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Design Thinking: Die Bedeutung von Kreativität und Innovation im Unternehmen

by Michael Ghezzo

Was Design Thinking ist, und warum Sie sich damit befassen müssen – Kreativität und Innovationskraft vs. Burnout und Krise

Eric-Jan Kaak hat als CIO von Blizzard den CIO AWARD gewonnen und ist mittlerweile als Senior Agile Coach bei IcoSense damit befasst Unternehmen fit für die Digitale Transformation zu machen. Im Blog beantwortet er, was Design Thinking ist und warum eine solche Methode gerade jetzt wichtig ist.

Confare Seminar mit Eric-Jan Kaak: „Design Thinking für Führungskräfte“ (1. Juni 2017)

Innovationsnotwendigkeit

Die industrielle Revolution des 19. Jahrhunderts hatte – trotz zahlreicher Verwerfungen ­ ohne Zweifel auch große Verdienste. Denn wir haben unseren Wohlstand den industriellen Leistungen und Wertsteigerungen der letzten 150 Jahre zu verdanken. Allein, diese Zeit ist nun zu Ende – die Wissens- und Informationsgesellschaft stellt uns vor völlig neue Herausforderungen. Diese Herausforderungen sind mit den etablierten industriellen Methoden der Vergangenheit nicht mehr zu bewältigen: Firmen funktionieren nicht (mehr) wie Maschinen, die traditionelle Planung verliert ihren Stellenwert. Es reicht heute einfach nicht mehr aus, ein Paar Knöpfe und Regler nur weiter zu drehen. Planung ist zwar noch immer wichtig, aber Agilität ist notwendig, um auf Änderungen des Umfeldes angemessen zu reagieren.

Es muss also neugedacht werden. Dazu sind wiederum nur Menschen in der Lage. Nur sie können radikal neue Ideen entwickeln und umsetzen. Nur der Mensch kann in großen sozialen Gruppen innovativ arbeiten und nur er ist in der Lage, Lösungen auf der Grundlage eines gemeinsamen Verständnisses zu entwickeln. Dafür gibt es eine unabdingbare Bedingung: Kreativität.

Das Problem: Die Effektivitäts- und Effizienzmafia hat mit ihrem derzeit gültigen Modell, in dem Firmen wie Maschinen funktionieren, die Kreativität systematisch aus den Organisationen hinausgetrieben: Übertriebene Standardisierungen, ISO-Zertifizierungen, “Management by Objectives”, Individualbonusprogramme – um nur einige Methoden zu nennen –  haben die Firmen zu starren bürokratischen Monstern verkommen lassen, die sich fast nur noch selbst verwalten.

Hinzu kommt: Diese Einengungen machen krank. Laut Ärztekammer leiden 500.000 Österreicher unter Burnout, weitere 1,1 Millionen sind gefährdet. Fast jede vierte Invaliditätspensionierung erfolgt aufgrund einer psychiatrischen Erkrankung. Schuld daran sind nicht die Menschen, schuld sind die Leistungssysteme, in denen sie unter dem Deckmantel der Gewinnmaximierung in den Ruin getrieben werden. Auch laut dem WHO-Report “Global Burden of Disease” sind in den reichen Ländern psychische Störungen die größte Krankheitslast in Form verlorener Lebensqualität und Lebensjahre.

Den Menschen ist in ihrer täglichen Arbeit der Sinn weitgehend abhandengekommen: Warum arbeite ich? – Für was ist meine Firma da? – Was ist der Sinn unseres Handelns? Die Ärztin Leibovici-Mühlberger empfiehlt in ihrem Buch “Die Burn-Out Lüge” Dynamisches, Unvorhergesehenes, Herausforderndes im Leben wieder zuzulassen. Neugierig und offen gegenüber seiner Umwelt und seinen Mitmenschen zu sein. Und da die Arbeit ein nicht unbeträchtlicher Teil unseres Lebens ist, gilt gleiches natürlich auch hier.

