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Sylvia Resetarits und Thomas Baach: Softwarequalität als Wettbewerbsfaktor nicht nur in der Versicherungsbranche

by Anthony Torno

Im Rahmen des größten und wichtigsten IT-Management-Treffens in Österreich, dem Confare #CIOSUMMIT, fand eine spannende Diskussionsrunde statt. Confare Gründer Michael Ghezzo führte ein Gespräch mit Sylvia Resetarits, Managing Director bei Expleo Austria und dem Managing Director eines globalen Unternehmens, Thomas Baach. Es ging um die Transformation der Versicherungsbranche, die Rolle von Software dabei und warum Softwarequalität heute eine besondere Bedeutung für den Unternehmenserfolg spielt. Das Interview finden Sie nun hier zum Nachlesen.

Mehr Unternehmensbeispiele zum Software Driven Enterprise finden Sie im Confare Factsheet. Factsheet Software Transformation in 2021 | Objectbay

Thomas Baach und IT-Entscheider aus Unternehmen wie SPAR, Uniqa, Erste Bank, SUSE und BRZ hören Sie beim kommenden Confare CIO ThinkTank unter dem Schwerpunkt: AUF DEM WEG ZUM SOFTWARE-DRIVEN ENTERPRISE: SOFTWARE MODERNISIERUNG ALS VORAUSSETZUNG FÜR WAHRE TRANSFORMATION

Sylvia Resetarits treffen Sie beim Confare Female IT Brunch in Wien – der Plattform für weibliche Karriere in der IT auch persönlich.

Michael Ghezzo: Was macht denn aus Eurer Sicht digitale Exzellenz wirklich aus? 

Sylvia Resitarits: Digitale Exzellenz steht im Grunde für eine erfolgreiche Transformation. Von Usern gern genutzt, von Stakeholdern geschätzt und durch Commitment untermauert.

Kerndisziplinen sind hierbei Digital Leadership und Empowerment. Zu den Pflichtdisziplinen gehören die Digital Security und Compliance.

Im Fokus steht das Kundenerlebnis: erfolgreich in der Digitalisierung bzw. im Transformationsvorhaben werden nur jene Unternehmen sein, die das Kundenerlebnis und den Kunden an die höchste Priorität stellen. Mit dem Erlebnis gewinnen und erhalten Unternehmen die Partnerschaft. Dies ist zunächst einmal unabhängig von Digitalisierung zu sehen und rein vom Business getrieben. Digitale Hilfsmittel unterstützen aber dabei (RPA: Schnelle Bearbeitung von Anfragen, Kundenzufriedenheit, Usability, attraktive, bindende Apps). Als Kunst oder digitale Excellence gilt, wenn das Unternehmen in der Gesamtheit (Business & IT) digitale Hilfsmittel für diese Zwecke einsetzt und Phantasie einbringt, z.B. neue Geschäftsmodelle über neuartige Datenquellen inklusive der Sensorik. Am Ende (oder am Beginn) muss dies das Ziel sein. Die gute Nachricht: laut unserer aktuellen Umfrage – dem Business Transformation Index 2022) wird das auch schon als höchste Priorität von Entscheidungsträgern (immerhin über 1000) eingeschätzt.

Unter Berücksichtigung des Kundenerlebnisses sind die Hauptfelder: Digital Plattform Management, Business Model, Innovation, IT Architecture Transformation sowie Process Digitalisation und Automation.

Diese fachlichen und technischen Anwendungsbereiche werden durch die Kerndisziplinen Digital Leadership und Empowerment erfolgreich umgesetzt. Dadurch wird Continous Improvement möglich. Wir müssen unsere Teams wandlungsfähig und kompetent aufstellen, damit diese mit Experimenten Innovationen treiben (digitale Kompetenz). Dezentralität und kleine Teams sind wieder gefragt und das nicht nur weil sich Mitarbeitende dann wohler fühlen (aber auch). Vielmehr auch, weil Kompetenzen schneller aufgebaut werden können und somit schnellere Reaktionen und auch Produkte entwickelt werden. Wir kennen die Zukunft nicht. Je breiter, flexibler und handlungsfähiger wir aufgestellt sind, desto besser werden wir vorbereitet sein.

Selbstverständlich gehört auch die ganze Palette der digitalen technologischen Innovationen zur digitalen Exzellenz, egal ob wir beispielsweise von AI, AR, VR, oder ähnlichem sprechen. Um Know-how einzubringen, arbeiten die Expert:innen der Expleo mit globaler fachlicher Erfahrung und Expertise beim Kunden. Und dies insbesondere mit Mut und Verlässlichkeit, frei nach dem Expleo-Claim „Think bold, act reliable“.

