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Monika Herbstrith-Lappe und die #Coronakrise – Was man von Wittgenstein für die Digitalisierung lernen kann

by Fernando Ducoing

Monika Herbstrith-Lappe ist regelmäßig Gast bei den Confare Events. Als selbstständige Keynote Speakerin & Trainerin ist sie massiv von den Folgen von Lockdown und Coronakrise betroffen. Sie hat ihre eigenen Schlüsse aus den aktuellen Vorgängen gezogen.

  • Warum nicht alles was digitalisiert werden kann digitalisiert werden muss …
  • Was man jetzt lernen muss …
  • Für eine digitale Zukunft, Innovation und analoge Beziehungen …

“Es steht jetzt auf des Messers Schneide: CIOs sind jetzt die Held*innen der Innovation ODER die Innovation überholt sie links.”

Innovation und Digitalisierung in der Coronakrise
1. Alles Leben ist Lernen

„Fang nie an aufzuhören, hör nie auf anzufangen“ von Lucius Annaeus Seneca ist für mich als neugieriger, entdeckungs-freudiger Mensch sowieso meine Devise. In meinen Trainings stelle ich daher häufig die Frage „Wann hast du zum letzten Mal etwas völlig Neues gemacht?“ Ich glaube, derzeit fällt den meisten Menschen ganz viel ein, was sie der Not gehorchend zum 1. Mal gemacht haben. Ich gestehe, die Lerndosis, die ich in letzter Zeit zu meistern hatte, war auch für mich als lernlustige und technikaffine Frau, beeindruckend.

 

2. Not macht erfinderisch

Wenn der Stress und die Ängste nicht so groß sind, dass sie lähmen, ist es tatsächlich so, dass aus der Beschränkung der Möglichkeiten unglaublich viele neue kreative Ideen entstehen. Es gibt ja auch Kreativitätstechniken z.B. von Vera Birkenbihl, die Verknappung als Innovations Booster verwenden.

3. Veränderung braucht Leidensdruck

Ich gestehe, freiwillig hätte ich mich mit Videokonferenzen & Webinaren nicht befasst. Zu sehr liebe ich die Begegnungen & die Arbeit mit Menschen, denen ich in die Augen schauen kann. Am Beginn meiner Keynotes & Trainings erzeuge ich gemeinsamen Flow. Auf dem kann ich dann in Leichtigkeit „surfen“, Menschen inspirieren & bestärken.

Der CIO eines Technologie-Marktführers in einer Branche, die vom digitalen Wandel besonders betroffen ist, erhält die Zustimmung für die meisten seiner Innovationsprojekte mit dem Argument der Alternativenlosigkeit. Das war für mich auch der Beweggrund: gar keine Vorträge & Trainings – oder ich mache sie online. In Ermangelung anderer Alternativen habe ich den Sprung gewagt. „Wer ins kalte Wasser springt, taucht ins Meer der Möglichkeiten“ aus Finnland hat sich wieder einmal bewahrheitet. Corona hat mit „Kick-Ass-Consulting“ nachgeholfen und mir den Anstoß für die digitale Lernwelt gegeben.

4. Die Komm-Vor-Zone bietet mehr Möglichkeiten als die Komfortzone

Mein Mut für den Sprung ins kalte Wasser wurde belohnt: ich bin freudig überrascht was alles geht. Wenn Frau Dr. Eszter Dorner-Brader, Generalsekretärin von Club Alpha, mir nach einem Online-Vortrag rückmeldet: „Obwohl in Online-Formaten viel von der Präsenz und der Atmosphäre verloren geht, schaffst du es trotzdem, liebe Monika, so viel über den „Äther“ zu transportieren, dass es dein Publikum trotz Distanz und Bildschirm mitreißt und abheben lässt – mit tiefen Atemzügen schwebend! Super! Danke!!!!“ so ist das für mich Anstoß, auch nach Corona im Rahmen von interaktiven Videokonferenzen Vorträge & Trainings zu gestalten.

5. Krise = Entscheidung

Dass im japanischen Schriftzeichen für Krise Gefahr & Chance beinhaltet ist, ist mir schon länger geläufig. Dass unser Begriff „Krise“ im keltischen Wort „Entscheidung“, das sich wiederum von „Schwert“ ableitet, wurzelt, ist mir erst kürzlich bewusst geworden. Tatsächlich trennt sich jetzt Spreu von Weizen. Unter uns: ich will auch noch Weizen sein. Dann schon lieber Bio-Dinkel oder vielleicht etwas ganz anderes. Es steht jetzt auf des Messers Schneide: CIOs sind jetzt die Held*innen der Innovation ODER die Innovation überholt sie links. Mich beeindruckt ja ganz besonders, dass Car-to-Go NICHT die Erfindung eines der bestehenden renommierten Autoverleih-Anbieters war. Dietmar Dahmen formuliert pointiert: „Die Steinzeit ist nicht aus Mangel von Steinen zu Ende gegangen.“