Wir müssen also auch im beruflichen Umfeld sowohl aus ökonomischen, aber auch psychologischen Gründen wieder lernen, Kreativität, Experimentierfreude und Sinn zuzulassen. Das fällt vielen Unternehmungen im Kontext vorgegebener Stellenbeschreibungen, Reisekostenrichtlinien, Organigrammdiskussionen, Zielvereinbarungen, Mitarbeitermotivationsseminaren, einem regulierten Vorschlagswesen und sonstigen Instrumenten des Managements natürlich nicht leicht. Die Effektivitäts- und Effizienzmafia hat über viele Jahre hinweg ganze Arbeit geleistet.

Die offene Wunde der Industriegesellschaft

Gehen wir an dieser Stelle nochmal einen Schritt zurück: Der Kern der Massenproduktion war ihre Planbarkeit. Das haben wir alle so an den Betriebswirtschaftsschulen dieser Welt gelernt. Vertriebsplan, Investitionsplan, Personalplan, Kostenstellenplan, Beschaffungsplan, Finanzplan usw. waren und sind meist immer noch die Basis unseres Tuns. Folge dem Plan und alles wird gut. Abweichungen vom Plan werden bekämpft, Abweichler bestraft. Konformisten bekommen den Bonus. Diese Planbarkeit geht in der globalen, komplexen, immer stärker vernetzten Welt verloren. Die im letzten Jahrhundert groß gewordenen Unternehmen kämpfen heute systemisch und emotional damit, dass diese Planbarkeit fehlt und auch nicht wiederkommen wird. Die neuen Ansätze wie Design Thinking, Agile Methoden oder Lean Startup legen hingegen ihre digitalen Finger konsequent in diese offenen Wunden der Industriegesellschaft.

Hinzu kommt, dass die Notwendigkeit zu radikaler Kreativität nicht die einzige Herausforderung ist. Die neuen Produktionsmethoden und Nutzerfragen sind derart dynamisch, dass Firmen sehr innovativ sein müssen, um überhaupt am Markt überleben zu können. Digitalisierung ändert die Herstellung, die Distribution und den Verkauf von Produkten und Dienstleistungen in ungeahnter Art und Weise. Aber auch Kunden sind heutzutage keine passiven Konsumenten mehr, sondern vernetzt und sehr kritisch. Sie sind auch weniger loyal gegenüber ihren Marken, verlangen aber gleichzeitig die absolute Kundenorientierung ihrer Lieferanten.

Die Antwort der Unternehmen darauf, das Zauberwort sozusagen, lautete “Kundenerlebnis”. Da aber nun alle dieses Zauberwort verinnerlicht haben, ist es auch kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Ein neues Credo ist daher an seine Stelle getreten: In der heutigen Welt von Überangebot und Social Media dreht sich nunmehr alles um persönliche Relevanz. Sie ersetzt das “Erlebnis”, steht für “Bedeutung” – und somit wieder für mehr Sinn.

Diese Entwicklung impliziert, dass ein Kunde den Wert eines Produktes nicht mehr festmacht an seinem Preis oder der Marke, sondern daran, welchen Beitrag dieses Produkt für die Erfüllung seiner persönlichen Ziele leisten kann. Anders formuliert: eine Person will nicht mit dem Zug reisen, sondern sie will nach Hause kommen. Sie mag keine warme Jacke haben, sondern eine sportive Ausstrahlung. Sie will nicht ins Fitness-Studio, sondern länger leben. Die Erreichung der persönlichen Ziele beziehungsweise die Befriedigung von Grundbedürfnissen werden somit zum Maßstab, mit dem Produkte oder Dienstleistungen bewertet und dann gekauft werden – oder auch nicht. Und nachdem die Bedürfnisse erfüllt sind, wird das gute Gefühl (oder die schlechte Erfahrung) via Social Media dann mit der ganzen Welt geteilt.

