich gekehrt wird. Aber auch hier lohnt sich der kurze Blick in die nahe Zukunft: In Zukunft macht uns Menschen aus, was uns von Maschinen unterscheidet. Wenn wir uns menschlich also nicht weiterentwickeln, dann sind die digitalen Tools kein Nutzen. Für das Erlernen eines eloquenten Umgangs mit ihnen braucht es Zeit und Unterstützung. Den gibt es aber für Lehrkräfte nicht. Digitale Tools sinnvoll zu nutzen, erfordert einen Erwachsenen im Klassenzimmer, der kompetent und selbstbewusst mit eigenem Stil eine Klasse (an)leitet. Es geht um Führung und Persönlichkeitsentwicklung und ein tieferes Verständnis dafür, was Menschen brauchen, um sich zu entwickeln. Wir werden an multiporfessionellen Teams nicht vorbei kommen, wenn Schule mehr sein soll als ein Ort der Aufbewahrung oder reiner Wissensvermittlung. Darum sind aktuell auch die Vorschläge zum Lehrer:innenmangel der Ständigen Wissenschaftilchen Kommission der Kultusministerkonferenz (KMK) in Deutschland so erschreckend. Ja wir haben Lehrkräftemangel, aber die Lösungsvorschläge gehen so sehr an dem vorbei, was menschlich erforderlich ist: Wir brauchen besonders nach Corona, aber auch ganz allgemein für die Zukunft Vertrauenspersonen in der Schule, die Schüler:innen beibringen, wie man mit Scheitern umgeht, wie man Lösungen für komplexe Probleme gemeinsam herbeiführt. Diese Kompetenzen müssen wir in uns Erwachsenen erstmal selbst ausbilden. Nur so können Schüler:innen dies von uns lernen. Und genau auf diese Ausbildung sollten wir uns fokussieren und nach Lösungen suchen, die außerhalb der festgefahren Strukturen liegen. Kein einziger Vorschlag der SWK hat das bedacht und daran gedacht, was wir Kindern jetzt dringend vermitteln müssen. Das meine ich mit alten Lösungen, die nicht mehr tragbar sind.

Welche Perspektiven bietet die Digitalisierung für das Schulsystem?

Im Moment wird die Digitalisierung rein getrennt betrachtet. Es erscheint mehr ein Wirtschaftsförderprogramm, als eine sinnvolle Unterstützung der Schulen zu sein. Den Digitalisierungsförderungen für Schulen fehlt ein begleitendes Konzept für die Schulen selbst. Auch hier helfen Fragen weiter. Ist eine Volldigitalisierung der Schule sinnvoll und erforderlich? Wer kümmert sich um Technik, Datensicherheit. Was bedeutet die Digitalisierungswelle für die Ressourcen der Welt? Wird hier im Kreislauf gedacht (Bespiel Maja Göpel)? Wer begleitet die Einführung einer sinnvollen und kreativen Nutzung der digitalen Möglichkeiten? Oft begegnet uns die Einrichtung von sogenannten Laptop Klassen. Wenn dabei ein hybrider Unterricht von selbständigem Erforschen, der kritischen Auseinandersetzung mit Medien und Inhalten, der digitalen Umsetzung von kreativen Lösungen mitgedacht wird, kann etwas sehr zukunftsträchtiges daraus entstehen. Wenn aber der analoge Frontalunterricht lediglich auf eine digitale Bearbeitung von Arbeitsblättern umgestellt wird, dann geht die Digitalisierung an den tatsächlichen Erfordernissen weit vorbei. Daneben sind die gesundheitlichen Auswirkungen von 6 h digitalem Frontalunterricht zu hinterfragen.

Wo können zum Beispiel EduTechs wirklich etwas beitragen?

Edutechs sind dann gut, wenn sie ein Werkzeug sind und der Mensch Gestalter bleibt. Sie sind dann schlecht, wenn sie Schüler:innen und Lehrkräften das Denken abnehmen und einen Rahmen vorgeben, der sie passiv und zum Konsumenten macht. Die Fragen die sich Entwickler stellen sollten sind also: Wie bleiben die User handlungsfähig? Wie wird ihr eigenständiges Denken angeregt? Gibt es Möglichkeiten sie spielerisch vor komplexe Problemsituationen oder Herausforderungen zu stellen, die nur in Kollaboration zu lösen sind? Für Lehrkräfte wie Schüler:innen sollten EduTechs intuitiv in Lern- und Arbeitsprozessen anwendbar sein. Sinnvoll sind sie auch als unterstützende Möglichkeiten, um sich Wissen selbst anzueignen. Aus diesem Wissen kann sich dann eine Forschungsfrage entwickeln, eine Problemstellung. Hier kann wiederum ein anderes digitales Tool zum Einsatz kommen, mit dem die Frage zu lösen ist. Für die Lösung können EduTechs also helfen, z.B. für Wissenvermittlung, um zu Lösungen zu führen oder durch die Programmierung einer helfenden App.

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