6. Dissoziation & Reflexion eröffnet Lösungsmöglichkeiten

„Um ein Problem zu lösen, muss man sich zunächst vom Problem lösen“ ist ein wesentliches Coaching-Prinzip. Im militärischen Führungsverfahren gibt es den Feldherrnhügel, der für genügend Distanz zum operativen Gemetzel gewährt und so Orientierung für strategische Entscheidungen bietet. „Was würde ich meiner besten Freundin raten?“ ist z.B. eine hilfreiche Reflexionsfrage. Weil wir ja bei anderen viel gescheiter sind als bei uns selbst. Eine andere Frage, die für mich sehr hilfreich war: „Wie werde ich in 10 Jahren auf die Corona-Krise blicken?“ 2030 bin ich 69 Jahre alt. Plötzlich hatte ich die wunderbare Erkenntnis, dass Online-Tools auch im Alter eine Krücke sind für eingeschränkte Bewegungsmöglichkeiten. Mit meinem Laptop am Strand sitzend werde ich zwischen meinen geliebten Tauchgängen inspirierende Vorträge halten. Das ist jetzt meine Lebens-Vision.

Treffen Sie die Speerspitze des IT-Managements am Confare #CIOSUMMIT 2020 Anfang September in Wien, am 15. September in Zürich oder am 20. Oktober in Frankfurt.

7. Migrant*innen integrieren

In einem Online-Collaboration zur Gestaltung innovativer Projekte wurden wir im Laufe des Prozesses mit zwei unterschiedlichen Tools gearbeitet. Beim Toolwechsel hatten fast alle, mich einschließlich, Mühe sich auf der neuen Plattform zurechtzufinden. Von der 50-minütigen Gruppenarbeit mussten wir 40 Minuten warten bis die letzten ihre Inputs erfolgreich einbringen konnten. Für mich war das das AHA-Erlebnis bzgl. Migrant*innen: Als digitale Migrantin war es augenöffnend in Selbstreflexion zu erkennen, wie viel es von meiner kreativen Schaffenskraft kostet, wenn ich mit den Strukturen nicht vertraut bin. Mich hat es Mühe gekostet, aus der Videokonferenz heraus, den Bildschirm zu wechseln, um ein hochgeladenes Dokument zu finden. Wie geht es Menschen internationaler Herkunft, die unsere Sprache nur wenig beherrschen, wenn sie ihr Kind beim Kindergarten anmelden wollen. Hut ab, vor allen, die es schaffen!

8. Inkludierend oder diskriminierend: auf Barrierefreiheit achten

Einerseits bietet die Digitalisierung unglaublich Chancen z.B. für Menschen mit körperlichen Einschränkungen ihrer Mobilität oder zur Überwindung räumlicher Distanzen. Andererseits sind wir gesellschaftlich massiv gefordert, dass nicht ein neuer Analphabetismus in Form von fehlenden Kompetenzen bzgl. digitaler Plattformen besteht. Da waren z.B. Eltern im Zuge von Home-Schooling teilweise sehr gefordert. Der Aufbau digitaler Kompetenzen hat daher höchste gesellschaftliche Relevanz. UND noch zielführender ist, dass die Tools tatsächlich sehr nutzerfreundlich & intuitiv bedienbar sind. In den letzten Wochen habe ich Erfahrungen mit vielen unterschiedlichen Tools sammeln dürfen: Mir ist es unterschiedlich leichtgefallen, mich damit zurechtzufinden. Ein Spalt zwischen Bahnsteig und Waggon ist eine besondere Falle für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen. Im Zusammenspiel der unterschiedlichen Tools & Plattformen liegt auch so manche Tücke.

9. Fassade reicht nicht – es braucht Prozesse dahinter

Im Zuge der Corona-Ausgangsbeschränkungen war es erstaunlich, wie rasch Online-Shops aus dem Boden geschossen sind. Bei einigen auch großer Unternehmen haben wir bestellt und sehr lange auf die Warte gewartet. Die Nutzeroberfläche ist relativ schnell gestaltet. Wenn die Logistikprozesse dahinter nicht funktionieren, erzeugt das Unzufriedenheit der Kund*innen. Die mangelnde Servicequalität im Online-Geschäft trübt auch das Vertrauen bzgl. der anderen Geschäftsbeziehungen

10. Gemeinschaft macht überlebensstark

Viele haben den Shutdown zur Beziehungspflege genutzt. Die räumliche Distanz hat mehr soziale Nähe erzeugt. Online-Medien haben es ermöglicht mit den Kund*innen in Kontakt & insgesamt präsent zu bleiben. Und auch zwischen Mitbewerber*innen ist der Kontakt intensiviert worden. Sie waren plötzlich Mitstreiter*innen zur Vertretung gemeinsamer Interessen. Da ich davon überzeugt bin, dass das auch nach Corona genügend Herausforderungen im Zuge der Digitalen Transformation, Innovation & unserer VUCA-Welt der Umbrüche geben wird, hoffe ich, dass dieser Schulterschluss & die synergetischen Partnerschaften in Ökosystemen von Bestand sind.