Michael Ghezzo: Was sind die wichtigsten Treiber der Veränderung in der Versicherungsbranche? Wie digital ist die Branche schon jetzt? Welche Rolle spielt Software für den Wandel?

Thomas Baach: Wenn wir uns die Versicherungsbranche anschauen, dann kommt der Veränderungsbedarf sowohl von den Versicherungskund*innen als auch aus den Versicherungsunternehmen selbst. Etwa aus dem Vertrieb, Betrieb und aus der Unternehmenssteuerung. Bei den Versicherungskund*innen ist die Erwartung, dass ihre Interaktion einfach, schnell und sicher gestaltet ist – sei es bei Vertragsabschluss, in der Schadenabwicklung, bei Vertragsänderungen oder den vielen an anderen Touchpoints. Dabei vergleichen uns die Kund*innen nicht nur mit anderen Versicherungsunternehmen, sondern zunehmend mit den großen Technologieplayern.

Unternehmensintern ist die Digitalisierung in Verbindung mit Automatisierung ein wichtiger Hebel, um Effizienz und Geschwindigkeit zu verbessern. Hier geht es darum, ganze Prozessketten End-to-End zu digitalisieren. Aus diesem Grund können Insellösungen wie einzelne Apps immer nur der erste Schritt sein. Ganzheitliche Digitalisierung muss weiter gehen, wenn die Arbeit für den Vertriebler oder den Sachbearbeiter im Betrieb leichter werden soll. Auch in der Unternehmenssteuerung wird Digitalisierung gebraucht. Ein Beispiel: predictive AI-Modelle können dabei helfen, Naturkatastrophen besser vorauszusehen; damit wäre es möglich, den negativen Impact besser zu verringern. Auch beim Erreichen wichtiger übergreifender Ziele, etwa der Reduzierung des CO2-Ausstosses, spielt Digitalisierung eine Rolle. Denn je besser die Skalierung der technischen Systeme unter Last funktioniert, desto weniger Energie wird verbraucht, um nur ein Beispiel zu nennen.

Die Digitalisierung der Versicherungs-Branche kennt aus meiner Sicht kein „fertig“, sondern ist ein kontinuierlicher Prozess, der ganz klar die wachsende Bedeutung von Technologie weit über die Rolle eines „Enablers“ widerspiegelt.

Michael Ghezzo: Ein geflügeltes Wort des digitalen Zeitalters lautet: „Jedes Unternehmen wird auch Softwareunternehmen“. Was für eine Rolle spielt dabei Softwarequalität? 

Sylvia Resetarits: Softwarequalität ist immer noch der am meisten unterschätzte Bereich im Rahmen der Softwareentwicklung. Das Testen wird in der Praxis teilweise immer noch als Barriere oder Bremser wahrgenommen oder auch nur von Softwareentwickler:innen übernommen. Dabei wäre es wichtig, Qualität viel umfassender zu sehen. Qualität beginnt schon bei Strategie und Umsetzungsplanung und vor allem bei der expliziten Beauftragung der Disziplin.

Laut BTI-Umfrage befinden sich Umsatz, Gewinn und Produktivität immer noch unter den Top 5 Prioritäten der Unternehmen. Deswegen stellt sich die Frage, wie wir diese Ergebnisse erzielen, um den Erfolg für unsere Kunden zu gewährleisten. Da kommt die Qualität ins Spiel.

Einen Widerspruch haben wir auch beim Business Transformation Index gesehen. Wie schon erwähnt, wird das Kundenerlebnis als höchste Priorität eingestuft. Begleitend berichten allerdings 2/3 der Unternehmen, dass sie Probleme bei der Nutzung z. B. aufgrund von Userakzeptanz feststellen. Und nur 39% meinen Qualitätssicherung und Zuverlässigkeit hätten eine hohe Priorität. Das zeigt uns doch schon, dass zu wenig Wert auf Qualität und die Sicherung dieser gelegt wird, andererseits aber auch Bedarf nach Qualität vorhanden ist, eben im Sinne des Usererlebnisses. Was bringt uns der vollkommen digitalisierte Wertschöpfungsprozess, wenn ihn niemand nutzt?

Michael Ghezzo: Wie vorsichtig muss ein Traditionsunternehmen bei der Transformation sein? Vor welchen technischen und menschlichen Hürden steht man? 

Thomas Baach: Wir haben hat nicht nur eine lange Firmentradition, sondern auch eine ebenso lange Transformationstradition. Über die Jahre ist es Teil der Kultur geworden, sich immer wieder zu verändern und anzupassen. Heute ist die wir ein globales Unternehmen mit einem Multi-Sparten Kernversicherungssystem, mit zunehmend einheitlichen Versicherungsprodukten und Prozessen. IT-Systeme werden regelmäßig modernisiert, nicht nur um der technischen Verpflichtung nachzugehen, sondern auch um weiteres Geschäft zu generieren. Bei Transformationen muss man generell fundamentaler vorgehen, sonst verändert sich zu wenig. Hier ist es besonders wichtig, die Menschen aktiv, mit offener Kommunikation und mitgestalterischen Arbeitsweisen, mitzunehmen und zu überzeugen.