Das neue Zauberwort lautet somit “Social Business”. Es bedeutet, dass Firmen FÜR, und inzwischen auch MIT ihren Kunden, “Werte” generieren. Ausschlaggebende Erfolgsfaktoren sind dabei Empathie für Menschen, vernetztes Denken und Handeln sowie Kreativität. Nicht der ökonomische Gewinn steht im Vordergrund, sondern die Zusammenarbeit mit Stakeholdern zur Erreichung gemeinsamer Ziele oder der Befriedigung von Bedürfnissen.

Das klingt alles sehr ambitioniert, aber leider gibt es keine einfachen Erfolgsrezepte. Womit wir wieder am Ausgangspunkt wären – denn hier hilft nur noch eine menschliche Eigenschaft, die uns in der Industriegesellschaft leider weitgehend ausgetrieben wurde: Kreativität.

Was ist Design Thinking genau? Und warum jetzt?

Beim Design Thinking geht es darum, mittels Kreativität Neues entstehen zu lassen.

Der Stellenwert von Design an sich ist ja längst akzeptiert  – Firmen haben schon lange herausgefunden, dass gutes Design ein wesentlicher Faktor für den Erfolg eines Produktes sein kann. Beim Design Thinking werden nun die Kreativitätsmethoden der Designer gekreuzt mit den Anforderungen und Bedürfnissen anderer Bereiche. Das ist einigermaßen naheliegend. Denn Unternehmer, Manager, Marketing- und Produktionsverantwortliche oder Finanzleute entwerfen ja auch tagtäglich Neues: Businessmodelle, Ablaufprozesse, Projekte, Arbeitsanforderungen – wobei die bereits erwähnten Innovationsanforderungen auch bei diesen Themen immer höher werden und immer häufiger auch unbekanntes Terrain betreten werden muss. Da wird Kreativität wichtiger denn je – wenn etwas nicht mehr planbar ist, müssen zwangsläufig neue Wege beschritten werden. Die Methoden und Techniken der Designer bekommen damit plötzlich neue Einsatzfelder, abseits des reinen Produkts.

Design Thinking ist also eine Ansammlung von Methoden und Techniken, die Designer zur Gestaltung von Produkten oder Objekten verwenden, umgemünzt auf andere Geschäftsbereiche, Prozesse, Einsatzfelder oder sonstige Herausforderungen. Die einfachste Variante ist das Brainstorming. Aber es existiert eine Vielzahl weiterer Methoden, die verwendet werden können, um kreative Lösungen zu finden. Diese Methoden erobern gegenwärtig Firmen in aller Welt, die sich den neuen marktwirtschaftlichen Realitäten im 21. Jahrhunderts stellen müssen.

Mit anderen Worten: Nicht nur Produkte oder Objekte werden mit Design Thinking neu gestaltet. Unter dem Namen “Service Design” entstehen neue Dienstleistungen, Arbeitsweisen, Businessmodelle, Service-Innovationen oder Marketingkampagnen. Und unter dem Namen “Social Design” werden gesellschaftliche Probleme wie Armut, Umweltverschmutzung, Klimaschutz, Städtebau und vieles mehr neu betrachtet, bewertet und gestaltet.

Zusammengefasst steht “Design Thinking” damit für alle kreativen Methoden und Techniken, die bei der Lösung verschiedenster Probleme verwendet werden können. Darüber hinaus liefert es auch neue Ansätze für die Gestaltung innovativer Strategien und Arbeitsweisen. Aber egal, wie und wo Design Thinking zum Einsatz kommt, es ist einfach faszinierend zu beobachten, wie diese kreativen Methoden uns helfen, Kreativität für Menschen und Organisationen wieder erlebbar zu machen.

(Wie Design-Thinking-Prozesse ablaufen, werden wir in der Fortsetzung  – hier – erläutert)

Anmeldung und Details zum Workshop „Design Thinking“  (8. März 2017, Wien)

Anmeldung und Details zum Workshop „Design Thinking“  (1. Juni 2017, Wien)

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