11. Innovation braucht eine Fehlerkultur

„Perfektionismus killt Innovation“ war ja z.B. der Titel meines Vortrags am #BeCIO Summit 2019 in Frankfurt. Jetzt in der Krise habe ich es positiv wahrgenommen, dass die Menschen viel fehlertoleranter geworden sind. Immer wieder gibt es Pannen. Schön wenn diese auf Verständnis stoßen. „Wir irren vorwärts“ hat Robert Musil gemeint. In meiner Eroberung des Neulands digitaler Tools ist das eine bewährte Strategie. Ein großes Vorbild ist für mich als Physikerin der mit Erfindungsgeist reichlich gesegnete Thomas A. Edison. Er mahnt: „Es ist besser, unvollkommen anzupacken als perfekt zu zögern.“

12. Es braucht neue Geschäftsmodelle

Bisher hatte ich ein einfaches Geschäftsmodell: als ausgebuchte Speakerin & Trainerin wurden meine Vorträge gut bezahlt. Zur Kontaktpflege habe ich z.B. auf meiner Website viel Content in Form von Blogbeiträgen etc. zur Verfügung gestellt. Jetzt stelle ich fest, dass Menschen gewohnt sind, dass Online-Content kostenlos ist und daher für Online-Trainings häufig nicht bereit sind zu zahlen. Mich erinnert das an den Umbruch von Wiederverkäufern von Hard- & Software, die früher aus der Marge des Wiederverkaufens viele Beratungsleistung kostenlos angeboten haben. In der Zwischenzeit ist es meist selbstverständlich, dass Consulting zu bezahlen ist.

13. Die Zeit ist entscheidend

Die Karten im Business der digitalen Möglichkeiten werden neu gemischt. „Survival of the fittest“ ist so zu verstehen, dass die überleben & wachsen werden, die sich am anpassungsfähigsten sind – und das möglichst rasch. John F. Kennedy: „Einen Vorsprung im Leben hat, wer da anpackt, wo andere erst mal reden.“

Meine persönliche Concluiso:

Für die Zeit nach Corona werde ich es mit Wittgenstein halten: „Worüber man nicht sprechen kann, darüber soll man schweigen.“ Will heißen: ein tiefes JA zur Digitalisierung in Dankbarkeit der vielen Möglichkeiten, die es mir erschließt. UND: es gibt Bereiche wo sie keinen Sinn macht.

Als Physikerin mit Schwerpunkt Erkenntnistheorie fasziniert mich die Heißenberg’sche Unschärferelation. Ich finde es ist eine wunderbare Demutsübung für uns Menschen, dass es Dinge gibt, die sich der Berechenbarkeit entziehen. In der Physik wurde der Laplace’scher Dämon des Glaubens an die Allmacht der Berechenbarkeit der Welt am Beginn des 20. Jahrhunderts entmystifiziert. Im Management wäre es höchste Zeit dem zu folgen. Galileo Galilei wird in den Mund gelegt: “Messen, was messbar ist. Messbar machen, was noch nicht messbar ist.” Dem widersprechen moderne Physiker*innen: “Messen, was messbar ist. Messbar mache, wann man sinnvoll messbar machen kann. Und dann gibt es noch Vieles, das sich der Messbarkeit entzieht.”

Daher mein Appell:

Digitalisieren, wo Digitalisieren Sinn macht – und nur das. Ich bin davon überzeugt, dass die meiste Intelligenz im Umgang mit der sogenannten künstlichen Intelligenz die Gestaltung der Schnittstellen zwischen automatisierten Prozessen und den Menschen ist. Dieser Verbindung zwischen den Hard Facts & Soft Skills widme ich auch weiterhin mein Schaffen – in einer Kombination aus wertvollen menschlichen Beziehungen UND digitalen Möglichkeiten

„Ich will nicht sagen, es sei unmöglich,
der Maschine intuitive Fähigkeiten zu geben,
doch wäre es einfach unwirtschaftlich,
sie auf etwas anzusetzen, was der Mensch viel besser kann“

Norbert Wiener

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