Lisa-Marie Fassl, Managing Director der Non-Profit-Organisation Austrian Angel Investors Association, ist in der Start-up Szene kein unbeschriebenes Blatt. Sie war bei mehreren Start-ups in unterschiedlichen Rollen tätig und gründete 2016 gemeinsam mit Nina Wöss und Tanja Sternbauer die Startup-Plattform Female Founders, um Frauen dabei zu unterstützen, ihr eigenes Unternehmen zu gründen.
Im Blog erzählt sie uns über ihre Erfahrungen in der Szene, die größten Herausforderungen für Start-up Frauen und warum man als perfektionistischer Einzelkämpfer nicht weit kommt.
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Frauen sind in der Start-up Szene selten. Warum haben Sie sich für diesen Weg entschieden?
Der Weg in die Startup Szene ist mir sehr ungeplant passiert: Mein ursprünglicher Karrierewunsch war, ins Consulting zu gehen. Am Ende meines Bachelorstudiums bin ich durch Zufall zum Organisationsteam eines Startup Events gestoßen, von dem ich unglaublich viel lernen konnte – auf inhaltlicher & menschlicher Ebene. Diese Erfahrung und das eigentliche Event-Wochenende mit den Startup-Gründer*innen – die mich fasziniert, begeistert und mit ihrer unbegreiflichen Energie angesteckt haben – waren mein erster Anknüpfungspunkt mit der Szene. Danach war schnell klar, dass ich mich aktiver engagieren und selbst mit so viel Leidenschaft arbeiten will.
Welche Erfahrungen haben Sie bisher in der Start-up Szene gemacht? Werden Frauen akzeptiert?
Eins vorweg: Ich habe mich in meinen Aktivitäten in der Startup Welt nie darüber definiert eine Frau zu sein. Zu dem Zeitpunkt als ich in die Startup Szene eingetaucht bin, war ich nämlich ohnehin der Meinung, dass Gleichberechtigung und Chancengleichheit eine Selbstverständlichkeit sind – weshalb mir wahrscheinlich erst im Nachhinein bewusst wurde, dass es mir doch einige Vorteile gebracht hat, als junge Frau in dieser Szene unterwegs zu sein. Denn in einer männlich dominierten Community – und das ist sie bis heute – fällt man als Frau schnell auf und kann sich dadurch besser positionieren. Was einerseits den Vorteil mit sich bringt, dass man bei entsprechender Performance zusätzlich gepusht wird, andererseits auch den Nachteil, dass die Erwartungshaltung oftmals höher ist als bei Männern. Daher ein eindeutiges Ja, Frauen werden akzeptiert, müssen sich aber – wahrscheinlich noch stärker als die männlichen Kollegen – behaupten.
Gibt es einen Unterschied zwischen GründerINNEN und ihren männlichen Kollegen?
Auf inhaltlicher, fachlicher Ebene aus meiner Sicht nicht. Die Unterschiede finden sich in anderen Bereichen: Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein und Mut zu Imperfektionismus & Risiko. Klassisches und bewusst sehr plakatives Beispiel: Männer präsentieren ihre Geschäftsideen mit extremer Überzeugung – auch wenn die Ideen noch weit von einem Proof of Market und sogar einem Working Prototype sind. Frauen hingegen neigen dazu, sich unter Wert zu verkaufen und gerade im Kontext von Pitching Events lieber tiefzustapeln als später Erwartungen nicht erfüllen zu können – was per se keine schlechte Eigenschaft, aber in der oftmals von Glanz & Gloria geprägten Startup Welt ein Nachteil ist.
Der Anteil an GründerINNEN liegt in Europa bei knappen 15 %. Was braucht es, um diesen Anteil zu erhöhen?
Role Models, bessere Möglichkeiten, Karriere & Familie zu vereinbaren und einen kulturellen Wandel in der Hinsicht, dass die Sozialisierung von Frauen & Männern sich ändern muss. D.h., dass Mädchen nicht mehr zu braven, ruhigen, hübschen Frauen erzogen werden, sondern die gleichen Werte wie Buben vermittelt bekommen – und das Bewusstsein, dass sie alles erreichen können was sie wollen und wie sie es wollen. Ein Aufbrechen von Stereotypen & Begeisterung für naturwissenschaftliche und technische Fächer sind die letzten Punkte auf meiner Wunschliste. Dazu gibt es übrigens ein schönes Zitat, das mich schon jahrelang begleitet und immer wieder bestärkt: „Sei frech und wild und wunderbar“ (aus Pippi Langstrumpf).
Was sind die größten Herausforderungen für GründerINNEN? Welche Hürden gibt es?
Ehrlicherweise sind die größten Hürden die, die man sich selbst in den Weg stellt. Gerade in Österreich hat sich mittlerweile ein sehr gründungsfreundliches Klima entwickelt – im Hinblick auf kostenlose Unterstützungsangebote wie Workshops, Gründungsberatung und Vernetzungsmöglichkeiten. Auch hinsichtlich der Frühphasenfinanzierung steht der Standort durch das ausgeprägte Fördersystem und eine aktive Frühphaseninvestor*innen-Community gut da. Woran es – und das sind tatsächliche Beobachtungen aus den letzten Wochen und Monaten – Gründerinnen oftmals fehlt, sind klare Strukturen und Vorstellungen, wie Geschäftsideen realisiert werden sollen, der Mut Angebote zu nutzen oder aktiv nach Hilfe zu fragen, der Fokus auf die essentiellen Schritte, die zum Start des Unternehmens notwendig sind. Gepaart mit einer Neigung zum Überperfektionismus und einer „Gefallen wollen“-Sozialisierung sind viele Herausforderungen hausgemacht. Strukturelle Themen wie fehlende Kinderbetreuungsplätze kommen noch on top dazu.
Welche Tipps würden Sie Frauen mit auf den Weg geben, die ein Start-up gründen möchten?
Ausprobieren, einfach machen und sich Leute an Bord holen, die bei der Umsetzung unterstützen – sei es als Co-Gründer*in, Investor*in oder als Person die einfach den nötigen Push in die richtige Richtung gibt. Und auf keinen Fall zu scheu sein, über die eigene Geschäftsidee zu reden, Feedback einzuholen und anzuecken.