Ebenso wichtig ist es, die Akzeptanz für Veränderung bei den Kunden abzusichern. Unsere Kunden sind unmittelbar die einzelnen Einheiten weltweit, aber mittelbar auch die Versicherungs-Endkunden. Deshalb ist es von zentraler Bedeutung, dass wir unsere Software-Innovationen in höchster Qualität beim Kunden ausliefern. Selbst wenn wir am Anfang nur ein MVP ausliefern, also ein Minimum Viable Product, dann liegt die Betonung auf „viable“. Eine Innovation muss funktionieren und selbstverständlich auch compliant sein. Hierbei ist das umfassende und moderne Software-Testing von zentraler Bedeutung. Performance und Zuverlässigkeit sind für uns absolute Priorität.

Michael Ghezzo: Ihr begleitet diesen Weg schon seit vielen Jahren. Welche Rolle spielen denn Quality Assurance und Software Quality Management dabei? Wie hat sich auch die Zusammenarbeit verändert? 

Sylvia Resetarits: Die Expleo ist aus einem Zusammenschluss der Assystem Technologies und SQS entstanden. Durch die Fusion haben wir Technologiekompetenz mit Engineering Know-how, umfassendem Consulting und vor allem Qualitätsknowhow gestärkt. So hat sich auch unsere Zusammenarbeit entwickelt, ausgehend von der früheren Qualitätssicherung im engeren Sinne (klassischer Softwaretest) können wir heute mit unseren Consultingleistungen (z. B. Business Analyse) und umfassendem Branchen- und Applikationswissen zur Beschleunigung auf hohem Qualitätsniveau beitragen.

Waren wir früher im Wasserfallmodell die Tester:innen am Ende der Kette, so sind wir jetzt integrativer Bestandteil der agilen Entwicklungsteams und können schon von Anfang an Qualitätsaufgaben wahrnehmen.

Unsere Quality Analysten sind heute nicht nur Business-Experten, sondern auch technologisch mit dabei. Die Qualitätssicherung umfasst jetzt Themen wie Cloud Infrastruktur, Predictive QA oder DevOps.

Was sich aber nicht verändert hat, ist das Modell der mutigen und verlässlichen Zusammenarbeit, auch im Sinne eines partnerschaftlichen Governance-Modells, dass laufend angepasst wird. Themen aus dem SW-Qualitätsmanagement wie Reporting, Monitoring, KPIs und SLAs, Prozessverbesserungen und Effizienzsteigerungen werden weiterentwickelt, aber kontinuierlich durchgeführt. Nicht nur zwischen uns und Expleo als Unternehmen, sondern auch zwischen den einzelnen Personen selbst. Wir haben im Expleo-Team in Österreich eine sehr niedrige Fluktuation (knapp 2% in 2021). Davon profitieren wir, aber vor allem auch unsere Kunden. Durch Ausbildung und Training entwickeln sich unsere Mitarbeitenden stetig weiter. Ihre angeeignete Erfahrung kann in der Folge dann effizient und kundenorientiert eingesetzt werden.

Michael Ghezzo: Wie sehen denn die wichtigsten Meilensteine der Veränderung aus und woran messt Ihr den Erfolg?

Thomas Baach: Die wichtigsten Meilensteine sind eindeutig die weitere Modernisierung der IT-Landschaft Richtung Cloud Native, die Vereinfachung der Businessprozesse und die weltweite Skalierung in den Key Markets. Gemessen werden diese Erfolge mit Standard KPIs wie höhere Schadenautomatisierungsrate, höheres Gross-Written Premium, aber auch Kunden und Mitarbeiterzufriedenheit.

Generell kann man sagen, dass Transformation kein linearer Prozess ist, sondern eher wie eine Sinuskurve zu sehen ist, also mit Erfolgen und Rückschlägen. Ich denke, dass man erst nach 3-5 Jahren eine valide Aussage treffen kann, ob eine Transformation tatsächlich erfolgreich war. Die Komplexität liegt eher in der Übergangsphase von der alten zur neuen Welt und nicht so stark an der Definition des Zielbildes, denn dieses wird in modernen Transformationen mit Multi-Stakeholdern während der Übergangsphase ohnehin noch angepasst. Darauf sollte man sich persönlich einstellen und auch das Bewusstsein dafür in der Organisation schaffen.

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